AW: Gegen Rechte demonstrieren
Diesen Text habe ich ohne vorzuschreiben aus dem Kopf und aus dem Bauch heraus geschrieben. Er beschreibt was meine Erinnerungen an das, ich gestern gesehen und gefühlt habe. Vor allen gegen Ende des Textes wird meine Ausdrucksweise sehr unschön und könnte durchaus auch aus dem Mund eines Rechtsextremen kommen. Ich habe überlegt, dies zu streichen, mich aber bewusst entschieden, es stehen zu lassen. Das sind gestern meine wahren Gefühle gewesen. Heute versuche ich, etwas differenzierter an die Sache heranzugehen. ich finde aber, dass es nicht schaden kann, einmal zu sehen, welche Gefühle sich bei einer solchen Veranstaltung aufbauen können.
Es kommen vor allem fast nur die Dinge vor, die ich gestern live erlebt habe. Hinzu zu dem, was mich so wütend gemacht hat kamen nun die Medienbilder und Berichte, beispielsweise über von Linken durch die Stadt gehetzte ProKöln Mitglieder.
Impressionen einer verhinderten rechten Demo
Wie ich bereits bei anderen Gelegenheiten habe ich einige Freunde nicht-deutschen Ursprungs. Für mich hat das nie eine Rolle gespielt, warum auch?
Doch wenn ich die Rechtsextremisten sehe, ihre Parolen höre, von ihrer kranken Ideologie lese, und sehe, wie sie ihre Finger nach Nachwuchs ausstrecken, dann habe ich Angst.
Angst davor, dass den Menschen, die mir nahe stehen, durch die Hetze oder gar die Hand der Faschos etwas zustößt, nur weil sie nicht in ihr Weltbild passen.
Deswegen bin ich sehr daran interessiert, das Wege gefunden werden, Faschismus, Rechtsextremismus und Rassismus effektiv zu bekämpfen. Und auch meinen Beitrag dazu zu leisten.
Aus dieser Einstellung heraus war es für mich auch sehr wichtig, in meine Nachbarstadt Köln zu fahren, als ich hörte das sich dort die extremistische Rechte Europas versammelten wollte.
Ursprünglich wollte ich demonstrieren. Denn Demonstrationen sind in einer Demokratie immer noch die beeindruckenste Methode Demagogen zu zeigen, wie falsch sie liegen, wenn sie sich zu Fürsprechern der gesamten Gesellschaft erklären. Was Köln betrifft, so habe ich einen großen Respekt vor den friedlichen Demonstranten und den Wirten, Hotelbesitzern, Taxi- und Busfahrern von Köln, die sich geweigert haben, den Rechten ihre Dienste anzubieten. Respekt.
Doch dann habe ich mich anders entschieden: Wenn sich, so dachte ich zumindest, die Möglichkeit ergibt, die Creme de la Creme Europas rechter Szene live zu erleben, und Zeuge zu werden, wie sie die Ängste, Nöte und Sorgen der Menschen steigern um sie dann auszunutzen und für ihrer Hasspropaganda zu missbrauchen, dann sollte man vielleicht-als Demokrat- auch einmal anwesend sein, auch einmal zuhören um zu wissen, was man sich in rechten Kreisen so erzählt.
Ich hatte zwar vor allem moralische Bedenken. Denn wenn man auf einer rechten Demo auftaucht, wird man zu einer Nummer in den Statistiken, die von den Rechten ohne weiter nachzuhaken als Bestätigung dient. Aber, in Anbetracht der Tatsache, dass die Zahl der Gegendemonstranten (wie fast immer zu solchen Anlässen) bedeutend höher war als die der extremistischen Rechten, dachte ich mir dass es im Grunde auch nicht weiter schlimm ist, wenn ich auf der Gegenseite auftauche- wohlgemerkt, da lege ich Wert drauf- nicht als Unterstützer und Claqueur (ich hätte mich etwas abseits hingestellt, einfach zugehört und mir Notizen gemacht.). Außerdem hatte ich die Worte meines Vaters (der in seiner Kindheit noch das "Dritte Reich"- als Sohn eines Majors der Waffen-SS- erlebt hat im Ohr der sagte, dass, wenn mehr Menschen Hitler genauer zugehört und "Mein Kampf" gelesen hätten, mehr Leute gewusst hätten, auf was Hitler es abgesehen hat. Deswegen fuhr ich Samstag morgen mit dem Ziel ProKöln-Kundgebung auf dem Neumarkt los. Ich hatte zwar bis zum Schluss Bedenken und auch ein schlechtes Gewissen den Gegendemonstranten gegenüber, doch es kann auch nicht verkehrt sein sich aus erster Hand zu informieren. Das haben sie uns zumindest am Gymnasium so beigebracht.
