• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Auf der Suche nach den Wurzeln des Antisemitismus

  • Ersteller Ersteller medusa
  • Erstellt am Erstellt am
AW: Auf der Suche nach den Wurzeln des Antisemetismus

Guten Tag,

in diesem Zusammenhang finde ich es auch immer sehr interessant, dass viele, sehr gebildete und von den meisten Intellektuellen geschätzte Persönlichkeiten, überzeugte Antijudaisten waren. In einigen philosophischen Traditionen wird dieses Gedankengut sogar vererbt. So zum Beispiel in der Tradition des Deutschen Idealismus, dessen Vater, wie wir alle wissen, I. Kant ist. Dieser schrieb beispielsweise über das jüdische Volk:

"Die unter uns lebenden Palästinenser [Juden] sind durch ihren Wuchergeist seit ihrem Exil, auch was die größte Menge betrifft, in den nicht unbegründeten Ruf des Betruges gekommen. [...] Eine [...] ganze Nation von lauter Kaufleuten, von nicht-producierenden Gliedern der Gesellschaft (z.B. der Juden in Polen) [...]"
-Aus: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht - I.Kant-​

Ähnliche antijudaistische Aussagen wurden auch von Fichte, Hegel und sogar Marx geschrieben, der selber aus einer jüdischen Familie stammt. Ich weiß auch nicht, warum, aber ich finde es erschreckend, dass diese großen Denker Antijudaisten waren.

Gruß,
Manifest

Post Scriptum: Ein gutes Werk zu diesem Thema ist "Deutscher Geist und Judenhass - Das Verhältnis des philosophischen Idealismus zum Judentum" von Micha Brumlik.

Die Erklärung hatte ich zwei Artikel weiter oben doch schon gegeben.
Perivisor
 
Werbung:
AW: Auf der Suche nach den Wurzeln des Antisemetismus

Meine Erklärung für Antisemitismus ist die :

Das Judentum ist sehr alt. Sagen wir mal, 3.500 Jahre (sicherlich diskutierbar).
Ich sehe Religionen als ein Wertesystem an, auf deren Regeln sich eine Gesellschaft aufbaut. Die Gesellschaftsbildung ist ein sehr langsamer und schmerzvoller Prozess. Das Judentum hatte sehr viel Zeit, eine solche auszubilden. Sie ist daher sehr hoch entwickelt.

Aus dem Judentum ging vor 2.000 Jahren das Christentum hervor.
Es begann die Bildung einer neuen Gesellschaft auf Basis von veränderten Regeln (z.B. "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" anstatt "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Die daraus hervorgegangene Gesellschaft ist sehr erfolgreich, aber es fehlen noch ein paar tausend Jahre, um zur selben Reife zu gelangen.

Der Islam ging im Jahre 622 au dem Judentum hervor.
Die Gesellschaftsbildung ist da angelangt, wo das Christentum Im Jahr 1390 war und das Judentum bei Christi Geburt.

Nun ja, woher kommt der Konflikt ? Es ist ein Generationskonflikt zwischen den so schrecklich erwachsenen Juden, den unausgegorenen Christen und den kindischen Moslems. Eltern nerven, insbesondere, wenn sie Recht haben. Daher mögen sie weder die Christen (Gaskammer) noch die Moslems (Atombombe). Da Eltern aber unendlich stark sind, wir jede Gegenwehr als böse ("Aaaber die Politik des Staates Israel...") empfunden.

Tja, offenbar is doch die Selbstinfantilisierung das höchste aller anzustrebenden Ziele des Menschen. Schade.
 
AW: Auf der Suche nach den Wurzeln des Antisemetismus

.....


1. Nun ja, woher kommt der Konflikt ? Es ist ein Generationskonflikt zwischen den so schrecklich erwachsenen Juden, den unausgegorenen Christen und den kindischen Moslems. Eltern nerven, insbesondere, wenn sie Recht haben. Daher mögen sie weder die Christen (Gaskammer) noch die Moslems (Atombombe). Da Eltern aber unendlich stark sind, wir jede Gegenwehr als böse ("Aaaber die Politik des Staates Israel...") empfunden.

2. Tja, offenbar is doch die Selbstinfantilisierung das höchste aller anzustrebenden Ziele des Menschen. Schade.

Zu 1.:
Aber wem erscheinen die Eltern als "unendlich stark" :dontknow:
Wahrscheinlich den ohnmächtigen Kindern, die von ihren Eltern abhängig sind :dontknow:

Zu 2.:
:ironie: Es soll aber auch Kinder geben, die erwachsen wurden und sich von ihren Eltern gelöst haben, ohne als Erwachsene infantil geblieben zu sein ...:dontknow:

Und zwischen kindisch-infantilen Erwachsenen und kindlichen Erwachsenen liegen die durchaus schmerzhaften, leidvollen Individuations-Prozesse .... oder mit den Worten von Sören KIERKEGAARD:

"Habe Mut, ein Einzelner zu werden."

"'Der Einzelne'; diese Kategorie ist nur einmal, ihr erstes Mal, entscheidend dialektisch gebraucht worden, von Sokrates, um das Heidentum aufzulösen."

 
AW: Auf der Suche nach den Wurzeln des Antisemetismus

Zu 1.:
Aber wem erscheinen die Eltern als "unendlich stark" ? Wahrscheinlich den ohnmächtigen Kindern, die von ihren Eltern abhängig sind ?
Ich meine eher die pubertierenden Kinder, die gegen ihre Eltern rebellieren, sie aber gleichzeitig noch als unendlich mächtig empfinden (sich selbst also als lieber-doch-noch-nicht-erwachsenes eigentlich-doch-noch-Kleinkind).

