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Die Diskrepanz zwischen moralischem Anspruch und erfahrener Wirklichkeit!

AW: Die Diskrepanz zwischen moralischem Anspruch und erfahrener Wirklichkeit!

Dann ist deiner Ansicht nach auch kirchliche Moral unwillkürlich entstanden?
ME hat Moral viel mit Macht zu tun - wenn man einzelne moralische Vorschriften auseinander nimmt und untersucht, merkt man, wem sie nützen!
Unwillkürlich entstandene, gewachsene Regeln würde ich eher als Übereinkünfte und Sitten bezeichnen.
Aber ist wohl wie üblich mal wieder Definitionssache....




ja freilich hat die lagerung der moral viel mit macht zu tun, wie alles andere auch - es geht eben immer um oben und unten.


egal, wo und zu welchen zeichen, eine gewisse schicht konnte sich aus gängigen moralvorstellungen immer befrein bzw. war erst gar nicht in selbigen drinnen...
 
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AW: Die Diskrepanz zwischen moralischem Anspruch und erfahrener Wirklichkeit!

Ich denke, Moral resultiert zumindest teilweise aus dem Verlust des Bezugs zum Gegenwärtigen.
Statt Lösungen im jeweiligen Kontext zu finden, verlässt man sich auf starre, verallgemeinernde Regeln.




so eng der rock ist, so warm ist er auch.


wenn ständig wiederkehrend lösungen im jeweiligen kontext gefunden werden müßten, wäre das derart viel aufwand verbunden mit ständiger desorientierung, dass ich das nicht für praktikabel fände - ein gewisser teil des lebens muss aus routine und verlässlichem bestehen; selbst dann, wenn és bisweilen situativ besser ginge.

es ist ein sehr schädlicher umstand für menschen, wenn orientierung ständig aufgeweicht wird - der mensch ist existentiell darauf angewiesen, "etwas" beständig existierend zu wissen und sich sicher sein zu können, "etwas" wieder zu erkennen.


kirre und blöd machst du leute, wenns in einer gewissen frequenz so läuft, dass hinten vorne und oben unten ist. das kannst du gut beobachten, wie dieses neusprech durchsetzt ist von zwiedenk, doublebinds oder wie immer man das nennen will.

so macht man leute kirre...wer mit borderlinern, wie man das heutzutage nennt, intensive kontakte hatte weiss, was in so einem gefüge mit einem passiert; wenn man ständig schaut, dass man dinge ins gleis bringt und der andere immer wieder auf den trip "alles wieder anders" geht...dann ist das der zug nach nirgendwo...


ich kenne das und hab meinen zustand damals beim beendigen dieser verbindung als demoralisiert bezeichnet. drum fällts mir jetzt ein - hab gar keine genaue definition von demoralisiert, kann das nur kurz umschreiben - mir deutlich in erinnerung, obwohl es relativ lange her ist.

die orientierung ist weg, der boden unter den füßen sehr brüchig und schwankend, als die finale ernüchterung da war wurde klar, dass man - selbst nicht gefangen in dieser symptomatik - energiegeber war, in dem man ständig gerade biegen wollte, bis ich irgendwann nicht mehr eingewirkt hab, sondern die energiedrainage (ständig nur in ein fass ohne boden rein) beendet hab. wichtig ist bei solchen dingen, dass man diese entscheidung nicht aufweicht, weil das der andere mit allen tricks versucht, weil für den ja sowieso nie was beständig stand und gegolten hat.

demoralisiert, das ist ein unguter zustand, weil er nach dem zweifeln am anderen, was sich auch auf selbstzweifel ausweitet, im anschluss unvermeidbar ist.


man erholt sich wieder davon, findet seine eigene orientierung und kann an das werk "die tragödien von gestern sind die komödien von morgen" noch ein kapitel dran hängen :)


demoralisiert, so hab ich das damals immer wieder genannt, auch im schriftlichen niederlegen trat dieses wort immer wieder automatisch auf.
 
AW: Die Diskrepanz zwischen moralischem Anspruch und erfahrener Wirklichkeit!


Moral als tradiertes Erfahrungswissen.



Wurmfängerin,
eben diese Bewertung von Verhaltensweisen ist das tradierte Erfahrungswissen.

Dass du mit dem Begriff "Moral" wegen der katholischen Sozialisierung überwiegend
den erhobenen Zeigefinger verbindest, das hast du ja schon erwähnt.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff aber viel umfassender verstanden,
wie einige Komposita zeigen.

