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Ein Lob der Mundart!

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dialekt ist die feinabstimmung der sprache, so vui is amoi sicher...

von de wiener hob i glernt:

an hoizpijama oziang...

de botschn stregga...


aber fließend kann ich da noch nix, leider. früher im cafe alt-wien hab ich immer genau zugehört, 1983, in dem heissen sommer war ich zum erstenmal im prater (heid konst ja nimma hi geh), das war wahnsinn, bin ich mit 2 sandlern auf der parkbank gesessen und hab denen zugehört, ich hab nicht mal jedes 10. wort verstanden.

wienerisch, steierisch und bayerisch sind die schönsten dialekte, hinterher kommt gleich sächsisch.

i kon awa bloß oan leider...
 
Ja: Und so gehen Individualität und spezifische Inhalte verloren.

Mein Beitrag war natürlich eher provozierend gemeint. Natürlich kann jeder reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Aber was hat denn Dialekt mit Individualität zu tun? Er ist doch vielmehr das Gegenteil von Indivdualität, wenn alle auf dem Dorf genau gleich zu sprechen haben.

Mir fällt zu dem Thema Dialekt immer die folgende Anekdote ein:

Meine Eltern kamen, im Alter von 10 Jahren, als Flüchtlinge aus Schlesien. Meine Mutter erzählte mir mal: Als Kinder, in Schlesien, da durfte zu Hause kein Dialekt gesprochen werden. Das galt als ungebildet, und der Gebildete spricht Hochdeutsch. Nach der Flucht, im Westen, da musste dann zuhause der schlesische Dialekt gesprochen werden. Denn der gehörte dann zur geheiligten Identität, und die war wichtig.

Oder um es mal anders zu sagen: Als die Breslauer noch in Breslau lebten, da haben sie in den 20er Jahren Tango getanzt, denn der war neu und weltstädtisch. Und als sie dann nach '45 im Westen waren, da gründeten die Breslauer dann eine Schlesische Volkstanzgruppe und tanzten Bauern-Volkstänze. Oder das, was sie dafür hielten.
Mir, im Westen geboren und aufgewachsen, ist das alles immer fremd geblieben, sehr fremd. Was hatte ich denn mit "der verlorenen Heimat" zu tun, eine "Heimat", die ich nie gesehen hatte? Und den Dialekt meiner Großeltern verstand ich gar nicht erst. Ich kann allerdings nicht sagen, ich hätte mich jetzt jemals deswegen "entfremdet" gefühlt.

In Deutschland gibt es, im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Ländern, viele Dialekte. Sie sind aber auch eine historische Folge dieser kleinteiligen politischen Strukturen, in denen die Deutschen lange gelebt haben. In Frankreich, dass als "Grande Nation" schon viel früher als ein Zentralstaat mit viel Austausch der Populationen untereinander gelebt hat, gibt es auch weniger und großräumigere Dialekte.

In meinem Leben bin ich schon Menschen, Deutschen, begegnet, die kann ich beim besten Willen nicht verstehen. Da brauche ich Untertitel. Es gibt deutsche Dialekte, das Thüringesche beispielsweise oder auch das Schwäbische, da wird so viel genuschelt, dass ich jeden zweiten Satz wieder nachfragen muss. Da wird jede Kommunikation zur Farce, und wenn der Gesprächspartner sich nicht einmal ein wenig auf mich zu bemüht (wozu er i.d.R. in der Lage ist), dann signalisiert er im Grunde: Ich will überhaupt nicht, dass Du mich verstehst. Wir mögen hier keine Fremden, und wir, das sind wir. Und 20 km weiter versteht das schon keiner mehr. Provinzieller geht's kaum.
Bayrisch verstehe ich mittlerweile zwar ganz gut, weil ich hier mehr als 25 Jahre lebe.
Dennoch muss ich mich im Gespräch die ganze Zeit darauf konzentrieren, und nach ein paar Stunden brummt mir der Schädel.

Im Übrigen dulde ich im Gespräch so manche Kommunikationshemmnisse nicht nur auf sprachlicher Ebene nicht mehr, sondern auch auf inhaltlicher Ebene nicht mehr. Da will mir einer eine Geschichte mit mehreren Personen, mehreren Ereignissen und an mehreren Orten erzählen, und schließlich kommen da Bruchstücke wie "Der hat dann ...", "kaputt war das dann ...", "Da wo, weist scho ..." - das ist dann für mich Gestammel.
Ich könnte dann so tun, als hätte ich das verstanden (will ich aber nicht). Es kommt dann von mir ein "Das habe ich inhaltlich nicht verstanden.", und wenn dann jemand dasselbe Gestammel identisch wiederholt, dann weiß ich: Aha, ein Trottel. Manchmal muss man sogar oberlehrerhaft ein "Im Ganzen Satz: Werner und ich haben ..." ins Gespräch einwerfen.
 
