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Verteidigung des Kapitalismus

Ziesemann schrieb:
Ist es erlaubt zu loben, ohne dass dies als gönnerhaft empfunden wird? - Wenn "ja": Dein Beitrag ist ausgezeichnet.
Tausend dank.

Ziesemann schrieb:
Genau! In der kap. Marktwirtschaft werden Millionen Einzelpläne über den aus Angebot und Nachfrage gebildeten Preis koodiniert.
Ja, aber nur, wenn die marktwirthschaftlichen Mechanismen
auch wirksam sind. Und kein Monopol-Konsortium
die Preise diktiert.

Das gleicht äusserlich den Monopolisten in einer
staatskapitalistischen (=kommunistischen) Wirtschaft.

Aber mit verschiedenen Effekten für den Kunden:

der kapitalistische Monopolist drückt die Preise nach
oben ohne eine entsprechend erhöhte Leistung anzubieten.

Der kommunistische Monopolist nimmt politisch diktierte Preise,
die entweder grotesk hoch oder grotesk niedrig
(ggf. gratis) sein können. In jedem Fall sind die Preise
von den Kosten abgekoppelt und reflektieren
somit nicht die verbrauchten Resourcen
.

Das ist ökologisch katastrophal!

Wenn Strom, Wasser und Heizung soweit staatlich
subventioniert ist, dass es der Bevölkerung gratis
zur Verfügung steht, so entsteht kein Gefühl für
den tatsächlichen Wert dieser Leistung. Man
lässt einfach Wasser stundenlang laufen, ist ja
nichts wert!

Noch ein fundamentaler Nachteil kommunistischen
Wirtschaftens.

Ziesemann schrieb:
Das funktioniert besser als jeder Zentralplan.
Eine Vielzahl von Individuen kann kreativer sein als jedes Poltitbüro, weil die unterschiedlichen Begabungen und Begabungsstärken besser genutzt werden können. -
Unzweifelbar. Der Spiegel stellt ein interessantes
Buch vor mit dem Titel Die Weisheit der Vielen:

Pöbel schlägt Einstein
Ein neues Buch des US-Autors James Surowiecki kratzt am Mythos, dass begabte Einzelne klügere Entscheidungen treffen als Gruppen. Oft, so zeigt er, handeln Menschen im Kollektiv bemerkenswert schlau - und lösen auch schwierige Fragen wie etwa das Auffinden der Position eines gesunkenen U-Boots.


Schade, dass der Artikel jetzt kostenpflichtig ist.
Ich muss mir die guten Spiegelartikel wohl nach dem
Lesen alle auf Platte sichern....

Aus dem Gedächtnis (also Vorsicht):

Surowiecki gibt ein nettes Beispiel für Selbstorganisation
einer Gruppe ohne jede Kopplung der Gruppenmitglieder:

einer Gruppe von Leuten (in NewYork), die sich nie
gesehen hatten, wurde morgens aufgetragen, sich
irgendwann am Nachmittag irgendwo zu treffen.
Das war's.

Und die haben sich tatsächlich getroffen! Rate mal
wie.

Ziesemann schrieb:
Wenn ich Zeit finde, werde ich das noch näher ausführen.
Ich freu mich schon.

Gruss
Camajan
 
Zuletzt bearbeitet:
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Pauschalantwort an Camajan

Hallo Camajan,
im Grunde brauche ich nicht mehr viel hinzuzufügen, denn Du hast das Wesentliche gesagt. – Dankbar wäre ich, wenn Du uns allen verraten würdest, wie die sich in New York gefunden haben; ich weiß es nicht.

