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Harald Lesch kritisiert das Bildungssystem

Harald Lesch kritisiert das Bidlungssystem:


Ich stimme Lesch in vielen Punkten zu, aber das würden wohl die allermeisten Lehrenden ebenso tun. Die Kritik, dass Inhalte in der Schule (bzw. dem "Bildungssystem") zu kurz kommen, ist so alt wie der Sprung in meiner nicht vorhandenen Ming-Vase; außerdem ist das, was er sagt, nicht konstruktiv (genug) geartet, es nimmt keinen echten Bezug auf die gesellschaftliche Erwartungshaltung gegenüber Bildung und der Realität an Schulen/Unis. Viele Kritiken am Bildungssystem haben dieses gemein.

Beispiel: Woher sollen denn die ganzen supertollen Lehrenden kommen, die ihr Fach erfahrungsgesättigt auf Experimentalbasis unterrichten und das ggf. 24 Schulstunden pro Woche? Weder die Mittel noch das Wissen sind vorhanden, um eine solche Forderung adäquat bedienen zu können. Außerdem ist es durchaus nicht so, dass Projektunterricht und Experimente gänzlich fehlen, auch der Praxisbezug/Lebensnähe ist längst schon eine didaktische Forderung ersten Ranges, die jedoch meist aus oben genannten Gründen in allzu seichtem Fahrwasser strandet.

Möchte ich beispielsweise einen richtig funktionalen und inhaltsbezogenen Grammatikunterricht veranstalten, muss ich an den gängigen Schulbüchern vorbei sämtliche Räder neu erfinden; ich stelle mich ohne es zu wollen dabei gegen den überkommenen Grammatikunterricht (und also gegen Kollegen) und dafür haben weder Schüler noch das berufliche Umfeld Verständnis.

Schüler lehnen ungewohnte Wege sehr schnell ab (man sollte nicht meinen, dass von Schülerseite eine prinzipielle Offenheit gegenüber alternativen Lehr-Lernmethoden anzutreffen wäre) und möchten lieber das machen, was sie gewohnt sind und was man eben unter Schule und Unterricht im herkömmlichen Sinne versteht.

Daher wiederhole ich mich, wenn ich sage, dass das Bildungssystem kein Ort ist, an dem sich gesellschaftliche Haltungen ändern, sondern jene spiegeln sich vielmehr in ihr. Warum denken nur immer alle, dass Lehrer dazu ausgebildet werden, das Denken ihrer Klienten (und deren Eltern) zu reformieren?

Ich nenne das kurzerhand den bildungskritischen Fehlschluss und schließe damit mein Plädoyer mit der Bitte um mehr Konstruktivität im bildungskritischen Diskurs!

Gruß
Phil
 
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Im Bekanntenkreis kenne ich zwei Lehrer, die klar, dafür lange studiert haben, um ihr "Traumberuf" auszuüben. Immer wieder kommt es zum Gespräch, dass die Eltern der Schüler davon ausgehen "Mein Kind lernt in der Schule. Die Lehrer müssen es den Kindern vernünftig beibringen". Ich sehe das anders. Klar, Lehrer bringen den Schülern Mathe, Religion, Ethik, Deutsch und Englisch bei. Aber damit sie es verstehen müssen auch die Eltern ihren Teil dazu beitragen. Und das muss nicht mal anstrengend sein. Der Gang in ein Museum oder in ein Zoo kann schon gut was bewirken. Die Allgemeinbildung wird gefördert und das Verständnis für die Schulfächer ebenso. Daher bin ich in einigen Punkten über die Steiner Methode positiv gestimmt und finde, dass diese Methodik auch an staatlichen Schulen umgesetzt werden sollte.
 
Warum denken nur immer alle, dass Lehrer dazu ausgebildet werden, das Denken ihrer Klienten (und deren Eltern) zu reformieren?

