Chris M
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Ja, weil er ja auch nicht ist. Und hier kommt die übliche ethische Herangehensweise an ihre Grenzen.
Denn, auch wenn kein Ungeborener seine Zustimmung geben kann, es kann sie auch Ungeborener verweigern. Insofern ist diese Fragestellung obsolet. Eine eventuelle Antwort erhält man nur, nachdem man Fakten geschaffen hat, und hat man diese einmal geschaffen, lässt sich die ursprüngliche Frage nicht mehr stellen - weil die Existenz ja schon gegeben ist.
Und da muss eben jeder selber entscheiden, ob diese Argumentation, die durchaus schlüssig ist, ausreicht, um einen wirklich existenten Menschen zu erzeugen, der sonst nicht existiert hätte und den auch niemand vermisst hätte, so wie er seine Existenz nicht vermissen würde. Das kann nur eine individuelle Entscheidung sein.
Ja, das mag schon sein, aber es kommt dabei auf die Ursachen jener "depressiven Gefühlslage" an. Einerseits kann die Gefühlslage da sein und wird a posteriori durch diverse Überlegungen versucht zu rechtfertigen, andererseits kann eine neutrale Betrachtung und Erwägung zu einem Ergebnis führen, das jene 'depressive Gefühlslage' hervorruft. Kurz: unterschiedliche Positionen von Ursache und Auswirkung.
Bei mir war zuerst die Gefühlslage da, dann habe ich mir dazu noch einen intellektuellen Unterbau angefertigt, der es mir so scheinen ließ, als seine meine individuelle Gefühlslage objektiv begründbar, weil die Realität nun mal so ist. Das sehe ich aber mittlerweile nicht mehr so, weshalb ich auch jedem depressiven Menschen davon abraten würde, jene genannten Philosophen zu lesen, trotz des kurzzeitigen Flashs der Bestätigung. Es bleibt eine subjektive Weltsicht, so wie auch der Optimismus.
Ja, und jeder, der sich ein Auto setzt geht das Risiko ein, darin zu sterben sowie jeder, der zu Hause bleibt das Risiko eingeht, zu Hause zu sterben.
Die Folgerisiken während des Lebens sind nur eine Fortsetzung des grundsätzlichen Lebensrisikos und daher liefern sie nur noch mehr Argumente gegen das Leben. Nichts in dieser Welt ist kontrollierbar, weil es immer unzählige Faktoren gibt. Es war also ein guter Tag, wenn nichts oder nicht allzu viel schief gegangen ist. Siehst du hier wieder den positiven Wert, der nur durch das Wegbleiben von negativen Werten geschaffen wird? Das nennt Gary Inmendham das Zero Sum Game, das Nullsummenspiel (bestenfalls), welches das Leben darstellt, meistens geht die Rechnung aber sogar negativ auf.
Aber, der Mensch ist nicht primär ein Vernunftswesen, sondern ein Wesen der Leidenschaft - und Menschen am Sterbebett möchten in der Regel gerade jene Momente nicht missen, in denen sie unvernünftig waren. Ich kenne niemanden, der am Sterbebett gemeint hätte "Ich hatte ein erfülltes Leben, denn ich war immer vernünftig."
Mir ist natürlich klar, dass innerhalb der Lebenslogik ganz andere Werte gelten als beim Infragestellen der Lebenslogik. Wenn man erst einmal grundsätzlich das Leben bejaht hat, ergibt sich eine Denkweise, die dem philosophischen Pessimismus komplett entgegen läuft. Und wir alle, auch ich, befinden uns ja die allermeiste Zeit innerhalb dieser Lebenslogik, weil wir uns ja selber am Leben erhalten usw... Insofern kann man nicht einmal wirklich sagen, dass sich hier zwei Positionen argumentativ bekämpfen, sondern vielmehr steht beides - Lebenslogik und Infragestellen der Lebenslogik - gleichberechtigt nebeneinander. Das nannte Schopenhauer die Bejahung und die Verneinung des blinden Willens zum Leben, welche beide auf eine völlig unterschiedliche Weltsicht und Argumentation hinauslaufen, die aber beide ihre jeweilige Berechtigung haben.