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Gegen Rechte demonstrieren

AW: Gegen Rechte demonstrieren

Hallo Sartchi!

Wenn eine Horde braungekleideter, eine Hand zum Hitlergruß erhoben, auf dem Ärmel eine Hakenkreuzschleife trägt, in der anderen die Kriegsreichsfahne - und solche Aufmärsche gibt es regelmäßig - dann ist das für mich, und nicht nur für mich, sondern zum Glück noch für sehr viele Menschen, Wiederbetätigung. Wenn es dann auch noch verfassungsrechtlich geschützt ist, oder ein Verbot der "Nadelstreifnazis" unmöglich ist, weil der Geheimdienst seine V-Männer nicht "abziehen" will, dann habe ich, so leid es mir tut, mit der Verfassung ein Problem.
Wenn man den Berichten über solche Aufmärsche glauben schenken kann, dann finden sie in manchen Orten, speziell wo sogenannte Gedenkstätten an Nazihelden sind, regelmäßig, manchmal sogar wöchentlich statt.
Wie in Mittenwald.
Ist es den Menschen zu verübeln, die mehrheitlich nicht dieser Gesinnung sind, wenn sie sich dagegen wehren, nachdem der Rechtsstaat scheinbar keine Möglichkeit hat, die Bürger davor zu schützen?
Haben diese Menschen keinen verfassungsrechtlichen Schutz gegen Naziaufmärsche?
Natürlich haben wir das Recht einer Gegendemonstration. Aber wer getraut sich denn heute noch? Wer will als "Linksradikaler" verhaftet werden? Ich nicht. Ich habe, ohne irgendeiner Gruppierung anzugehören,als Staatsbürgerin an einer Demo gegen Rechts teilgenommen. Ohne Gewalt, ohne Symbole, ohne Vermummung. Der "gefährlichste" Gegenstand, den ich mit mir führte, war mein Feuerzeug.
Neben mir schlug ein Nazi (erkennbar an Uniform und Hakenkreuz) eine ältere Frau nieder, ich wollte ihr helfen - und wurde verhaftet. Gerechterweise muß ich sagen, auch der Schläger.
Allerdings war der nach ein paar Stunden wieder frei, ich "saß" zwei Tage in U-Haft und weiß bis heute nicht warum.

Wen schützt unsere Verfassung. Die Demokratie? Das Volk? Das bezweifle ich mittlerweile.

LG Eule
 
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AW: Gegen Rechte demonstrieren

fluuu schrieb:
mich wundert die Position rechte Ströme abzulehnen und linke genauso.

fluu schrieb:
Was bleibt da übrig?
Der mittige konservative Kleinbürger der zu allem nickt was stärker ist als er selbst? Der Untertan?

Wer hat denn so etwas geschrieben? Würde vorschlagen, die Beiträge richtig zu lesen - und erst danach seine eigene Meinung dazu abgeben.

Hier hat keiner gegen Links etwas geschrieben - sondern gegen die Autonomen und Linksextreme Gruppierungen, also genau gegen die, die jede Linke Bewegung im Verruf bringen.

Einen Beitrag höher, äußert sich dazu Sunnyboy:


Extremismus richtet sich auch, wenn ich mich richtig an den Politikunterricht erinnere, gegen die freiheitliche Grundordnung- und ist somit nicht mehr verfassungskonform- sprich- gesetzeswidrig und wird vom Gesetz nicht toleriert.

Anders verhält es sich mit Radikalen- also Leute, die die Gesellschaft von der Wurzel auf verändern wollen. Dies muss nicht zwangsläufig verfassungswidrig sein.

Wie ich finde, eine sehr gute Erklärung und Differenzierung, die auch in anderen Beiträgen zu finden ist.

Warum wird dies danach uminterpretiert?
 