Absolut richtig ist, wenn Du darauf abhebst, dass die Normen des Kapitalismus natürlich eingehalten werden müssen, wenn er funktionieren soll. Ich reagiere fast emotional, wenn ich etwa lese, bei dem „Aufbau Ost“ hat die kap. Marktwirtschaft versagt. Das hat sie eben nicht, nur hat man sie nicht gelassen.
Die schwersten Fehler waren:
Währungsumstellung 1,8:1; ökonomisch richtig war 3 oder 4 zu 1. War eine rein politische Entscheidung.
„Aufholjagd der Löhne“ auf 70% Westniveau bei Produktivität von 35%. Folge: Massenhafter Zusammenbruch der Unternehmen mit entsprechender Arbeitslosigkeit.
Transfer in Konsum statt Investition, gleichfalls eine gravierende politische Fehlentscheidung.
Da verstoßen Tarifparteien gegen alle Spielregeln einer marktwirtschaftlichen Ordnung und karren anschließend der Politik die ALOS vor die Tür und sagen: Bitte, Eure Verantwortung.

Ein anderes, was mich echauffiert bei den „Verbrechen des Kapitalismus“. Es wird ihm alles Schlechte in Gegenwart und Vergangenheit in die Schuhe geschoben. Die Ausbeutung der Sklaven, die Verschwendung der adeligen Clique im Feudalismus, das hat mit Kapitalismus alles nichts zu tun. Nicht mal der Kolonialismus, den braucht der Kap. garnicht, wobei noch zu bedenken gilt, dass der vom Kap. am stärksten geprägte Staat, die USA, nie Kolonialmacht war. – Den an Zahl spärlichen Sklaveneintreibern wurden die Stammesangehörigen von ihren eigenen Häuptlingen in die Arme getrieben – gegen Geld, versteht sich. Doch was ist an dieser verbrecherischen Sklavenwirtschaft kapitalistisch? Nichts, denn der Kapitalismus basiert auf der Freiwilligkeit, der Vertragsfreiheit.

Ich habe oft – bei der Diskussion in diesem Forum auch – den Eindruck gewonnen, die meisten Menschen haben das Wirtschaftssystem des Kapitalismus als System nie verstanden.

Mit einverständlichem Gruß - Ziesemann
 
Verbrechen im Kapitalismus

So hätte der andere Thread lauten müssen.
Diesen schließe ich von mir aus ab, wenn sich kein sachdienlicher Beitrag mehr ergibt. – Was in dem anderen Thread „Verbrechen des Kapitalismus“ aufgelistet wurde, krankte von Anbeginn an schweren Mängeln, deren wichtigste waren:
1. Es wurde nicht erkannt (oder wollte nicht erkannt werden), dass Kap. ein System, eine als sinnvoll gedachte Ordnung menschlichen Zusammenlebens ist; eine systemimmanente Diskussion wurde nicht geführt, konnte vielleicht auch nicht, weil das ohne ein Minimum an wirtschaftstheoretischen Kenntnissen kam möglich ist. Dies ist keine Kritik an den Diskutanten als Person, sondern nur eine sie sogar entschuldigende und rechtfertigende Feststellung.
2. Völlig ignoriert wurde, dass alle Gebrechen, die angeblich dies System verursacht, Folge dessen sind, dass seine Bedingungen nicht eingehalten wurden: Nahrungsmittelvernichtung, Imperialismus, Verschuldung der Armutsländer sind Ergebnisse machtpolitischen Handelns (einschl. der Selbstverschuldung besonders der afrikanischen Staaten), haben aber mit dem Kap. herzlich wenig zu tun. Er braucht nicht nur keinen Krieg, er will keinen, weil er mit reichen Nationen besser handeln kann als mit kriegerisch verarmten
3. Zölle, Einfuhrbeschränkungen sind schwere systemwidrige Eingriffe in die Funktionsgesetze der marktwirtschaftlichen Ordnung. Die EU erhebt auf Agrareinfuhren aus Drittländern einen Zoll von 19% (USA: 9%) zum Schutze ihrer Landwirtschaft. Hätten wir Kap. pur betrüge der Zoll 0%, und wir könnten uns die gesamte Entwicklungshilfe sparen.
4. Der Kap. wurde in dem zitierten Thread zum Mülleimer all dessen, was wir verabscheuungswürdig finden. Differenzierung unterblieb, es fehlte nur noch, dass auch fremdenfeindliche Anschläge (natürlich, was etwa sonst?) Ausgeburt des verbrecherischen Kapitalismus seien. – Absoluter Tiefpunkt war die Behauptung, dass gerade die Prostitution zeige, wie der Kap. die Frau zum Marktwert degradiere. Das mit dem Marktwert stimmt sogar, nur diesen Markt gab es bereits im alten Ägypten um 2900 a.C. (!). Sollte der Kap. schon 5000 Jahre alt sein? Donnerwetter, dann hat er sich ja lange und gut gehalten.
5. Ignoriert wurde ferner, dass kommunistische Machthaber Mordbefehle erteilten, Millionen versklavten, ihre Funktionäre Unschuldige töteten. Bitte, wo und wann haben Kapitalisten, also die Eigentümer von Produktionsmitteln Menschen erschossen, Mordbefehle erteilt? Toten kann man nichts mehr verkaufen, der Kapitalist ist im ureigensten Interesse an Lebenden interessiert, nicht an Toten, Sterbenden und Armen. Einer der vielen Grundirrtümer Marxens ist ja die These, der Kap. brauche die Arbeitslosen als „industrielle Reservearmee“. Eben nicht: Nie sind die Gewinne höher, die Firmenzusammenbrüche geringer, das Umsatzwachstum größter als in Zeiten der Vollbeschäftigung wie wir sie in der BRD von 1953 bis 1965 hatten, als der Sozialdemokratismus noch nicht seinen Siegeszug angetreten hatte – und Staatsschulden gab’s auch keine.
6. Und schließlich wurde der Thread missbraucht, um die kommunistischen Verbrechen zu relativieren. – Wehe, jemand hätte eine solche Relativierung für den Nationalsozialismus versucht, er wäre wahrscheinlich sofort aus dem Forum exmatrikuliert worden – zurecht übrigens. Aber den Kommunismus irgendwie doch ein wenig zu säubern, ist seinen Anhängern kein Argument zu billig.