Zum Beispiel:
Zahlungsmoral, Arbeitsmoral, Kampfmoral (Esprit de corps), Sexualmoral, etc..

Mit jedem dieser Begriffe wird das tradierte Erfahrungswissen transportiert,
dass bestimmte Verhaltensweisen auf lange Sicht positive bzw. negative Wirkungen
nach sich ziehen, und deshalb als gesellschaftlich erwünscht bzw. verpönt gelten.


Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden.



Ich finde diese Anrede nicht witzig, Neugier und empfinde sie zudem als unterschwellig herabsetzend!
Sei doch also bitte so nett und nenn mich einfach bei meinem Nicknamen!

Ansonsten - ich hatte es bereits kapiert, denn sonst hätte ich ja wohl kaum drüber nachgedacht, woher meine Besetzung des Begriffs stammte!
Du hast also Eulen nach Athen getragen - aber ok, was soll 's.... :D
 
AW: Die Diskrepanz zwischen moralischem Anspruch und erfahrener Wirklichkeit!

ein wertesystem schafft aber auch orientierung, ähnlich wie die erfahrung. es ist meiner meinung nach nicht das ideal oder der glauben das übel, sondern die unbewältigbare polarität, in der wir uns permanent befinden und die dem dilemma des menschlichen tür und tor öffnet.


Ja - seh ich ähnlich - das Leben ist (für mich jedenfalls) immer wieder eine Gratwanderung zwischen den Polen!
Man kann 's aber auch positiv sehen - so lernt man geistige Akrobatik! :lachen:
 
AW: Die Diskrepanz zwischen moralischem Anspruch und erfahrener Wirklichkeit!

zivilisation ist ein reglementierter zustand - heißt, ohne regeln keine bändigung, bändigung ist die grundvoraussetzung, um einen zivilisierten zustand herbeizuführen und leidlich haltbar zu machen.


moral ist ein teil davon, wie gesetze, werte, normen usw.


moral bzw. die aufweichung derselbigen, verbunden mit irritationsspielchen ist auch ein machtinstrument...wer einer moral anhängt, die "out" ist, ist draußen, wer seine eigenen moralischen vorstellungen verbalisiert ein exzentriker, unangepaßt usw.


der anspruch in verbindung damit, was man an sich und andere hat ist so eine sache...was kann ich von mir verlangen, was verlange ich von anderen, was kann eingehalten werden, was ist überzogen, was ist lasch...


gibt es eine moral ohne gewissen? ist gewissen etwas angeborenes? schwierige fragen sind das :)


Ja, es sind wirklich sehr schwierige Fragen!
Aber ich glaub schon, dass wir das Gewissen zumindest teilweise mitbringen!
Denn wäre es nur übernommen/erlernt, könnte sich niemals jemand aus seinem angestammten Wertesystem befreien und es gibt doch viele Menschen, die es tun oder zumindest dran arbeiten!
 
archaisch zugrundeliegender sachverhalt und drübergestreute gesellschaftsmoral

für deinen ersten absatz bräuchte ich ein praktisches beispiel...was sind archetypische wahrheiten, ich komm nicht drauf...

dankeschön :)

gerne. :)

ein beispiel: jemand beschuldigt wen anderen zu unrecht.
also hat dieser beschuldiger ein unrecht begangen - das ist aus archaischer sicht nunmal DA - und BEDARF einer lösung, die vom beschuldiger herbeigeführt werden MUSS.

die passende - archaisch stimmige - lösung ist die, dass der beschuldiger beim beschuldigten abbitte leistet, indem er sein unrecht zugibt.

kann ihm der beschuldigte vergeben, dann ist der fall gelöst.

das sind grundsätzlich die archaisch stimmigen abläufe.
welche durch weitere komplikationen noch ausgeweitet werden können; z.b. indem der beschuldiger die beschuldigung vorsätzlich vornahm; oder indem erSie sein unrecht nicht zugab, sobald erSie davon wusste; oder indem der beschuldigte unversöhnlich bleibt...etc...

ds sind also für diesen fall x ganz bestimmte archetypische abläufe und prozess-stadien erkenntlich. diese können natürlich auch "ritualisiert" werden.
dennoch sollte klar sein, dass jeder fall ein einzelfall ist und bleibt und die notwendige lösung erst da ist, wenn alles unrecht eingestanden und auch vergeben ist.
durch rein ritualisierte gesten kann das nicht geschehen - diese gesten MÜSSEN mit echtheit erfüllt sein.