AW: Gegen Rechte demonstrieren

...oh man Miriam, dass ist ja eine Wortspalterei und -klauberei von wahrscheinlich Hobbypolitikern bei denen nicht die Einstellung und Position im Vordergrund steht um zu wissen was zu Tun ist, sondern theoretische Formulierungen und Wortverwendungen die größere Bedeutung haben.
Aber danke für den Anstoß, noch schlimmer als die politisch mittig Stehenden sind die, die sich als Linke bezeichnen aber jede Tat zur Veränderung verhindern und somit genauso auf der Stelle Treten aber dabei die größte Bewegung Verkünden. Für mich ist politische Arbeit tatkräftiges Verhalten auf der Straße und an öffentlichen Schauplätzen und nicht nur tolle Reden schwingen in geschlossenen Veranstaltungen.
Habe mich nie mit Autonomen solidarisiert aber wenn es darum geht einen Aufmarsch von Neonazis zu Stoppen sind sie es die sich in die erste Reihe stellen, alle anderen sind zu feige. Beim Stoppen von Aufmärschen nutzt die Fähigkeit von rhetorischen Raffinessen in Wort und Schrift nicht viel.

gruß fluuu
 
AW: Gegen Rechte demonstrieren

Zitat fluuu:
Grundsätzlich bin ich der Meinung wer politisch gegen rechts bzw. links ist und sich in der Mitte ansiedelt ist für den Erhalt der konservativen Zustände wie sie gegenwärtig die Macht haben und es verändert sich nichts.
Es wird Gejammert aber alles bleibt wie es ist weil keiner einen klaren Schritt in eine bestimmte Richtung wagt. Die Mitte macht eine tolle Show und veranstaltet einen riesen Wirbel aber es rührt sich praktisch kein Millimeter.

Zitat von Miriam, wenn auch zu einer anderen Stelle:
Hier hat keiner gegen Links etwas geschrieben - sondern gegen die Autonomen und Linksextreme Gruppierungen, also genau gegen die, die jede Linke Bewegung im Verruf bringen.

Dito.

Ich -für mich persönlich- habe des weiteren auch etwas dagegen, mich politisch in einer Richtung zu positionieren. Die einzige politische Konstante in meinem Denken ist die, dass ich überzeugter Demokrat bin und an unsere Verfassung glaube.
SIE ist das Maß, an der ich mir meine politische Meinung in jedem mich betreffenden Einzelfall bilde. Diese Meinung fällt mal mehr links und mal mehr rechts und mal liberal aus.

Ich brauche aber keine Flagge, unter der ich im Gleichschritt marschiere, und die mir mein geistiges Gesichtsfeld einschränkt. Womit ich durchaus niemanden beleidige, der Mitglied einer Partei ist, denn auch innerhalb von Parteien gibt es Richtungsdiskussionen.
Ich sehe es aber nicht ein, mich einer politischen Ideologie zu verschreiben, und an der meine Entscheidungen zum messen. Mag sein, dass es umgekehrt klappt: Mag sein, dass , wenn man alle meine Standpunkte zu verschieden Themen analysieren würde sagen könnte: Das ist ein Linker, das ist ein Rechter oder das ist ein Liberaler. Aber ich selber nehme für mich kein politisches Etikett in Anspruch.

Zitat von fluu:
...oh man Miriam, dass ist ja eine Wortspalterei und -klauberei von wahrscheinlich Hobbypolitikern bei denen nicht die Einstellung und Position im Vordergrund steht um zu wissen was zu Tun ist, sondern theoretische Formulierungen und Wortverwendungen die größere Bedeutung haben.
.

Nö. Das ist eine aus der Erinnerung zitierte politikwissenschaftliche Definition.

Zitat von fluu:
Aber danke für den Anstoß, noch schlimmer als die politisch mittig Stehenden sind die, die sich als Linke bezeichnen aber jede Tat zur Veränderung verhindern und somit genauso auf der Stelle Treten aber dabei die größte Bewegung Verkünden. Für mich ist politische Arbeit tatkräftiges Verhalten auf der Straße und an öffentlichen Schauplätzen und nicht nur tolle Reden schwingen in geschlossenen Veranstaltungen.
Habe mich nie mit Autonomen solidarisiert aber wenn es darum geht einen Aufmarsch von Neonazis zu Stoppen sind sie es die sich in die erste Reihe stellen, alle anderen sind zu feige. Beim Stoppen von Aufmärschen nutzt die Fähigkeit von rhetorischen Raffinessen in Wort und Schrift nicht viel.

