Sammelantwort an Robin
Abermals fachlichen Dank, auch für das didaktische Verständnis der Vereinfachung, um verständlich zu bleiben.
Zu
e-a-s fällt mir nichts mehr ein. Ein einziger Blick in die Tageszeitungen eines demokratischen Landes genügt, um mindestens zweierlei zu sehen:
1. Was im Innteresse "des Kapitals" liegt, wird sehr unterschiedlich gesehen.
2. Die Interessen der "Kapitalisten" sind durchaus nicht kongruent. Der Kleinaktionär z.B. hat ein Interesse an hoher Dividende, wie auch die Hedge-Fonds, vulgo: "Heuschrecken", welche die Interessen von Hunderttausenden von kleinen Rentnern vertreten, die verständlicherweise eine möglichst hohes Altersgeld beziehen wollen. - Dagegen will der Großaktionär den Gewinn lieber investieren, um langfristig den Unternehmenswert zu steigern - was so ganz nebenbei neue Arbeitsplätze schafft.
Aber das einzusehen, hieße für einen ideologisierten Antikapitalisten lieb gewonnene Vorurteile über Bord zu kippen.
Robin schrieb:
Erstaunlich finde ich vielmehr, dass sich die überholte Kapitalismuskritik-Semantik immer noch so hartnäckig hält. Übrigens, wie mir scheint, in Foren mehr noch als in den Medien.
In Foren scheint im Bereich Psychologie alles bei Freud aufzuhören. im Bereich Philosophie geht es kaum über Kant hinaus und im Bereich Gesellschaft kaum über Marx.
Mit Endpunkt Marx gebe ich Dir recht, was mich abermals motiviert,
demnächst einen Thread über den großen Mann mit den vielen großen und kleinen Irrtümern zu starten. - Bei den Philsophen dieses Threads habe ich nicht oft genug vorbeigeschaut, um urteilen zu können.
Gerade die Globalisierungs-Kritiker fordern alles andere als Abschaffung oder Beschneidung "des Kapitalismus". Sie fordern den Zugang der dritten Welt zu den internationalen Finanz- und sonstigen Märkten. Sie fordern die Aufhebung marktwirtschaftlicher Einschränkungen, die zu Ungunsten von Entwicklungsländern.
Ich denke, man muss differenzieren. Es gibt die Globalisierungskritiker von der neoliberalen und der sozialistisch-kommunistischen Seite. Erstere fordern, was Du beschreibst. Von ihnen stammt die These, dass die sog. reichen Länder sich die gesamte Entwicklungshilfe sparen könnten, sie würden den E-Ländern mehr helfen, wenn sie die "Festung Europa" schleifen und die Tore öffnen würden.
Hier wurde schon angedeutet, dass auch die so genannte Linke sich längst mit der Marktwirtschaft arrangiert hat -
Dieser Ansicht vermag ich mich leider nicht anzuschließen; eher scheint mir, dass die generelle Zustimmung zur Marktwirtschaft rückläufig ist. Allein schon die Debatte um den Mindestlohn zeigt, wie wenig marktwirtschaftliches Verständnis vorhanden ist. Denn entweder ist er unterhalb dessen, was der Markt gemäß Produktivität sowieso zu zahlen bereit ist, dann braucht man ihn nicht. Oder er liegt darüber (also über dem sog. Gleichgewichtslohn), dann wird niemand zu diesem Mindestlohn eingestellt und bleibt eben arbeitslos.
Auf der anderen Seite engagieren sich Unternehmen für kulturelle und soziale Zwecke. Das Herumreiten auf der Kapitalismussemantik beweist ein geistiges Leben im Gestern und erstickt neues Denken.
Zurecht schreibst Du, sie tun es nicht "uneigenützig" (was ich versehentlich gelöscht habe). Das ist doch die geradezu geniale Entdeckung des Liberalismus, dass Wirtschaft kein Nullsummenspiel ist, bei dem der Vorteil des einen durch den Nachteil des anderen errungen wird. Arbeitsteiliges Wirtschaften, die freie Tauschwirtschaft, bringt für
beide Vertragsseiten Vorteile. Wer an Nullsummenspiele glaubt (genau genommen Minusspiele weil nur ein Teil ausgeschüttet wird), möge in die Lotterien gehen.
Du hast die amerikanische Wirtschaft gelobt. Aber die Frage ist schon, ob der Erfolg auf der Liberalität beruht oder nicht doch auf der geschickt verdeckten "Korrumpierung" des Systems - durch Ausnutzung der Vormachtstellung, durch überhöhte Kreditaufnahme, Zollbeschränkungen usw.
Habe ich sie gelobt? Sie hat allerdings unter den entwickelten Volkswirtschaften die höchsten Wachstumsraten. Ihr Arbeitsmarkt ist wenig geregelt, die Unternehmensgründungen sind leicht, die Bürokratie gering.
Richtig ist allerdings, dass die USA "auf Pump" leben, weshalb auch ich langfristig mit ihrem Verlust der Hegemonialstellung rechne, aber das wurede erst vor einigen Wochen in einem von mir initiierten Thread (leider nur schwach) diskutiert.
Aber ich bin mir sicher, dass man mit einer Gesellschaftsbeschreibung, die alles von der Ökonomie abhängig macht und dann behaupten muss, alles sei manipuliert, geschähe "im Interesse" von Kapitalisten, die Menschen seien womöglich nach wie vor Opfer des "Warenfetischismus", "entfremdet", "verdummt" usw., wird theoretischen Schiffbruch erleiden.
Man hat ihn längst erlitten, nicht zuletzt empirisch widerlegt. Selten hat uns die Geschichte die Gnade erwiesen, eine Lehre so gründlich zu widerlegen wie die des marxistischen Sozialismus; aber mir scheint manchmal, dass die Menschen auch diese Geschichtslektion nicht lernen wollen.
Ist mir ein Vergnügen, lieber Robin, hoffentlich bald auf ein Weiteres.
Ziesemann