PhilippP
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Harald Lesch kritisiert das Bidlungssystem:
Ich stimme Lesch in vielen Punkten zu, aber das würden wohl die allermeisten Lehrenden ebenso tun. Die Kritik, dass Inhalte in der Schule (bzw. dem "Bildungssystem") zu kurz kommen, ist so alt wie der Sprung in meiner nicht vorhandenen Ming-Vase; außerdem ist das, was er sagt, nicht konstruktiv (genug) geartet, es nimmt keinen echten Bezug auf die gesellschaftliche Erwartungshaltung gegenüber Bildung und der Realität an Schulen/Unis. Viele Kritiken am Bildungssystem haben dieses gemein.
Beispiel: Woher sollen denn die ganzen supertollen Lehrenden kommen, die ihr Fach erfahrungsgesättigt auf Experimentalbasis unterrichten und das ggf. 24 Schulstunden pro Woche? Weder die Mittel noch das Wissen sind vorhanden, um eine solche Forderung adäquat bedienen zu können. Außerdem ist es durchaus nicht so, dass Projektunterricht und Experimente gänzlich fehlen, auch der Praxisbezug/Lebensnähe ist längst schon eine didaktische Forderung ersten Ranges, die jedoch meist aus oben genannten Gründen in allzu seichtem Fahrwasser strandet.
Möchte ich beispielsweise einen richtig funktionalen und inhaltsbezogenen Grammatikunterricht veranstalten, muss ich an den gängigen Schulbüchern vorbei sämtliche Räder neu erfinden; ich stelle mich ohne es zu wollen dabei gegen den überkommenen Grammatikunterricht (und also gegen Kollegen) und dafür haben weder Schüler noch das berufliche Umfeld Verständnis.
Schüler lehnen ungewohnte Wege sehr schnell ab (man sollte nicht meinen, dass von Schülerseite eine prinzipielle Offenheit gegenüber alternativen Lehr-Lernmethoden anzutreffen wäre) und möchten lieber das machen, was sie gewohnt sind und was man eben unter Schule und Unterricht im herkömmlichen Sinne versteht.
Daher wiederhole ich mich, wenn ich sage, dass das Bildungssystem kein Ort ist, an dem sich gesellschaftliche Haltungen ändern, sondern jene spiegeln sich vielmehr in ihr. Warum denken nur immer alle, dass Lehrer dazu ausgebildet werden, das Denken ihrer Klienten (und deren Eltern) zu reformieren?
Ich nenne das kurzerhand den bildungskritischen Fehlschluss und schließe damit mein Plädoyer mit der Bitte um mehr Konstruktivität im bildungskritischen Diskurs!
Gruß
Phil