Ich habe eine Frage an dich:
Wie stehst du zu der Gewalt, die teilweise von Autonomen verübt wird?
Ist das auch "tatkräftige Arbeit auf der Straße"?

Wie stehst du zu maskierten Autonomen, die sich mit der Polizei anlegen?
Wie glaubwürdig ist, deiner Meinung nach, jemand, der in der ersten Reihe steht, sich aber weigert, sein Gesicht zu zeigen?

Der Kampf gegen die Faschos wird, meiner Ansicht nach, nicht auf Demos entschieden. Dort können nur Zeichen gesetzt werden.
Die entscheidende Frage ist, was in unserer Gesellschaft geschieht- Tag für Tag, nicht ein paar mal im Jahr.

Die Frage ist, in wie weit es unsere demokratische Gesellschaft schafft, sich der Probleme ihrer Mitglieder anzunehmen, bevor Demagogen und Faschos von links und rechts es tun.

Wo sind denn die Autonomen, wenn Nazis Zeltlager für Kinder und Jugendliche veranstalten?

Wo ist die "Antifa", wenn die NPD Mecklenburg-Vorpommern Suppenküchen für Obdachlose einrichtet? Hat die "Antifa" auch eigene Suppenküchen?

Es wird die zivilcouragierte, demokratische Gesellschaft sein, die durch Einsatz und auch- ich weiß, das ist jetzt furchtbar langweilig- politisches Engagement in Wort und Tat gegen die gesellschaftlichen Missstände vorgeht- und somit gegen das Futter, aus dem sich der Faschismus nährt.

Und was Köln betrifft:
Ich weiß nicht ob ich alleine damit stehe, mir ist das auch wurscht- aber hat mal jemand genau hingehört, was der Polizeisprecher Baldes zum Verbot der rechten Kundgebung gesagt hat: Die Sicherheit der Kölner BürgerInnen könne nicht gewährleistet werden.

Jetzt frage ich mich: Waren es die Nazis, die eine Gefährdung der Öffentlichkeit dargestellt haben?
Nö, die standen nur doof in der Stadt rum, weil sie nicht rein kamen. Die Gefahr waren die gewaltbereiten Linken.
Und jetzt frage ich mich, als jemand, der an die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit glaubt:
Wo ist da jetzt genau der Sieg der Kölner über die Rechten?
Es ist genauso, wie ich es bei der Eröffnung dieses Themas befürchtet hatte. Der moralische Sieger dieser Veranstaltung gestern ist: ProKöln und die europäische Rechte. SIE hatten eine genehmigte Veranstaltung, die durch eine Gefährdung des gemeinen Wohls von LINKER Seite gekippt wurde. (Von linksEXTREMISTISCHER Seite, wohlgemerkt, was in rechten Kreisen vielleicht jedoch unter den Tisch gekehrt werden wird. Macht sich propagandistisch besser.)
Ein Sieg für Köln wäre es, meiner Ansicht nach, gewesen, wenn die ProKöln-Kundgebung wie geplant stattgefunden hätte und man am Ende beim Vergleich gesehen hätte, das eine überwältigende Mehrheit der Kölner friedlich gegen diese Kundgebung demonstriert hat.

Mfg,
Sunnyboy
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Gegen Rechte demonstrieren

Diesen Text habe ich ohne vorzuschreiben aus dem Kopf und aus dem Bauch heraus geschrieben. Er beschreibt was meine Erinnerungen an das, ich gestern gesehen und gefühlt habe. Vor allen gegen Ende des Textes wird meine Ausdrucksweise sehr unschön und könnte durchaus auch aus dem Mund eines Rechtsextremen kommen. Ich habe überlegt, dies zu streichen, mich aber bewusst entschieden, es stehen zu lassen. Das sind gestern meine wahren Gefühle gewesen. Heute versuche ich, etwas differenzierter an die Sache heranzugehen. ich finde aber, dass es nicht schaden kann, einmal zu sehen, welche Gefühle sich bei einer solchen Veranstaltung aufbauen können.