Daher nehmen sie jede Gegenwehr auf Augenhöhe als íllegitime Gewaltausübung wahr, gegen die nur omega-Machtausübung hilft (= die Machtausübung des Ohnmächtigen, also sich auf den Boden werfen und schreiend um sich schlagen).
 
AW: Auf der Suche nach den Wurzeln des Antisemetismus

Ich meine eher die pubertierenden Kinder, die gegen ihre Eltern rebellieren, sie aber gleichzeitig noch als unendlich mächtig empfinden (sich selbst also als lieber-doch-noch-nicht-erwachsenes eigentlich-doch-noch-Kleinkind).

Daher nehmen sie jede Gegenwehr auf Augenhöhe als íllegitime Gewaltausübung wahr, gegen die nur omega-Machtausübung hilft (= die Machtausübung des Ohnmächtigen, also sich auf den Boden werfen und schreiend um sich schlagen).

Okay ! :schnl:

Wobei ich mich aber frage, ob die Beziehungen zwischen Kulturen/Traditionen/mono-theistischen Religionen analog der eher tiefen-psychologisch-beschreibbaren Beziehungen zwischen Eltern und Kindern interpretiert werden können :dontknow:

Schärfer gefragt:

Ist das familien-dynamische "Modell" der Eltern-Kind-Beziehungen auf sozial-psychologische Prozesse übertragbar, wie sie sich in Traditionen/Kulturen/mono-theistisch gesprägten Gesellschaften abspielen :dontknow:
 
AW: Auf der Suche nach den Wurzeln des Antisemetismus

Ist es nicht einfach so und immer schon so gewesen, dass schließlich irgendjemand ausser uns selbst, schuld an den alltäglichen Kalamitäten sein muss.
Und das kann immer nur jemand sein der außerhalb des "Wir" steht. Wer das dann jeweils ist ist, hängt von den Umständen ab.

Also kurz gesagt, ist das eher ein konstruierter Mythos, der uns ermöglicht unseren inneren Schweinehund nicht in Frage stellen zu müssen.
 
AW: Auf der Suche nach den Wurzeln des Antisemetismus

Ist es nicht einfach so und immer schon so gewesen, dass schließlich irgendjemand ausser uns selbst, schuld an den alltäglichen Kalamitäten sein muss.
Und das kann immer nur jemand sein der außerhalb des "Wir" steht. Wer das dann jeweils ist ist, hängt von den Umständen ab.

Also kurz gesagt, ist das eher ein konstruierter Mythos, der uns ermöglicht unseren inneren Schweinehund nicht in Frage stellen zu müssen.

Einerseits, ja. Andererseits hängt das Wohlbefinden von Menschen ganz entscheidend davon ab, in welcher Position sie in welchem Beziehungsgefüge stehen und da gibt es Konstellationen, die ein Wohlbefinden einfach unmöglich machen.
 
AW: Auf der Suche nach den Wurzeln des Antisemetismus

Einerseits, ja. Andererseits hängt das Wohlbefinden von Menschen ganz entscheidend davon ab, in welcher Position sie in welchem Beziehungsgefüge stehen und da gibt es Konstellationen, die ein Wohlbefinden einfach unmöglich machen.

Es gibt aber auch Konstellationen, die ein Wohlbefinden möglich machen ...:lachen:
 
Man muss sich vor Augen halten, dass Antisemitismus, so wie er heute die Debatte beherrscht, ein reines Konstrukt innerhalb intellektualisierter Kommunikation darstellt. Es ist eine Judenfeindlichkeit ohne Juden; denn wer kennt den schon Juden, oder wenn er einen kennt, weiß er kaum, dass es einer ist. Was Juden sind und machen, wissen die meisten nur aus den Medien - es erinnert ein bisschen an die Ausländerfeindlichkeit in Ostdeutschland, die lange fast ohne Ausländer funktionierte.
Ich würde daher die Frage von Wurzel auf Funktion umstellen. Denn selbst wenn der Antisemitismus historische Wurzeln hat, tritt er doch heutzutage fast nur funktionalisiert auf.
Dabei wird er von beiden Seiten funktionalisiert - und damit paradoxiert. In diesem Zitat findet sich die Paradoxie sehr schön wieder. Der Antisemitismus-Vorwurf wird einfach umgedreht und siehe da - er funktioniert dennoch.
In diesem entspannten Interview wird deutlich, dass der Antisemitismus in der funktionalisierten Form eine spezielle regionale Ausprägung hat, vieleicht sogar ein spezielle bilaterale, was das Verhältnis Israel-Deutschland betrifft.
Sicher hat der Antisemitismus eine lange Tradition - doch der Verweis auf Kant oder Wagner oder wen auch immer ist m.E. sekundär. Der Holocaust und die Gründung Israels haben das Thema völlig neu bestimmt.
 
Werbung:
AW: Auf der Suche nach den Wurzeln des Antisemetismus

Man muss sich vor Augen halten, dass Antisemitismus, so wie er heute die Debatte beherrscht, ein reines Konstrukt innerhalb intellektualisierter Kommunikation darstellt. ...

Stimmt. Somit ist die "Wurzel des Antisemitismus" die Erkenntnis, daß ein Antisemitismusvorwurf den Gegner einknicken lässt und Unterstützung bringt.
 
Zurück
Oben