AW: Beweis einer unphysikalischen Seele
Hallo Rupert.
Hallo Pirroge, ich teile Deine Gedanken, speziell, daß das spirituelle Wissen keiner anderen Fährte folgt, wie das - sozusagen - normale Wissen. Von nöten sind in der Regel Erlebnisse und Erfahrungen, die zum Erkennen führen können.
Und wenn das so ist, kann man sich auch, zumindest über Teile seiner Erlebnisse austuaschen und berichten. Man kann auch nur ungefähr beschreiben wie sich ein Orgasmus anfühlt, oder wie eine guter Wein schmeckt, oder diejenigen, die bestimmte Erfahrungen öfter gemacht haben, werden in etwas verstehen, was gemeint ist.
Ja schon, aber ich denke auch, daß gerade wegen der karmischen Bedingungen, Freiheit und Zufriedenheit, also befriedigende und auch glückselige Zustände, selbst dann sich einstellen können, wenn man überhaupt kein, sagen wir einmal besonderes Interesse gezeigt hat. Es kann auch sein, das man erst durch die Erleuchtung, die unverhofft und unvorbereitet eintreten kann, sich dieser befriedigenden Resultate bewusst wird.
Ja, der Meinung bin ich auch. Entweder sind das seltene Glücksfälle, oder die Resultate karmischer Vorarbeit. Wenn es so etwas wie Karma gibt, dann muss es einen Träger des Karma geben, das könnte die Seele sein.
Das Ziel des Weges ist dann schon Erleuchtung, eine schöne Definition dafür ist in meine Augen „die Abwesenheit von Widerständen“, aber eben in einem umfassenden Sinn. Das bedeutet nicht zu allem „Ja und Amen“ zu sagen, sondern auch die Widerstände gegen eigene Impulse aufzugeben, aber dennoch auch von Mitgefühl geleitet zu sein, was glaube ich als Folge längerer Praxis weniger über das Denken, als über ein spontanes Empfinden geht.
Nun, ich glaube da eher, daß das eine das andere nicht ausschließt.
Das meinte ich ja auch.
Der Weg lohnt sich auf alle Fälle! Möchte nur hinzufügen, für das Ziel der Erleuchtung, sollte die Hoffnung und die Erwartungshaltung keinesfalls zu hoch sein. Ich glaube, am Besten man verscheucht so schnell als möglich - diese fesselnden, ichbezogenen Gedanken.
Das ist natürlich richtig, nur ist es ja auf der anderen Seite ein Ich, was sich faszinieren lässt und angesprochen fühlt, von diesen Lehren und da muss es dann zwangsläufig zu Irrtümern und ichhaften Verzerrungen führen, die man im Rückblick durchschaut und überwinden kann.
Ja stimmt, weil das höchste Ziel das Nirvana ist. Ich muß sagen für mich nicht erstrebenswert, weil da überhaupt nichts mehr ist. Kein Leid, kein Glück, rein gar nichts. Es soll aber auch modernere Strömungen geben, wo nicht mehr unbedingt das Nirwana das letzte Ziel ist, sondern das Leben als erleuchteter Boddhisattva. Nur so nebenbei bemerkt.
Genau, und wenn das sperrige Ich dabei nicht im Weg steht, funktioniert die Hilfe, weshalb ein Boddhisattva ja hier ist, besser. Es gibt aber auch die Stimmen, die sagen, dass Nirvana kein narkotisierter Zustand ist, sondern dass das Fühlen und Erleben reicher und intensiver wird, was durchaus Sinn macht. Aber so oder so, ohne eigene Erfahrung, über eigene kurze Einblicke geht es nicht.
Ich meine auch, daß das Ich, oder besser gesagt das Ichbewusstsein - nicht zu leugnen ist! Ja sogar solange, solange die Menschheit halt wirklich existiert.
Ich glaube auch, dass ein Ich zu bilden ein sehr erfolgreicher evolutionärer Anpassungsprozess ist und man ist heute ziemlich sicher, dass mit dem Aufkommen der Sprache, das kognitive Ich noch einmal einen gewaltigen Schub in Richtung Komplexität bekommen hat. Das erste Ich, was sich selbst auch so erleben konnte, sei es in einem kurzen Aufflackern von bewussten Trieben und Wünschen die zu „mir“ gehören, war in einem immensen Vorteil, gegenüber die Artgenossen, löste aber zugleich einen starken evolutionären Druck auf die Umgebung aus, riss die anderen mit. Und dass dann eine Horde mit mehreren interagierenden Ichen allen anderen überlegen war und die Welt im Sturm eroberte, ich leicht vorstellbar.
Seit dem erleben und behandeln sich Primaten als Ich und für unsere Zeit ist es so selbstverständlich uns wechselseitig als Subjekte zu behandeln (leider manchmal als Objekte), dass die Idee, dass es prinzipiell auch anders gehen könnte, vollkommen verrückt erscheinen muss.
Die spiritueller Meister aller Zeiten sagen uns aber nun genau das, dass das Ich, in der handelsüblichen Variante, gar nicht unbedingt das Vehikel sein muss, mit dem wir dominant Welt erleben, sondern die spirituellen Experimente versetzen uns ja in den Zustand zu erleben, wie es ist, kein Ich mehr zu sein, als nicht als „ich erlebe dies“ zu empfinden, sondern eher als „da ist dies“ oder nur „dies“, was seinen Niederschlag in der minimalistischen Sprache des Zen gefunden hat. Es reicht aber nicht die Sprache der Zenmeister zu imitieren, dahinter muss schon eigene Erfahrung stehen.
Die radiale Botschaft der Mystik ist einfach: Pfeif auf dein Ich, ohne lebt man viel besser.
Dass man auch nach dem mystischen Tod Welt durch seine ganz spezielle Art zu sein, in der Welt agiert, ist keine Frage, nur steht auf der Seite der Motivation etwas zu tun oder lassen, nicht mehr das Ich im Fokus des Interesses, also die Frage: Hab’ ich auch was davon? Ist das auch nicht zu anstrengend? Bin ich auch wieder zu Hause wenn meine Lieblingsfernsehserie beginnt? Steigert das mein Ansehen? Und dergleichen.
Wie schon angedeutet, mit einer extra immateriellen Seele fange ich nichts an. Es ist für mich eher nebensächlich, also nicht mehr wirklich von Belang. Warum auch, wir sind ohnehin so wie wir sind. Für diejenigen, die spekulierend an eine Seele glauben, ist es auch nicht wirklich schädlich, weil es ethisch-moralisch nicht vom Vorteil oder Nachteil ist.
Da stimme ich Dir zu, die Fragen sind eher für den Theoretiker interessant.