AW: Atheismus-Falltür ins Nichts?
Ich habe den Thread nicht von Anfang an durchgelesen, von daher möchte ich mich (auch auf die Gefahr hin vergangene Aussagen zu wiederholen) nur auf den Anfangspost, bzw. den Text, beziehen:
"Die Meinungsforschungsinstitute melden es, die Medien berichten darüber, die Trendforscher kündigen es an: Religion ist im Kommen."
Also Umfragen in Deutschland zeigen eher das gegenteilige Bild: Menschen treten aus den Kirchen aus, im Moment vor allem aus der evangelischen, und wenden sich auch persönlich mehr und mehr vom Glauben ab.
"Dabei werden sie alle in einen Topf geworfen: friedensverliebte Jesus-Pazifisten, Flugzeuge in Türme fliegende Selbstmörder, Befreiungstheologen, nach Jungfrauen geilende Suizidbomber, Dschihadisten, Kreationisten, Imame, Christenversteher, Talibankämpfer, Gurus, linke und rechte Theologen, Ehebrecherinnen-Steiniger, Gott-Mutter-Feministinnen, alle, die der Metaphysik nicht abschwören wollen."
Menschen, die undifferenziert diskutieren, gibt es bei Gläubigen wie bei Nicht-Gläubigen. Wenn ich an Aussagen höchster priesterlicher Instanz in Deutschland denke, wird auf der anderen Seite das gleiche praktiziert: Es ist die Rede vom "atheistischen Nazi-Regime" (was faktisch falsch ist) und der Epidemie Atheismus (und wirft dabei ungläubige oder agnostische Philosophen in den gleichen Topf mit radikalen und gewaltbereiten Trotteln, die, wenn sie ihre Wut nicht an Christen, eben an einer anderen Gruppe auslassen würden).
"Wir leben in einer Zeit, in der man fast überall auf der Welt eine Radikalisierung und Fundamentalisierung von Religion beobachten kann."
Was weder bedeutet, dass Religionen auf dem Vormarsch sind (es deutet eher auf das Gegenteil hin), noch dies eine positive Entwicklung ist (außer für Fundamentalisten selbstverständlich).
"Der neue Atheismus ist nichts weiter als die fundamentalistische Variante des klassischen Atheismus. Kein einziger Gedanke ist neu."
Es geht auch nicht darum ständig neue Argumente zu entwickeln. Von Seiten der Religionen gibt es ja auch keine neuen Argumente oder alle fünf Jahre ein neues Testament zu bestaunen, nur um zu zeigen, wie kreativ und ehrgeizig man ist. Es geht auch nicht in erster Linie darum, Menschen zu bekehren, sondern in erster Linie um Aufklärung, wobei sich viele Atheisten bemühen. Für Religionen kann man das hingegen nicht behaupten und war auch nie das Ziel, sondern eher der Albtraum schlechthin. Schließlich zeigt sich in diesen Zeiten, wieviele Abgänger die Kirchen zu beklagen haben, wenn Aufklärung betrieben wird.
"Es gibt keine radikalere Begründung der Gleichheit jedes Menschen als der christlich-jüdische Gedanke der Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Wenn der Mensch Gott abschafft, dann besteht die Gefahr, dass der Mensch auch den Menschen abschafft."
Da hat der gute Herr wohl den Humanismus vergessen. Ich lebe lieber in einer Welt, in der die gleichen Menschenrechte gelten, aber keine Götter (und somit die Menschen) in Konkurrenz stehen. Und warum der Mensch sich selbst abschaffen soll, begründet er auch nicht (außer die substanzlose Idee, dass wir uns alle wieder in wilde Tiere verwandeln, wenn es keine Bibel mehr gibt).
"Vergessen wir nicht, dass Hitler und Stalin fanatisch wissenschaftsgläubige Atheisten waren, welche die Welterlösungsprogramme diletierender Naturwissenschaftler umsetzen wollten. Die Ermordung von
Millionen Menschen wurde ideologisch dadurch vorbereitet, dass man in ihnen keine geliebten und gewollten Geschöpfe Gottes mehr sah."
Zunächst einmal war Hitler höchstwahrscheinlich kein Atheist. In "Mein Kampf" ist zu lesen, dass er sich vielmehr als der Erlöser verstanden, der sich auserwählt sieht, die Prophezeiung zu erfüllen. Zudem haben weder Hitler noch Stalin ihre Ideologien auf der Basis eines nicht-existenten Gottes entwickelt. Wer das in der Gewaltbereitschaft der Beiden sehen will, brauch sich nur die Kreuzzüge oder die Inquisition als Vergleich heranziehen. Der Beweis oder auch nur eine logische Argumentation bleibt man schuldig, zudem es auch im Namen des Christentum in den vergangenen Jahrhunderten ausreichend Blutvergießen gab (und nach wie vor gibt). Die Ideologien wurden den Menschen auf vielerlei Arten näher gebracht (Propaganda, Geschichtsverfälschung, Reparaturzahlungen, Judenhass, schlechte finanzielle Bedingungen etc.), aber nicht durch das Fehlen eines Gottes (der viel eher in Stalin und Hitler personifiziert wurde).
"Es ist leichter, Zufallsprodukte einer mechanistischen Evolution umzubringen."
Ich denke auch hier, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Erst wenn man sich bewusst wird, dass es nur dieses eine Leben gibt, dem man selbst einen Sinn stiften muss, um es wirklich sinnvoll und erfüllt gestalten zu können, wird man sich dem Wert eines Lebens bewusst. Unendlichkeit im Himmel (und somit eine letztlich sinnlose Existenz) und ein Gott, der ohnehin alles verzeiht, sind viel eher Anreize für radikale Ideen und menschenverachtende Ausführung derselben.
"Die neuen Atheisten wir Richard Dawkins oder Christopher Hitchens behaupten allen Ernstes, dass nur eine atheistische Menschheit eine glückliche Menschheit sein könne. Vergessen oder verschwiegen wird dabei, dass es atheistische Ideen wie Kommunismus und Faschismus waren, die Millionen und Abermillionen von Menschen umbrachten, vergasten, massenweise erschossen, in Umerziehungslagern verhungern oder zu Tode schuften ließen."
Wie bereits gesagt, faktisch falsch und substanzlos.