Abschießend bitte ich, sich einmal zu fragen, warum weltweit alle mehr oder weniger am Kapitalismus orientierte Staaten leben, meistens sogar blühen und aufblühen aber bis auf Nordkorea und (noch) Cuba alle kommunistisch/sozialistischen zugrunde gegangen sind? Sollte der Kapitalismus sich – evolutionstheoretisch – als das überlebensfähigere System im Sinne „survival of the fittest“ erwiesen haben?!

Mit Abschiedsgruß - Ziesemann
 
Ziesemann schrieb:
Dankbar wäre ich, wenn Du uns allen verraten würdest, wie die sich in New York gefunden haben; ich weiß es nicht.
Oh - sorry. Sie haben das sinnvollste gemacht:

sich in der Grand Central Station getroffen.

Gruss
Camajan
 
Camajan, danke sehr! - Das Beispiel ist sehr einleuchtend. Jeder einzelne hat, wenn ich es richtig verstanden habe, für sich allein entschieden, wo er die anderen am besten treffen kann. Die Central Station ist der Markt, auf dem sich ungezählte Anbieter und Nachfrager treffen, sie sind in der Summe ihrer Einzelentscheidungen in der Tat klüger als jedes Planungs- und Politbüro. Dies, aber nicht nur dies allein, macht die Überlegenheit jeder marktwirtschaftlichen Ordnng gegenüber einer Zentralverwaltungswirtschaft aus.

Noch ein Nachtrag zu meiner Nr. 13, weil ich gerade die genauen Zahlen gefunden habe.
Durschnittszoll gegenüber Drittländern:
Industrieprodukte: EU 4,2%; USA 4,6%
Agrarprodukte: EU 19,0%; USA 9,9%
Spitzenzoll Agrar: EU 506%; USA: 350%.
Tatsächlich liegen für die EU die Zölle noch etwas höher, da 14% der Agrarprodukte (mangels großer Mengen) mit relativ hohen Zöllen nicht erfasst sind.

Hinzu kommen in der EU massive Subventionen einschl. Exportsubventionen, mit denen die EU ihre Milchseen abfließen und die Butterberge abtragen lässt. Wohin? In die Drittweltländer, deren einheimische Agrarproduktion damit unwirtschaftlich gemacht wird.