Das ist doch in den G8-Zuchthäusern überhaupt nicht der Fall. Tatsächlich werden zu Lasten der Steuerzahler bürgerliche Ideologien zur Elitenbildung erprobt und Spieltrieb, musische Begabungen und die spielerische körperliche Ertüchtigung bis hin zur Wehrtüchtigkeit einem pervertiertem Leistungsdenken unterworfen. Den bürgerlichen Einheitsmenschen gibt es in zwei Ausführungen, als Gewinner oder als Versager. Diesen Zustand für möglichst alle Zeiten zu erhalten rechtfertigt den Aufwand durch Bürokratie, denn dahin geht ein Großteil der Ausgaben für die Bildung.

Schalom!
 
Ich bin vom Bildungssystem auch nicht total hin und weg und habe die Hoffnung auch schon mehr oder weniger begraben, dass es reichen könnte, wenn sich die Schule um Bildung kümmert. Die Neugierde der Kinder zu wecken, die Lust selbst etwas herauszufinden oder die Kinder in ihren Fähigkeiten und Begabungen zu fördern, das muss zumindest teilweise auch zuhause geschehen.

In der Schule bekommen die Kinder nur ein Grundwissen mit und alles muss immer noch vergleichbarer werden. Das kann und sollte nicht alles sein.
 
Was sagt der Lesch denn?

Kann jemand das schriftlich zusammenfassen?

Ein kleiner Ausschnitt aus dem oben verlinkten Video, für dich von mir:


„Natur! Das müsste man unterrichten, also Biologie, Physik, Chemie – alles zusammen. Die Frage zu stellen: ‚Warum kann ein Baum so groß werden? Mein Gott, wie macht der denn das?‘ Wir gucken mal, wie hoch wir ne‘ Wassersäule pumpen können gegen die Erd-Schwerkraft – 10 Meter! Ja, und die Bäume sind 26 Meter hoch, wie kriegen die denn das Wasser da oben hin? Banale Dinge: ‚Wieso sind die Blätter grün?‘ Also wirklich: raus, raus, raus, raus; raus und rein und runter und weg und hin und so weiter! Aber stattdessen sitzen halt die Kinder in den G8-Zuchthäusern und werden da durch getrieben. Also ich finde das aberwitzig, also alle sind mies drauf: Die am Ministerium sind mies drauf, weil sie wissen, sie haben Mist gemacht; die Lehrer sind mies drauf, weil sie sagen: ‚Verdammt nochmal, um was soll ich mich denn noch alles kümmern?‘ Die Schüler haben keinen Bock, die Eltern meistens auch nicht; also das is‘… es ist so vermasselt, dadurch, dass man etwas tut, wo ich gedacht habe, das kann nicht wahr sein. Man komprimiert Zeit, man versucht es, tatsächlich. G8, Bachelor und Master sind Zeitkompressionsverfahren. Obwohl alle wissen, wir werden immer älter, wir werden immer länger arbeiten, schicken wir die Kinder schon in den Kinderhort, damit sie dort Chinesisch und Spanisch lernen, damit sie dann im Kindergarten mit Englisch und Französisch weitermachen können, damit sie im 1. Schuljahr bereits einfache Differentialgleichungen lösen können und dann nach G8… was weiß ich; das ist jetzt übertrieben, aber: Wir lassen sie nicht mehr spielen!“
Harald Lesch:

Harald Lesch wirft hier mehrere Dinge wild durcheinander: Strukturreformen der jüngeren Zeit (G8, Bachelor/Master) und inhaltliche Forderungen an schulischen Unterricht, der seiner Meinung nach viel zu wenig auf konkreten Erfahrungen und viel zu sehr auf lebensferner Theorie basiere. Damit liegt er ganz auf der Linie gängiger reformpädagogischer Forderungen, die - was die Durchführung anbelangt - schon seit Jahrzehnten und länger beständig vor sich hin scheitern, bzw. keinesfalls erweisen können, dass sie zu besserem oder mehr Wissen auf Schülerseite führen.

Außerdem scheint er ohnehin eher die bildungsbürgerlichen Aspekte (Gymnasium, spezielle Frühförderung, Studium) im Blick zu haben, was nicht zu verwundern braucht, schließlich dürfte er selbst eben jenem Bildungshintergrund entstammen. Die meisten schulkritischen Laien begehen den Fehler, lediglich den eigenen Erfahrungshorizont (i.d.R. die eigene Schulzeit) als Maßstab zu nehmen.
 
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