Es kommen vor allem fast nur die Dinge vor, die ich gestern live erlebt habe. Hinzu zu dem, was mich so wütend gemacht hat kamen nun die Medienbilder und Berichte, beispielsweise über von Linken durch die Stadt gehetzte ProKöln Mitglieder.



Impressionen einer verhinderten rechten Demo

Wie ich bereits bei anderen Gelegenheiten habe ich einige Freunde nicht-deutschen Ursprungs. Für mich hat das nie eine Rolle gespielt, warum auch?

Doch wenn ich die Rechtsextremisten sehe, ihre Parolen höre, von ihrer kranken Ideologie lese, und sehe, wie sie ihre Finger nach Nachwuchs ausstrecken, dann habe ich Angst.
Angst davor, dass den Menschen, die mir nahe stehen, durch die Hetze oder gar die Hand der Faschos etwas zustößt, nur weil sie nicht in ihr Weltbild passen.

Deswegen bin ich sehr daran interessiert, das Wege gefunden werden, Faschismus, Rechtsextremismus und Rassismus effektiv zu bekämpfen. Und auch meinen Beitrag dazu zu leisten.

Aus dieser Einstellung heraus war es für mich auch sehr wichtig, in meine Nachbarstadt Köln zu fahren, als ich hörte das sich dort die extremistische Rechte Europas versammelten wollte.

Ursprünglich wollte ich demonstrieren. Denn Demonstrationen sind in einer Demokratie immer noch die beeindruckenste Methode Demagogen zu zeigen, wie falsch sie liegen, wenn sie sich zu Fürsprechern der gesamten Gesellschaft erklären. Was Köln betrifft, so habe ich einen großen Respekt vor den friedlichen Demonstranten und den Wirten, Hotelbesitzern, Taxi- und Busfahrern von Köln, die sich geweigert haben, den Rechten ihre Dienste anzubieten. Respekt.

Doch dann habe ich mich anders entschieden: Wenn sich, so dachte ich zumindest, die Möglichkeit ergibt, die Creme de la Creme Europas rechter Szene live zu erleben, und Zeuge zu werden, wie sie die Ängste, Nöte und Sorgen der Menschen steigern um sie dann auszunutzen und für ihrer Hasspropaganda zu missbrauchen, dann sollte man vielleicht-als Demokrat- auch einmal anwesend sein, auch einmal zuhören um zu wissen, was man sich in rechten Kreisen so erzählt.

Ich hatte zwar vor allem moralische Bedenken. Denn wenn man auf einer rechten Demo auftaucht, wird man zu einer Nummer in den Statistiken, die von den Rechten ohne weiter nachzuhaken als Bestätigung dient. Aber, in Anbetracht der Tatsache, dass die Zahl der Gegendemonstranten (wie fast immer zu solchen Anlässen) bedeutend höher war als die der extremistischen Rechten, dachte ich mir dass es im Grunde auch nicht weiter schlimm ist, wenn ich auf der Gegenseite auftauche- wohlgemerkt, da lege ich Wert drauf- nicht als Unterstützer und Claqueur (ich hätte mich etwas abseits hingestellt, einfach zugehört und mir Notizen gemacht.). Außerdem hatte ich die Worte meines Vaters (der in seiner Kindheit noch das "Dritte Reich"- als Sohn eines Majors der Waffen-SS- erlebt hat im Ohr der sagte, dass, wenn mehr Menschen Hitler genauer zugehört und "Mein Kampf" gelesen hätten, mehr Leute gewusst hätten, auf was Hitler es abgesehen hat. Deswegen fuhr ich Samstag morgen mit dem Ziel ProKöln-Kundgebung auf dem Neumarkt los. Ich hatte zwar bis zum Schluss Bedenken und auch ein schlechtes Gewissen den Gegendemonstranten gegenüber, doch es kann auch nicht verkehrt sein sich aus erster Hand zu informieren. Das haben sie uns zumindest am Gymnasium so beigebracht.

