Gaius schrieb:
ich sehe keine ernsthafte Alternative, die nicht auch innerhalb eines kapitalistischen Wirtschaftskonzeptes realisierbar wäre. Vielleicht bin ich ja sogar ein "Neoliberaler", wenn ich meine, daß die Tätigkeit des Staates sich auf ein notwendiges Minimum beschränken sollte - wobei darüber meinetwegen auch gerne eine erneute, umfassende demokratische Debatte stattfinden könnte, "wieviel Staat" wir uns denn eigentlich leisten wollen und in welchen Bereichen er tätig sein sollte. Öffentliche Sicherheit, dort in jedem Falle. Bei der Renten- und Gesundheitsversorgung geht es aber schon wieder los: warum soll es dort eine allein in der Verwaltung Milliarden verschlingende staatliche Pflichtversicherung geben, wo man ebensogut alle Aspekte privatrechtlich lösen könnte?
Letztlich wäre dies zunächst wiederum bloß ein reformistischer Ansatz; die dahinterstehende grundsätzlichere Frage lautet: Wie soll das Verhältnis von Wirtschaft und Politik aussehen, inwieweit sollten sie überhaupt aufeinander einwirken dürfen?
Gruß, Gaius
Entschuldige für die verspätete Antwort.
Hm, deine letzte Frage halte ich für zentral. Betrachte ich die zunehmende Privatisierung, wird mir allerdings bange, wenn du die Frage stellst: "wieviel Staat wir uns leisten können". Wenn man bspw. Krankenkassen oder Banken komplett privatisiert und keinerlei staatlich-gesetzliche Möglichkeiten mehr vorhanden sind, so wandelt sich die Frage um in: Welche Menschen wollen wir uns noch leisten?
Eine private Krankenkasse, bzw. Bank wird letztlich wie ein Unternehmen geführt- auf Profit und Gewinnerzielung ausgerichtet. Für sich kein Frevel, denkt man sich doch. Nur- wie steht es mit den Menschen, welche aus dem "Profitabel"-Maßstab herausfallen: sagen wir HartzIV-Empfänger bei Banken, oder Diabetes-, Krebs-, oder Asthma-Patienten bei Krankenkassen? Ohne eine gesetzliche, also staatliche Grundversorgung sieht es dann doch eher bedenklich aus, was sozialere Töne angeht. Daher halte ich eine neoliberal-gewünschte Minimierung des Staates für ebenso gefährlich wie eine gänzlich verstaatlichte Monopolisierung.
Nun stellt sich mir allerdings die Frage- inwiefern "man" (wer?) sich den Staat (welche Teilbereiche also genau- nehme an, du sprichst von Gesundheits- und Sozialsystemen?) nicht leisten kann (weshalb?)? Es gibt- jetzt kann ich allerdings nur für die BRD sprechen- keineswegs zu wenig Geld. Gegenteiliges ist der Fall- es sitzt halt nur "fest", kurzum, es wird nicht investiert. Von der Verteilungssymmetrie gar nicht zu sprechen (50% des Gesamtvermögens der BRD ist bei 10% der Bevölkerung laut DGB-Bericht 2003.) Wenn man also einerseits von sparender Eigenverantwortung spricht und andererseits von Wirtschaftswachstum, so wirkt dies dann doch paradox. Nicht zuletzt, da die Unterstützung sich auf die Großkonzerne bezieht, während die meisten Angestellten eher in den mittelständischen Betrieen untergebracht sind. (Es kommt ebenfalls die Überlegung, wie die Entwicklung dahingehend aussehen würde, wenn durch die Privatisierung die Unternehmensstruktur auch auf Bildungs- o.ä. Bereiche übergreift.) Aber zurück zu den Kleinunternehmen- ganz platt und überspitzt vereinfachend kann man es mit - aufkaufen, aufspalten, "rationalisieren" - beschreiben.
Was mich daher mehr interessieren würde- wie sieht der weitere Umgang mit den daraus resultierenden Abeitslosen aus? Durch die Minimierung des Staates kann man jedenfalls von keinem sozial-staatlichen Netz mehr ausgehen. Private Ersparnisse könnten angesichts der Niedriglohn-Spirale, Krankheiten, Pleiten o.ä. auch nur ein witzloses Argument für wenige sein. Wie könnte also eine Verbindung von Wirtschaft und Politik aussehen? Zumindest nicht so, dass die profitable Investitionen "der Wirtschaft" zugeführt und soziale Abgaben nur vom Staat herrühren. Notgedrungen führt dies zu irrwitziger Steuerpolitik und finanziellen Löchern. Diese Frage ist also in der Tat zentral- aber gegen eine neoliberale Antwort wehre ich mich dann doch mit Hand un Fuß. ;-)
Lieben Gruß,
die Gilgamesch