soweit so gut.
~~~

nun die heutige situation der moral:
werden aus dem obigen beispiel falsche ableitungen getroffen oder einst passende gesten ohne inhaltlichen bezug übernommen, kommt eben der blödsinn raus, der unsere kulturen heute plagt.

denn es genügt ja nicht nur so zu tun, als würde man bereuen - ohne dass diese reue den geschädigten erreichen kann.
ebenso genügt es nicht nur so zu tun als würde man vergeben, wenn es nicht auch innerlich der fall ist - und damit ebenso den schuldner erreichen kann.
es geht also darum, dass die beiden betroffenen (beschuldiger und beschuldigTer) einander wieder erreichen und somit das unrecht ein für allemal aus der welt geschafft werden kann.
dieser umstand ist der ALLERWICHTIGSTE beim aktuellen beispiel.
alles andere ist und bleibt nur firlefanz bei der ganzen sache!!!

ebenso bringt es nichts, jeden tag generell um entschuldigung für vielleicht neuerlich begangenes unrecht zu bitten (gott oder personengruppen), ohne dass man sich an dieses spezielle opfer von bereits begangenem unrecht wedet.
und ebensowenig ist die sache erlöst, wenn man von irgendjemandem außenstehenden absolution erhält, ohne den geschädigten um vergebung zu bitten bzw. das unrecht zu sühnen ...etc.pp.
und natürlich ist es total daneben, wenn der beschuldiger alles abstreitet und weiterhin seinem opfer (dem zu unrecht beschuldigten) die schuld vorwirft. und wenn ihm auch noch geglaubt wird, weil erSie die bessere rhetorik und den besseren rechtsanwalt hat. dann wird das unrecht noch viel größer - und wächst sich zu einer riesigen SCHULD aus. beteiligen sich auch noch andere daran - wider besseres wissen - machen sie sich mitschuldig und vergrößern die schuld damit. ganze volksgruppen können von solchen themen betroffen sein - und daraus kann unversöhnlichkeit entstehen. das, was da grad in israel passiert, gehört zu so einem themenkreis.

doch die heutige welt ist voll von irgendwelchen worthülsen (genannt: argumente) oder sonstigen automatismen, irgendwelchen gesten, irgendwelchen rechsprechungen, irgendwelchen rechtgebern, die alle nicht bis zur wurzel des geschehens vordringen. und demgemäß auch nur an der oberfläche irgendwas vorgeben, was mit dem tatsächlichen, archaisch entstandenen sachverhalt fast nichts mehr zu tun hat. es ist wie in der werbung, wo jeder spürt, dass alles nur so irgendwie dahingesagt ist.
was man aber wirklich - wirklich, wirklich, WIRKlich (weil WIRKsam) - bräuchte, wissen die menschen oft gar nicht mehr.

(nämlich dass sie anstatt eines spülmittels für den geschirrspüler einen anderen, persönlich zufriedenstellenden arbeitsplatz bräuchten.)

ich hoffe, ich konnte (leider wieder sehr wortreich!) erklären, was ich meine.
 
AW: Die Diskrepanz zwischen moralischem Anspruch und erfahrener Wirklichkeit!

@kathi: Danke, entspricht auch meiner Sichtweise! Könnte es aber längst nicht so gut erklären. :blume1:
 
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AW: Die Diskrepanz zwischen moralischem Anspruch und erfahrener Wirklichkeit!

...was kann ich von mir verlangen, was verlange ich von anderen, was kann eingehalten werden, was ist überzogen, was ist lasch...

die anwort findes sich mAn nur in der kommunion der betreffenden menschen MITeinander. diese muss wieder erreicht werden.
will heißen: der eine mensch muss den anderen tasächlich ERREICHEN können.
passiert das nicht (nicht wirklich) - dann findet alles nur an der oberfläche statt.
und das ist im grunde keine begegnung. jedenfalls keine "moralisch brauchbare".

gibt es eine moral ohne gewissen? ist gewissen etwas angeborenes? schwierige fragen sind das :)

moral ohne gewissen ist unbrauchbar - siehe oben.
nur wenn die betroffenen menschen einander erreichen, kommt die lösung zustande - ebenso wie es nur dann zu einer befruchtung kommen kann, wenn der same das ei erreicht!
das jeweilige gewissen der einzelnen menschen spielt dabei die große rolle - ist die lösung im spez. sachverhalt tatsächlich DA, ist es rein.
und umgekehrt: ist das gewissen rein, muss die lösung dazu bereitliegen.
 
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