Ist aber auch eh wurscht- an ein Durchkommen war überhaupt nicht zu denken. Sämtliche Seitenstraßen in der Altstadt, die auf den Neumarkt führten, waren durch (überwiegende friedliche) Gegendemonstranten äußerst effektiv versperrt worden. Allerdings herrschte in der Altstadt teilweise eine gereizte, aufgeheizte Stimmung.

Also blies ich meinen Plan ab (und war unterbewusst auch froh darüber, denn die Gegendemonstranten hatten mich von einigen Gewissensbissen erlöst.) und fing an, für mich selbst Notizen zu machen (ich schreibe öfters Dinge auf, die mich interessieren, außerdem möchte ich mich wieder journalistisch engagieren und hatte gedacht, dass etwas über die Gegendemo ein gute Gelegenheit wäre.) Jedenfalls wurde ich an einer Blockade von einem jungen Mann misstrauisch auf meine Notizen angesprochen. Ich sagte ihm, dass sie nur für mich sein, um Eindrücke der rechten und der Gegendemo festzuhalten und bot ihm an, dass er sich meine Notizen gerne anschauen dürfe, wenn er mir nicht traue, ich hatte nichts zu verbergen. Er lehnte dies ab und ging wieder. Vielleicht war das etwas naiv von mir, denn selbst ein Kameramann (also ein offizieller Journalist und damit wichtige Stütze unserer Demokratie) wurde hinterher gerufen: "Kameramann, Arschloch." Kurz bevor der junge Mann mich ansprach, kam ein ältere Herr zu der Blockade, der die Demonstranten scharf anging- ich habe nicht genau mitgekriegt, was es war, es ging wohl um das übliche Argument gegen Moscheen in Deutschland: "Wie viele Kirchen gibt es in der Türkei?" oder so etwas. Jedenfalls wurde der Mann ausgepfiffen, verbal angegangen und mit Papierschnipseln beworfen- das mag harmlos klingen, doch man sollte nicht vergessen, dass das alles Gesten der Demütigung sind. Was hatte er denn schlimmes getan? Ein junger Mann deutete ihm eine Faust. Ich habe angewidert das Gesicht verzogen, und es mag sein, dass diese Geste mitverantwortlich war für das, was mir später widerfuhr.

Nach einiger Zeit bin ich weiter gegangen, ziellos. Sollte ich mich doch der Gegendemonstration anschließen? Oder sollte ich einen Weg zu der rechten Demo suchen? Denn nach dem ich die Szene mit dem Mann gesehen hatte, war auch mein schlechtes Gewissen wie weggeblasen- hatte ich denn böse Absichten? Begehe ich denn ein Verbrechen, wenn ich es wage, mich aus erster Hand zu informieren? Oder leben wir nicht viel mehr in einem freien Land, in dem ich meinen Fuß dorthin setzen kann, wohin ich will, ohne mich rechtfertigen zu müssen (aber zu dürfen.)?

Während ich darüber nachdachte traf ich wieder auf den Mann, der an der vorherigen Blockade von den so genannten "Anti-Faschisten" gedemütigt worden war.
Er ging in Richtung "Buttergasse" (oder so ähnlich). Ich hörte hinter wie jemand etwas ähnliches sagte wie: Das ist ein Rechter, ich sage denen mal gerade eben bescheid. Und hinter dem Mann herging. Ich weiß nicht warum, ob ich helfen wollte, ob es Neugier war, aber ich ging dem Männern ebenfalls hinterher, bis wir zu einer weiteren Blockade kamen. Dort zeigte der offensichtlich Linke auf den "Gedemütigten" und sagte wieder etwas ähnliches wie: das ist ein Rechter, lasst ihn nicht durch. Es kam zu einer erneuten Diskussionen, erneuten Beschimpfungen und dem Ausruf des üblichen antifaschistischen Gassenhauers: "Hau ab, hau ab". Oder auch: "Nazi, hau ab." So genau erinnere ich mich nicht mehr. Es war jedenfalls etwas ähnliches und in dieser Art und Weise etwas äußerst eloquentes (Es ist faszinierenden, wie sich in den Sprüchen mancher Menschen ihr einfaches Weltbild offenbart.).
Der Mann erzählt noch, dass er von den Kommunisten zusammengeschlagen worden sei (ob man das glauben soll/ kann?- ich weiß es nicht). Dann ging er weg.