Ich wollte da ein "contra" zu dem strapazierten Begriff Mainstream setzen: Anders wäre auch so eine Kategorie.
Es gibt ja viele Verknüpfungen zu Dialekt: Heimat, Volksmusik... mit verschiedenen Bedeutungen - di man halt ansprechen muß.

Mit dem Begriff "Heimat" kann ich nicht viel anfangen. Für mich ist das eine Worthülse aus Schnulzen und kitschigen Heimatfilmen.

"Volksmusik" ist per (ursprünglicher) musiktheoretischer Definition Musik, die traditionell aus dem Volk kommt - und so alt ist, dass der Autor und der Komponist unbekannt ist. Für Deutschland hört die Volksmusik daher spätestens ab 1840 auf: Alles Liedgut danach hat einen Autor, einen Komponisten. Praktisch keins der Lieder, die wir heutzutage als "Volksmusik" bezeichnen würden, ist nach dieser Definition tatsächlich eines. Unsere Weihnachtslieder nicht, "Kein schöner Land" nicht, und was in "Die Mumdorgel" gelistet ist, auch nicht.
Man sollte mehr von "volkstümlicher Musik" sprechen, denn in diese Kategorie fallen die meisten Titel. Und die sind genauso von Trends und Wandlungen beeinflusst - auf dem Münchener Oktoberfest steht zwar die Blaskapelle in Tracht, aber sie spielen auch viele moderne Gassenhauer, sogar fremdsprachige, als Blaskapelle. Das macht Stimmung, aber Volksmusik im engeren Sinne ist das keine.

Alles, was wir heute als "Brauchtum" und "Tradition" bezeichnen, war irgendwann mal neu - und oft genug kam es von woanders. Manches, was früher unbedingt Brauch und Tradition war, das würden wir heute ablehnen. Manche Bräuche verändern sich, oft bis zur Unkenntlichkeit und keiner weiß, was für eine ursprüngliche Bedeutung sie eigentlich einmal hatten. Neue Bräuche kommen hinzu. In meiner Kindheit und Jugend war Halloween hier völlig unbekannt, seit 20 Jahren (?) wird es zelebriert und es wird nicht mehr lange dauern, da ist das dann Brauchtum.
Alles ist im stetigen Wandel - und das ist die einzige Konstante im Leben.

Fremd ist der Fremde nur in der Fremde. (Karl Valentin)
Meistens wird der Begriff "Heimat" immer erst dann thematisiert, wenn man nicht mehr in derselben lebt (außer, man nennt sich "Munro"). Aber meistens hat es ja gewichtige Gründe gegeben, sie zu verlassen. Da flieht jemand aus dem allerschlimmsten Bürgerkriegsgebiet, aber in der "Heimat", da war ja alles soviel besser. Ich habe in drei anderen Großstädten gelebt, seitdem ich aus der Provinz kam, aber der "Heimat", der habe ich nicht eine Träne nachgeweint. Und wenn ich da mal wieder hinkomme, dann gefällt mir das mal 3 Tage, und dann geht mir das schon wieder alles auf den Wecker und ich finde es popeling und provinziell und die Menschen stur und Hinterwäldler.

Die Begriffe "Tradition" und "Brauchtum" verwendet man an sich immer nur, wenn einem kein anderer Grund mehr einfällt. Sie sind selbsterklärend und damit sakrosankt, man hinterfragt sie nicht und bleibt an ihnen kleben wie die Fliege am Fliegenfänger. "Das ist hier so Brauch" oder "das ist so eine Tradition" sagt dann einer, und damit ist der Käse dann gegessen. Ah ja. Als ob damit alles gesagt wäre!
Mir reicht das alles nicht, das ist mir zuwenig. Und "Heimat" ist für mich so austauschbar wie eine Mietswohnung.
 
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Ich sehe - um zum Thema wieder einen Bezugherzustellen - in der nicht-instrumentalenVolksmusik einen gesungenen Dialekt, wobei Komponist und Alter eine untergeordnete Rolle spielen: eher ist sie Begleitung für besondere Anlässe (Tradition) und konkrete Tätigkeiten (Brauchtum).
Der Bezug zu einer Gruppe oder einem Gebiet wird "liebevoll" mit Heimat in Verbindung gebracht.
Die Begriffe Folklore und volkst/dümmlich sind mir bekannt - sie werden als negative Abgrezungskriterien gebraucht, wobei kommerzielle Überlegungen eine Rolle spielen und sogar gepflegt werden. - no na.
 
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