Nur noch einmal sei es gesagt: Diese wirtschaftlichen Verbrechen sind der Poltitik und nicht dem System des Kapitalismus anzulasten. Dieser kennt und braucht weder Zölle noch Subventionen.
Meine Hoffnung, dass diese Fakten zur Kenntnis genommen werden, ist allerdings gering.
Gruß - Ziesemann
 
Ziesemann schrieb:
Nur noch einmal sei es gesagt: Diese wirtschaftlichen Verbrechen sind der Poltitik und nicht dem System des Kapitalismus anzulasten. Dieser kennt und braucht weder Zölle noch Subventionen.
Wirklich nur noch einmal ?
Angesichts der Anzahl von Wiederholungen, die es bislang bereits gegeben hat, ist die Hoffnung gering.

So wie die fehlerhafte Umsetzung der Ideen des Kommunismus und des Sozialismus durch fehlbare Menschen von Dir gerne den Ideen selbst angelastet wird, so sehr kann Deiner Meinung nach der Kapitalismus nicht für den Missbrauch durch die Kapitalisten in Anspruch genommen werden.
Diese Argumentation halte ich für unredlich, weil sie mit zweierlei Mass misst.

Nicht der Kapitalismus begeht Verbrechen, sondern die Kapitalisten begehen sie, weil dieses System es ihnen ermöglicht: Im Kapitalismus hat der die Macht, der das Kapital hat, und der möchte eben sein Kapital als Mittel zur Macht immer vermehren.
Dass dies nur funktioniert, wenn man nicht alle Nichtkapitalisten zu Hungerleidern werden lässt, wird dabei billigend in Kauf genommen, ein Ergebnis der sozialen und humanistischen Grundintention der Idee des Kapitalismus ist dies gewiss nicht!

Deshalb machen die Politiker im Kapitalismus genau die Politik, die die Kapitalisten wollen. Eine andere würde gar nicht zugelassen.
 
e-a-s schrieb:
Nicht der Kapitalismus begeht Verbrechen, sondern die Kapitalisten begehen sie, weil dieses System es ihnen ermöglicht: Im Kapitalismus hat der die Macht, der das Kapital hat, und der möchte eben sein Kapital als Mittel zur Macht immer vermehren.
Lasse ich mal dahingestellt, wer "die Kapitalisten" sind; genau genommen bereits der, der auch nur eine einzige Aktie besitzt. Doch Legion sind die Fälle, in denen dank Demokratie Gesetze gegen die Macht gerade auch des sog. Großkapitals durchgesetzt werden. Nur ein paar Beispiele: Verfassungsmäßige Begrenzungen der Eigentumsverfügung, Unternehmensbesteuerung, Mitbestimmung, Kündigungsschutz, eine uferlose Belastung mit bürokratischen Hemnissen usw. usf. Schier endlos ist die Liste der Regelungen, die gegen den zum Teil erbitterten Widerstand der "Kapitalisten" durchgesetzt wurden. Bitte sehr, wo ist da die Macht des Kapitals?
Und schließlich: Man darf sich "das Kapital" nicht als einen monolithischen Block vorstellen, das hat ja nicht mal Marx getan, sondern die stehen in erbittertem Konkurrenzkampf gegen- und untereinander und wählen durchaus auch andere Parteien. Ich kenne nicht wenige "Kapitalisten", die grün oder SPD wählen.


Deshalb machen die Politiker im Kapitalismus genau die Politik, die die Kapitalisten wollen. Eine andere würde gar nicht zugelassen.

Völlig rätselhaft! "Die Politiker"? SPD, Grüne, Linke, sie alle machen fröhlich vereint die "Politik, die die Kapitalisten wollen"?? - Ich gestehe, selbst von dem Linkesten aller Linken habe ich eine solche Behauptung noch nicht vernommen. - Und wie in aller Welt wollen die Kapitalisten eine andere Politik verhindern, wenn die Wählermehrheit anders entschieden hat?!