Plötzlich Rufe: "Haut ab! Haut ab!" Wem sie galten? Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung.

Dann tauchten zwei junge Männer auf. Ein Mann rief: Die beiden kenne ich, die gehen schon die ganze Zeit hinter mir her! Prompt wurden sie als Rechte denunziert. Eine unüberbietbare Lächerlichkeit- es waren normal gekleidete junge Männer, einer von ihnen trug sogar einen grünen Aufkleber: "No go für Nazis." Die Menge spulte ihr übliches Programm ab. Haut ab!, Nazis raus!, was auch immer. Ich werde den geschockten Blick des jungen Mannes mit dem Aufkleber nicht vergessen.

Dann war Stille. Dann ruft eine Demonstrantin: "Der Mann da, mit der Brille und den kurzen Haaren, das ist ein Nazi!" Ich hatte damit gerechnet: Der Mann mit den kurzen Haaren und der Brille (zusätzlich in Lederjacke, Jeans und schwarzen Halbschuhen)- das war ich.
"Hau ab! Hau ab!" schrie die Menge.
"Ach ja, wie kommst du darauf, dass ich ein Nazi ein soll? Hmm?"
"Ich habe dich durchschaut!"
"Aha. Gratulation!"
Es sollte ironisch klingen- aber mir war klar, dass es wütend klang. Wie ertappt. Warum eigentlich?

Dann war wieder Stille.

Man wendete sich wieder den beiden jungen Männern zu:
Haut ab! Haut ab! Die jungen Männer beteuern, dass sie keine Nazis sind. Juckt aber keinen. Lediglich ein Demonstrant, der selbst schockiert über seine Mitdemonstranten zu sein scheint, warnt sie (übrigens aufrichtig): Ob sie nicht besser gehen wollten. Es könne hier noch ungemütlich werden.

Dann war wiederum Stille.

Danach wendet sich die Demosntarntin von vorher wieder an mich:
"Hey Nazi! Lach doch mal!"
Ich mache einen Fehler- ich grinse sie zynisch an. Wie blöd ist das denn, im Nachhinein? Eine uralte Provokation- ich spreche dich mit einem Schimpfwort, und du reagierst drauf. Also bist du das, als was ich dich beschimpft habe- in diesem Fall ein Nazi.
"Hau ab, hau ab, hau ab!" Ich stehe einer Phalanx aus Selbstgerechten mit der Mentalität von Hexenjägern gegenüber. Das ist zu viel. Ich raste aus, schreie die Menge an:
"Ich bin kein Nazi. Aber wenn ihr einen Menschen verurteilen wollt, nur weil er kurze Haare hat, dann bitte!
Wenn ihr einen Menschen verurteilen wollt, nur weil er eine Lederjacke trägt, dann bitte! Dummes Grinsen der Umstehenden.
Ich gehe zurück. Ich bin wütend. Beim Gehen rufe ich: "Unfassbar!"
Jemand ruft mir hinterher: "Hast du gerade Jude gesagt!?"

Ich gehe zu einem Polizeisammelpunkt. Frage nach Kontaktpersonen der Gegendemonstration. Meine Stimme zittert. Neben mir, bei einem anderen Polizisten steht ein Mann, der leicht aus der Nase blutet.
Ein Polizist empfiehlt mir, heute nichts mehr zu machen, das sei nutzlos. Ich solle eine schriftliche Beschwerde bei den Veranstaltern einreichen.

