Also das Recht auf Fortpflanzung sollte nicht weiter ein Menschenrecht sein sondern eines, das man sich irgendwie erwerben und von jemandem explizit zugestanden werden müsste?
Ich habe dieses Thema bewusst im Antinatalismus-Thread angesprochen, denn auch wenn dieser Themenbereich hier lange keine Rolle mehr gespielt hat, ist es dennoch nach wie vor meine grundlegendste und wichtigste Position, dass ich es für falsch halte, überhaupt neues Leben in diese Welt zu setzen.
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Als Antinatalismus (lateinisch natalis, „zur Geburt gehörig“) werden Positionen bezeichnet, die sich für die freiwillige Kinderlosigkeit aussprechen.
Es existieren zwei grundlegend unterschiedliche Formen des Antinatalismus: eine schon länger existierende Philosophie, die aus ethischen Gründen fordert, keine neuen Menschen hervorzubringen, sowie eine neuere politische Strömung, die sich aus verschiedenen Gründen zumeist dafür ausspricht, deutlich weniger neue Menschen hervorzubringen. Während Anhänger des ethischen Antinatalismus das Aussterben der Menschheit durch natale Enthaltsamkeit teilweise als erstrebenswert betrachten, wollen Anhänger des bevölkerungspolitischen Antinatalismus ganz im Gegenteil häufig das Überleben der Menschheit sichern und die Lebensbedingungen der Menschen verbessern.
Der Antinatalismus wird gesellschaftlich überwiegend abgelehnt und seine Argumente bei der Familienplanung nicht berücksichtigt. In den letzten Jahren nahmen öffentliche Debatten und die Zahl der Befürworter allerdings stetig zu.
Der moderne Antinatalismus beginnt mit der Schrift "Der Neo-Nihilismus", die Anfang des 20. Jahrhunderts unter dem Pseudonym Kurnig veröffentlicht wurde. Kurnig: „Ich betrachte das Leben des Menschen als etwas in seiner Gesamtheit Unschönes, als ein Unglück. Kein Ungeborener würde es verlangen."
de.wikipedia.org
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Ich selbst ordne mich weder in das Lager des ethischen noch des bevölkerungspolitischen Antinatalismus ein, da ich es wie in allen Bereichen mit Schubladen nicht so habe. Ich sehe es einfach so, dass das Erzeugen eines neuen Lebewesens mit so vielen absolut unvorhersehbaren Risiken verbunden ist, dass eigentlich kein intelligenter/vernünftiger und gleichzeitig mitfühlender/verantwortungsvoller Mensch sich auf dieses Lotteriespiel einlassen kann. Die Risiken des Lebens aufzulisten würde hier jeden Rahmen sprengen, damit meine ich alles angefangen von Geburtsdefekten und vererbten Krankheiten über das ständige Risiko von Unfällen und Krankheiten während des gesamten Lebens bis hin zu Alterskrankheiten wie Demenz und Alzheimer, um nur mal einen winzigen Bruchteil der Lebensrisiken zu nennen.
Wenn ich also von dieser Einstellung als Grundvoraussetzung ausgehe, habe ich naturgemäß eine viel, viel höhere Messlatte als der Durchschnittsmensch, was die Qualifikation fürs "Eltern sein" ausmacht. Meines Erachtens sollte eine Zivilisation, die diesen Namen verdient, sich mit diesem Thema viel mehr befassen. Ich denke, dass das grundlegende Problem, also vielmehr die Ursache der meisten Probleme der Menschheit darin begründet liegt, dass es einfach viel zu viele Menschen gibt. Insofern sollte genauer darauf geachtet werden, wer überhaupt irgend eine Qualifikation hat, die Verantwortung dafür zu übernehmen, eine weitere ungeborene Seele auf diesen Chaos-Planeten zu holen, was letztlich eine Lose-Lose-Situation ist, sowohl für die ungeborene Seele als auch für den Planeten (den metaphysischen Aspekt blende ich hier bewusst aus, sonst komme ich vom hundertsten ins tausendste).
Wie würdest du diese Einschränkung umsetzen wollen? Verbot von Beischlaf (wiederum: wie kontrolliert man das und wie setzt man es um)? Zwangsabtreibung? Zwangssterilisation?
Wie man das praktisch umsetzen soll, weiß ich nicht. Wir sind Lichtjahre davon entfernt, dass dieses Thema überhaupt mal auf der breiten Fläche diskutiert wird, was ich aber andererseits auch verstehe, weil es ein sehr kontroverses Thema ist. Außerdem ist es ja bereits jetzt so, dass mit steigender Intelligenz und Bildung auch die Fortpflanzung abnimmt, weshalb wir vor dem paradoxen Problem stehen, dass europäische Familien eigentlich sogar
mehr Kinder haben sollten als bisher, damit wir nicht auf Ersetzungsmigration angewiesen sind. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Ich würde einfach dafür plädieren, dass durch Aufklärung und Information die Menschen sich bewusster machen, welche Verantwortung sie übernehmen, wenn sie Kinder zeugen.
Und sind es nicht gerade die äußerst rechten Parteien, die sich die 'Unantastbarkeit der Familie' auf die Fahnen heften?
Das stimmt sicher, und dennoch traue ich konservativen Menschen grundsätzlich eher zu, dass sie eine Eltern-Führerschein-Prüfung bestehen würden, als gewissen anderen Gruppen. Es ginge bei so einem Test ja nicht nur um die Fähigkeit zur Erziehung, sondern auch um langfristige Finanzplanung, also dem Nachweis, dass eine finanzielle Absicherung des Kindes mindestens bis zum 18. Lebensjahr gegeben ist und keine staatlichen Fördermittel dafür benötigt werden. Denn wer nicht einmal sich selbst finanziell über Wasser halten kann, sollte nicht auch noch seine Kinder vom Staat durchfüttern lassen. Ich halte diese von dir so betitelte:
...ebenfalls für eine riesige Verirrung. Es hat sicherlich etwas damit zu tun, dass die Alt 68er ihre Weltsicht durch ihren Marsch durch die Institutionen als die neue Normalität festgelegt haben und wie allgemein bekannt ist, fehlt bei Marx und seinen Gleichgesinnten und geistigen Nachfolgern grundsätzlich die Betrachtung des Lebenskampfes als solchen, also es wird so getan, als ob
alle Probleme menschengemacht sind und daher auch von Menschen, also vom Staat, gelöst werden können. Das Leben an sich ist aber auch in der Natur ein Kampf, und wie ich als Antinatalist argumentieren würde, ist auch schon das natürliche Leben viel zu riskant und leiderfüllt, als dass ich darin einen positiven Wert sehen könnte. So weit muss man ja nicht gehen, aber das gänzliche Ausblenden des Lebenskampfes als solchen führt eben zum anderen Extrem: Vollkaskomentalität und vom Staat verlangen, alle Probleme zu lösen.
Das Paradoxe hierbei hast du ja schon angesprochen: Auch meine Forderung, dass der Staat sich um dieses von mir angesprochene Problem kümmern soll, könnte man als Vollkaskomentalität bezeichnen. Anders als viele andere habe ich aber kein Problem mit Paradoxien und Widersprüchen, weil ich diese als einen festen Bestandteil des menschlichen Lebens betrachte. Das ganze Leben an sich ist paradox und widerspruchsbeladen, weil es keinen erkennbaren Gesamtsinn im Leben gibt - daher auch keinen objektiven Grund, überhaupt neues Leben zu erzeugen.