Ich weiß nicht recht, e-a-s, wie ich auf so etwas antworten soll. Bin hilflos gegenüber einer solchen Argumentation die allem, aber nun wirklich allem, was in den EU-Staaten täglich an Politik betrieben wird, entgegensteht. Deine Aussage würde nicht einmal für die USA, sicherlich der relativ noch am stärksten kapitalisierte (und deshalb der ökonomisch erfolgreichste) Staat zutreffen. Jüngstes Beispiel: Die EU-Dienstleistungsrichtlinie. Nur zu gern würden "die Kapitalisten" billige Arbeitskräfte aus anderen EU-Ländern beschäftigen; aber nun gelten für sie die Normen des Landes, in dem die Leistung erbracht wird und nicht des Herkunftslandes. - Warum nur haben die das nicht verhindert, da sie doch Deiner Meinung nach die Macht haben und die Politiker das tun, was die Kapitalisten wollen?!

Gr. Ziesemann
 
Ein paar Fragen zur Begrifflichkeit

Ich bin überhaupt kein Gegner "des Kapitalismus", mich irritieren bei diesem Thread aber ein paar Fragen zur Begrifflichkeit.
Zunächst überrascht der Titel: Verteidigung des Kapitalismus". Mein Eindruck war bisher, dass der Terminus "Kapitalismus" eigentlich von dessen Gegnern erfunden bzw. geprägt wurde. Das ist natürlich paradox. Man müsste vielleicht eher sagen: Der Begriff Kapitalismus wurde geprägt, um sich verändernde gesellschaftliche/wirtschaftliche Strukturen mit einem negativ konnotierten Begriff zu erfassen. Meine Frage also: Warum heißt der Thread nicht: Verteidigung der Marktwirtschaft? Mir ist nicht klar, wie man diese Begriffe trennt, bzw wie man den Begriff Kapitalismus "neutral" verwenden kann.
Das zweite ist. Es wird gesagt, Kapitalismus sei ein "System". Kapitalismus sei "sinnvoll erdacht". Da bin ich jetzt sehr irritiert, denn wer hat dieses System denn erdacht?
Ich hätte am ehesten gedacht, Kapitalismus beschreibt das Autonomwerden des Wirtschaftssystems von anderen Gesellschaftssystemen. D.h. der Besitz von Gütern, Geld und Land (Kapital) wird nicht mehr durch Schichten spezifiziert, sondern wird mehr oder weniger frei bewegliche Handelsmasse, zu der nach und nach alle Schichten Zugang haben. Aber dies hat ja niemand erdacht. Dieser Prozess hat sich evolutionär herausgebildet und wurde dann von Theoretikern beschrieben. Diese Theorien wiederumgaben der Politik Leitfäden zur Hand, die Entwicklung durch Gesetze und Regelungen zu begleiten. Aber das ist ein Begleiten, kein Erdenken gewesen, oder? M. E. bleibt das Wirtschaftssystem, das Prinzip der Marktwirtschaft, negativ "Kapitalismus" genannt, autonom.
Es ist ja gerade das Prinzip des Kapitalismus, nicht geregelt zu werden und nicht regelbar zu sein. Daher widerspreche ich auch der These, es gäbe verschiedene Arten des K. z.B. in USA oder Europa. Müsste es nicht genauer heißen: Es gibt verschiedenartige Einschränkungen der marktwirtschaftlichen Prinzipien in verschiedenen Ländern? Kapitalismus als Prinzip der Prinzipienlosigkeit (jetzt nicht moralisch gemeint) kann nur als globales Phänomen verstanden werden. Handel kennt keine Grenzen. Profite kennen nur wenige Grenzen, die schnell überwunden werden usw.

Ich würde sagen: Die Begrifflichkeit des Kapitalismus ist der Versuch, die Gesellschaft als ein fast rein ökonomisches System zu beschreiben, von dem angeblich alles abhängt. Das (ökonomische) Sein bestimmt das Bewusstsein. Die neuere Sozialwissenschaft geht aber davon aus, dass das Wirtschaftssystem nur ein Subsystem unter vielen ist (Politik, Recht, Kunst, Erziehung usw.), dass autonom agiert - und als solches natürlcih keine Verbechen begehen kann, nicht für alles verantwortlich gemacht werden kann, aber auch nicht kontrollierbar ist.