Ist aber auch eh wurscht- an ein Durchkommen war überhaupt nicht zu denken. Sämtliche Seitenstraßen in der Altstadt, die auf den Neumarkt führten, waren durch (überwiegende friedliche) Gegendemonstranten äußerst effektiv versperrt worden. Allerdings herrschte in der Altstadt teilweise eine gereizte, aufgeheizte Stimmung.
Also blies ich meinen Plan ab (und war unterbewusst auch froh darüber, denn die Gegendemonstranten hatten mich von einigen Gewissensbissen erlöst.) und fing an, für mich selbst Notizen zu machen (ich schreibe öfters Dinge auf, die mich interessieren, außerdem möchte ich mich wieder journalistisch engagieren und hatte gedacht, dass etwas über die Gegendemo ein gute Gelegenheit wäre.) Jedenfalls wurde ich an einer Blockade von einem jungen Mann misstrauisch auf meine Notizen angesprochen. Ich sagte ihm, dass sie nur für mich sein, um Eindrücke der rechten und der Gegendemo festzuhalten und bot ihm an, dass er sich meine Notizen gerne anschauen dürfe, wenn er mir nicht traue, ich hatte nichts zu verbergen. Er lehnte dies ab und ging wieder. Vielleicht war das etwas naiv von mir, denn selbst ein Kameramann (also ein offizieller Journalist und damit wichtige Stütze unserer Demokratie) wurde hinterher gerufen: "Kameramann, Arschloch." Kurz bevor der junge Mann mich ansprach, kam ein ältere Herr zu der Blockade, der die Demonstranten scharf anging- ich habe nicht genau mitgekriegt, was es war, es ging wohl um das übliche Argument gegen Moscheen in Deutschland: "Wie viele Kirchen gibt es in der Türkei?" oder so etwas. Jedenfalls wurde der Mann ausgepfiffen, verbal angegangen und mit Papierschnipseln beworfen- das mag harmlos klingen, doch man sollte nicht vergessen, dass das alles Gesten der Demütigung sind. Was hatte er denn schlimmes getan? Ein junger Mann deutete ihm eine Faust. Ich habe angewidert das Gesicht verzogen, und es mag sein, dass diese Geste mitverantwortlich war für das, was mir später widerfuhr.
Nach einiger Zeit bin ich weiter gegangen, ziellos. Sollte ich mich doch der Gegendemonstration anschließen? Oder sollte ich einen Weg zu der rechten Demo suchen? Denn nach dem ich die Szene mit dem Mann gesehen hatte, war auch mein schlechtes Gewissen wie weggeblasen- hatte ich denn böse Absichten? Begehe ich denn ein Verbrechen, wenn ich es wage, mich aus erster Hand zu informieren? Oder leben wir nicht viel mehr in einem freien Land, in dem ich meinen Fuß dorthin setzen kann, wohin ich will, ohne mich rechtfertigen zu müssen (aber zu dürfen.)?
Während ich darüber nachdachte traf ich wieder auf den Mann, der an der vorherigen Blockade von den so genannten "Anti-Faschisten" gedemütigt worden war.
Er ging in Richtung "Buttergasse" (oder so ähnlich). Ich hörte hinter wie jemand etwas ähnliches sagte wie: Das ist ein Rechter, ich sage denen mal gerade eben bescheid. Und hinter dem Mann herging. Ich weiß nicht warum, ob ich helfen wollte, ob es Neugier war, aber ich ging dem Männern ebenfalls hinterher, bis wir zu einer weiteren Blockade kamen. Dort zeigte der offensichtlich Linke auf den "Gedemütigten" und sagte wieder etwas ähnliches wie: das ist ein Rechter, lasst ihn nicht durch. Es kam zu einer erneuten Diskussionen, erneuten Beschimpfungen und dem Ausruf des üblichen antifaschistischen Gassenhauers: "Hau ab, hau ab". Oder auch: "Nazi, hau ab." So genau erinnere ich mich nicht mehr. Es war jedenfalls etwas ähnliches und in dieser Art und Weise etwas äußerst eloquentes (Es ist faszinierenden, wie sich in den Sprüchen mancher Menschen ihr einfaches Weltbild offenbart.).