Ich ziehe mich zum Bahnhof zurück. Es ist jetzt gerade mal 11.50. Ich habe die Schnauze voll. Auf den Stufen sitzen munter scherzende FC-Fans. Relikte aus der Kölner Normalität.

Mit Schimpf und Schande kehre ich nach Bonn zurück. Mein Vater erzählt mir, dass es Krawalle gegeben hat- Demonstranten haben wohl versucht, Polizisten die Waffen abzunehmen. Laut meinem Vater sollen von der Polizei Schlagstöcke eingesetzt worden sein. Ich bin schockiert über mich selbst, doch ich kann nicht anders: Ich freue mich auf die Bilder und hoffentlich blutende Autonomen-Fressen in den Abendnachrichten. Heute hasse ich. Und will hassen. Das Maß ist voll.
Scheiß Linksfaschisten!
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Gegen Rechte demonstrieren

S.g. Sunnyboy.

Ich möchte mich persönlich für diesen wichtigen und ehrlichen Beitrag bedanken. Er zeigt sehr gut dass unsere Welt nicht nur aus Gutem ( Links ? ) oder Schlechtem ( Rechts ? ) besteht.

Ich hatte schon ähnliche Eindrucke, nur mit anderen Vorzeichen. ( Ich sehe mich politisch rechts von der Mitte )

L.G. Belair57
 
AW: Gegen Rechte demonstrieren

Dankeschön.

Zitat von Sunnyboy:
Jetzt frage ich mich: Waren es die Nazis, die eine Gefährdung der Öffentlichkeit dargestellt haben?

Denn Begriff Nazis möchte ich so nicht stehen lassen, der ist mir zu schwammig. Sagen wir im Zusammenhang mit ProKöln die Rechtspopulisten.
 
AW: Gegen Rechte demonstrieren

lieber sunnyboy,
danke, dass du hier so unumwunden dein erlebnis schilderst.
ich glaube dir jedes wort!

das ist nämlich das schlimme an alledem: dass man gewalt nicht mit gewalt bekämpfen kann.

doch das glauben diese art von "linken". sie glauben, dass sie die "guten" sind...die, die "im recht" seien. das macht sie eigentlich ja noch gefährlicher....vor 70 jahren war es umgekehrt.

dieses "sich im recht-fühlen" führt mEn dazu, dass mensch der anderen seite nicht mehr zuhört. mensch am anderen und dessen persönlichen werdegang keinen deut interessiert ist.
nich wissen will, was der andere eigentlich sagen möchte...ihn dieses auch gar nicht sagen lässt.

auf welcher seite dieses verhalten an den tag gelegt wird, ist für mich auf jeden fall wurscht!
denn ich finde, WER sich so jemandem anderen gegenüber verhält, ist um keinen deut anders als sein gegenüber.

wenn etwas anders wäre, dann der versuch von kontaktaufnahmen, gesprächen, sonstigen möglichkeiten, sich einander verständlich zu machen.

aber reiner HASS ist mEn billig.
egal auf welcher seite er gelebt wird.

die andere seite verstehen zu wollen...und sich mit ihr auszutauschen...das ist der harte, schwierige weg.
den können derweil nicht alle menschen gehen.

doch das nützen populisten auf beiden seiten schamlos aus.
und die emotional bewegte meute heult mit...hüben wie drüben.


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...obwohl ich immer eher linksgerichtet war, konnte ich mich nie überwinden, mich einer partei oder fraktion anzuschließen. denn immer schon haben mich derartige erlebnisse, wie du sie hattest, davon abgeschreckt.
...und die gab´s auch schon vor 20 jahren, als ich in deinem alter war.
von den gruppen wird dann nicht mehr der jew. einzelfall sondiert....sondern über alles und jeden pauschal drübergefahren....ein echtes gruppenerlebnis also.

was ich da immer wieder bemerke: da regiert die angst. die angst vor dem "anderen"...dem "anders-artigen", dem "anders-denkenden", dem "anders-ausschauenden", dem "anders-sprechenden".