Einer der wichtigsten Streitpunkte der heutigen ökonomischen Theorie ist sicherlich das Zins- und Aktiensystem. Hierin sehen viele Theoretiker eine Gefahr; weil sich Produktivität und Gewinn und Kapital entkoppeln. Hier kann eine Dynamik entstehen, die konträr sein könnte zu den optimistischen Prämissen dieses Threads. Aber das sind dann Probleme, die nichts mehr mit den "klassischen" Problematisierungen im sematischen Dunstkreis von Kapitalismuskritik und Klassenkampf zu tun haben.
Oder?
 
Ziesemann schrieb:
Ich kenne nicht wenige "Kapitalisten", die grün oder SPD wählen.
Diese Behauptung halte ich für anmassend: Oder hast Du denen beim Wählen über die Schulter geschaut?
Du kannst höchstens (Möchtegern)kapitalisten kennen, die behaupten, so zu wählen.
(Selbst letzteres bezweifele ich; um Kapitalist zu sein, der merklich Macht ausübt, muss man schon mehr als nur ein oder zwei Milliönchen sein eigen nennen, und wer bei Grosskapitalisten täglich ein und aus ginge, dürfte wohl kaum Gründe haben, hier so eifrig mit zu posten.)

Und welche Intention hat wohl ein "Kapitalist", der bereitwillig sein persönliches Wahlgeheimnis ausplaudert?
Will er möglicherweise manipulatorischen Einfluss auf sein Image nehmen?
Und ist ihm das vielleicht bei "Kapitalismus-Verteidigern" besonders gut gelungen?


Ziesemann schrieb:
Und wie in aller Welt wollen die Kapitalisten eine andere Politik verhindern, wenn die Wählermehrheit anders entschieden hat?!
Und wie in aller Welt soll die Wählermehrheit anders entscheiden können, wenn die Kapitalisten die Macht zur "Meinungsmache" haben?
So blauäugig kann doch in diesen Foren hier gar niemand sein, dass er die Manipulation der Masse durch die Medien nicht durchschaut.
Seit wann ist denn die Wahrheit in den Medien zu finden, die den Kapitalisten gehören?
Da kann man sie ja gleich in der Kirche suchen (,obwohl die regelmässig dort versammelten Kapitalisten die Suche gewaltig erschweren würden).
 
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Robin, ich bin Dir sehr dankbar für Deinen ernsthaften Beitrag, der sehr diskussionswürdig ist und - Du wirst staunen - ich kann den meisten Deiner Thesen zustimmen.

Robin schrieb:
.
Zunächst überrascht der Titel: Verteidigung des Kapitalismus". Mein Eindruck war bisher, dass der Terminus "Kapitalismus" eigentlich von dessen Gegnern erfunden bzw. geprägt wurde.

Seit Marx wird der Begriff pejorativ benutzt, ist derartig ideologisch befrachtet, dass er sich kaum mehr für einen wissenschaftlichen Disput eignet. - Ich übernahm ihn für diesen Thread auch nur mit Bauchschmerzen, aber weil inallen vorhergehenden Postings stets vom "Kapitalismus" die Rede war, kaum ich kaum umhin. - Mir selbst wäre der Titel "Verteidigung der Marktwirtschaft" viel lieber gewesen; wiederholt habe ich den marktwirtschaftlichen Begriff auch verwendet. Aber das war wohl nicht genug.

.Das zweite ist. Es wird gesagt, Kapitalismus sei ein "System". Kapitalismus sei "sinnvoll erdacht". Da bin ich jetzt sehr irritiert, denn wer hat dieses System denn erdacht?

Korrekt. Zwei Buchstaben sind falsch, statt erdacht" hätte ich schreiben müssen gedacht, jedes System ist eine als sinnvoll gedachte Einheit.

Doch hat die kapitalistische Marktwirtschaft (theoretisch könnte es vielleicht, vielleicht auch eine sozialistische geben) selbstverständlich historische Wurzeln. Sie liegen im Gedanken des Privateigentums der frz. Revolution, der Wirtschaftslehre A. Smith und der Gewaltenteilungslehre des Liberalismus von Locke und Montesquieu.