Der Mann erzählt noch, dass er von den Kommunisten zusammengeschlagen worden sei (ob man das glauben soll/ kann?- ich weiß es nicht). Dann ging er weg.
Plötzlich Rufe: "Haut ab! Haut ab!" Wem sie galten? Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung.
Dann tauchten zwei junge Männer auf. Ein Mann rief: Die beiden kenne ich, die gehen schon die ganze Zeit hinter mir her! Prompt wurden sie als Rechte denunziert. Eine unüberbietbare Lächerlichkeit- es waren normal gekleidete junge Männer, einer von ihnen trug sogar einen grünen Aufkleber: "No go für Nazis." Die Menge spulte ihr übliches Programm ab. Haut ab!, Nazis raus!, was auch immer. Ich werde den geschockten Blick des jungen Mannes mit dem Aufkleber nicht vergessen.
Dann war Stille. Dann ruft eine Demonstrantin: "Der Mann da, mit der Brille und den kurzen Haaren, das ist ein Nazi!" Ich hatte damit gerechnet: Der Mann mit den kurzen Haaren und der Brille (zusätzlich in Lederjacke, Jeans und schwarzen Halbschuhen)- das war ich.
"Hau ab! Hau ab!" schrie die Menge.
"Ach ja, wie kommst du darauf, dass ich ein Nazi ein soll? Hmm?"
"Ich habe dich durchschaut!"
"Aha. Gratulation!"
Es sollte ironisch klingen- aber mir war klar, dass es wütend klang. Wie ertappt. Warum eigentlich?
Dann war wieder Stille.
Man wendete sich wieder den beiden jungen Männern zu:
Haut ab! Haut ab! Die jungen Männer beteuern, dass sie keine Nazis sind. Juckt aber keinen. Lediglich ein Demonstrant, der selbst schockiert über seine Mitdemonstranten zu sein scheint, warnt sie (übrigens aufrichtig): Ob sie nicht besser gehen wollten. Es könne hier noch ungemütlich werden.
Dann war wiederum Stille.
Danach wendet sich die Demosntarntin von vorher wieder an mich:
"Hey Nazi! Lach doch mal!"
Ich mache einen Fehler- ich grinse sie zynisch an. Wie blöd ist das denn, im Nachhinein? Eine uralte Provokation- ich spreche dich mit einem Schimpfwort, und du reagierst drauf. Also bist du das, als was ich dich beschimpft habe- in diesem Fall ein Nazi.
"Hau ab, hau ab, hau ab!" Ich stehe einer Phalanx aus Selbstgerechten mit der Mentalität von Hexenjägern gegenüber. Das ist zu viel. Ich raste aus, schreie die Menge an:
"Ich bin kein Nazi. Aber wenn ihr einen Menschen verurteilen wollt, nur weil er kurze Haare hat, dann bitte!
Wenn ihr einen Menschen verurteilen wollt, nur weil er eine Lederjacke trägt, dann bitte! Dummes Grinsen der Umstehenden.
Ich gehe zurück. Ich bin wütend. Beim Gehen rufe ich: "Unfassbar!"
Jemand ruft mir hinterher: "Hast du gerade Jude gesagt!?"
Ich gehe zu einem Polizeisammelpunkt. Frage nach Kontaktpersonen der Gegendemonstration. Meine Stimme zittert. Neben mir, bei einem anderen Polizisten steht ein Mann, der leicht aus der Nase blutet.
Ein Polizist empfiehlt mir, heute nichts mehr zu machen, das sei nutzlos. Ich solle eine schriftliche Beschwerde bei den Veranstaltern einreichen.
Ich ziehe mich zum Bahnhof zurück. Es ist jetzt gerade mal 11.50. Ich habe die Schnauze voll. Auf den Stufen sitzen munter scherzende FC-Fans. Relikte aus der Kölner Normalität.
Mit Schimpf und Schande kehre ich nach Bonn zurück. Mein Vater erzählt mir, dass es Krawalle gegeben hat- Demonstranten haben wohl versucht, Polizisten die Waffen abzunehmen. Laut meinem Vater sollen von der Polizei Schlagstöcke eingesetzt worden sein. Ich bin schockiert über mich selbst, doch ich kann nicht anders: Ich freue mich auf die Bilder und hoffentlich blutende Autonomen-Fressen in den Abendnachrichten. Heute hasse ich. Und will hassen. Das Maß ist voll.
Scheiß Linksfaschisten!