In unserem Wesen liegt es, den anderen mit Schuld zu belasten, um uns selbst aus der unerträglichen Opferrolle zu befreien, in der wir uns in der Verletztheit befinden, und das gleiche Muster geht ja auch dem Akt des Verzeihens voraus: der Verletzer ist der Schuldige - ziemlich selbstgerecht, wie ich finde.
Eine andere Möglichkeit, seine Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen und die Ohnmacht der Opferrolle zu überwinden, besteht darin, den eigenen Anteil an der schlechten, zu Verletzungen führenden Konfliktgestaltung zu klären.
Symbolisch drückt sich dies vielleicht in der neutestamentlichen Aufforderung, auch die andere Wange hinzuhalten, wenn Dich einer auf die eine geschlagen hat, aus, was allerdings ebenfalls nicht umsetzbar ist, denn der andere schlägt meiner Erfahrung nach noch einmal und sogar noch fester zu.
Dennoch ist das Verstehen der eigenen Anteile eine gute Vorbereitung auf die Situationen, in denen uns irgendwann gleichgesinnte Menschen begegnen, denen vielleicht die gegenseitige Achtung und Gleichwertigkeit wichtiger ist als das Rechthaben, und wenn der Wunsch nach einem versöhnlichen Miteinander, das nicht um den Preis der Aufrichtigkeit erschlichen wird, beiderseitig besteht, werden auch annähernd siebenmalsiebenundsiebzig Wiederholungen sich ähnelnder, mit Kränkungen einhergehender Missverständnisse möglich.