. Aber dies hat ja niemand erdacht. Dieser Prozess hat sich evolutionär herausgebildet und wurde dann von Theoretikern beschrieben. Diese Theorien wiederumgaben der Politik Leitfäden zur Hand, die Entwicklung durch Gesetze und Regelungen zu begleiten. Aber das ist ein Begleiten, kein Erdenken gewesen, oder? M. E. bleibt das Wirtschaftssystem, das Prinzip der Marktwirtschaft, negativ "Kapitalismus" genannt, autonom.
Ich denke, es ist ein wechselseitiger Prozess. Die Industrialisierung wäre ohne technische Innovationen nicht möglich gewesen, die Idee des Freihandels beschleunigte wiederum die Entwicklung des Transportwesens und die mähliche Etablierung einer liberalen Demokratie mit Individualrechten gab dem Bürgertum die Möglichkeit, sich in der Wirtschaftsgesellschaft zu entfalten, z.B. Abschaffung des illiberalen Zunftsystems.

Lass es mich bitte so versuchen: Das System der kap. Marktwirtschaft bleibt als Prinzip unberührt - und kann natürlich keine Verbrechen begehen, wie ich mehrmals gegen Protest darlegte. Davon aber zu unterscheiden ist die konkrete Ausgestaltung, Wirtschaftsordnung genannt. Und diese Ordnung weist natürlich, wie alle menschlichen Ordnungen, vielfältige Mängel und Defizite auf.


Es ist ja gerade das Prinzip des Kapitalismus, nicht geregelt zu werden und nicht regelbar zu sein. Daher widerspreche ich auch der These, es gäbe verschiedene Arten des K. z.B. in USA oder Europa. Müsste es nicht genauer heißen: Es gibt verschiedenartige Einschränkungen der marktwirtschaftlichen Prinzipien in verschiedenen Ländern?
Du hast genauer als ich formuliert. Ich habe simplifizierend, die in In- und Extensität unterschiedlichen Interventionen in die kap. Funktionsweise einfach als solche des Kap. bezeichnet. Es hätte heißen müssen: Die konkrete Gestaltung der kap. Wirtschaftsordnung, wertfrei: Marktwirtschaft ist in der EU, besonders in D anders als in den USA.

Kapitalismus als Prinzip der Prinzipienlosigkeit (jetzt nicht moralisch gemeint) kann nur als globales Phänomen verstanden werden. Handel kennt keine Grenzen. Profite kennen nur wenige Grenzen, die schnell überwunden werden usw.

Genau, deshalb no comment.

Einer der wichtigsten Streitpunkte der heutigen ökonomischen Theorie ist sicherlich das Zins- und Aktiensystem. Hierin sehen viele Theoretiker eine Gefahr; weil sich Produktivität und Gewinn und Kapital entkoppeln. Hier kann eine Dynamik entstehen, die konträr sein könnte zu den optimistischen Prämissen dieses Threads. Aber das sind dann Probleme, die nichts mehr mit den "klassischen" Problematisierungen im sematischen Dunstkreis von Kapitalismuskritik und Klassenkampf zu tun haben.
Oder?
Die Gefahr sehe ich auch. Zum ersten Mal in der Geschichte der kap. Marktwirtschaft entkoppeln sich in großem Umfang Warenströme und Finanzströme; obwohl ich auch hier denke, "in the long run" bleibt die Basis die produktive Leistung. Nicht zuletzt der Börsenkrach der New economy mit ihren Aktien der elektronischen Kommunikation bewies das. Da wurden Papiere gehandelt, die nichts weiter waren als Zunkunftshoffnungen, kaum mehr wert als ein Lottoschein. -

Und nur dick unterstreichen kann ich, dass diese Problematik mit den klassenkämpferischen Tönen der Antikapitalismuskritik, für die sogar noch die 5000 Jahre alte Prostitution herhalten musste, rein nichts mehr zu tun hat.

Besten Dank, so macht eine Diskussion Freude und bringt geistigen Gewinn - hoffentlich für beide.

Mit freundlichem Gruß - Ziesemann
 
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