...aber: dieses phänomen findet sich sogar hier im forum!
also, was soll mensch da von den jungen leuten erwarten?
wenn viele ältere und alte, die sich sogar für intelligent halten, genau so reagieren?

bleibt nur, die hoffnung nicht aufzugeben, dass manche - so wie du - doch viel klüger als die angstvolle mehrheit sind.
und so gesehen, hab ich mich wirklich sehr über deinen erfahrungsbericht gefreut.
denn da wird mal hinter die kulissen geschaut. ohne scheu und mit viel selbstehrlichkeit.

das find ich einfach super!

ich fänd´s toll, wenn du dich in richtung journalismus weiter bewegen würdest.
käme gut raus. :koenig:

sehr liebe grüße
:jump2: kathi
 
AW: Gegen Rechte demonstrieren

Hai sunnyboy,

tut mir leid, dass du so derbe Erlebnisse hattest.
Ich muss sagen, dass ich mich solchen Veranstaltungen generell nicht nähere, weil mir die allgemeine Gewalt, die da in der Luft liegt, ähnlich wie bei einem Fußballspiel nicht gefällt.

Persönlich beregne ich diesen Extremisten glücklicherweise nicht in diesen Größenördnungen (den isses hier einfach zu langweilig und zu kühl), andernfalls könnte ich mir gut vorstellen, ebenso zu reagieren wie du. Denn wo genau ist da der Unterschied zwischen rechten und linken Gewalttätern, wenn sie mit ihren Worten und Händen so verletzen.

In gewisser Weise ist das Wasser auf die Mühlen derer, die jegliche Willensäußerung, außerhalb der vorgesehenen Norm, kontrollieren und unterbinden möchten. Sie haben möglicherweise noch mehr Angst als du auf der Demo. Diese Stimmen werden m.E. auch vorerst profitieren.

Es ist schwer zu sagen, wie der „maßvolle Protest“ ausfallen soll, besonders vor dem Hintergrund, dass das System die jungen Menschen ja selber mit „unmäßiger Härte“ zur Ruhe und Anpassung zwingt. Von daher kann ich auch die Gewalttäter nicht pauschal verurteilen, sie sind in gewissen Sinne die Reaktion auf die Gewalt, mit der die Elterngeneration sie ins Leistungs- und Lügensystem zwingt, bzw. ausschließt und seelisch verhungern lässt.

Noch kurz zur Moschee. Wer hier wen instrumentalisiert, ist mir eigentlich egal. Möglicherweise sind da noch größere Betonköpfe am Werken.
Den Muezzin, auch wenn er so oft leider nur vom Band abgespult wurde, fand ich in der Türkei ganz angenehm, immerhin bin ich dadurch darauf aufmerksam geworden, dass bei uns die Glocken nicht nur 5mal am Tag bimmeln, sondern teilweise halbstündig. Bei mir hats damit sozusagen geklingelt.

Sollen sie alle bimmeln und rufen und pöbeln, schlagen und verhaften...das ist wahrscheinlich die Welt, in der sie leben wollen. dennoch, synnyboy, möchte ich hier kathi zustimmen, ich finde es ganz gut, wie du das ganze so angehst, bleibt ein bisschen Hoffnung.

Dass sich ein Flos mit einem lebenslustigen Kind, was auf nem Fluß treibt bislang nicht gegen Staumauern, wilde Krokodile und Piratenschiffe durchsetzen konnte, bleibt ein Geheimnis, mit dem wir uns noch beschäftigen müssen, bevor wir Antworten geben.

Bernd
 
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AW: Gegen Rechte demonstrieren

Hallo Sunnyboy,

ich möchte mich herzlichst für Deinen sehr guten Beitrag bedanken. Solche Sunnyboys können wir gut gebrauchen.

Lg Johanna :umarm::koenig::engel1::jump4::ola:
 
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