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Kultur des Verbots - Absage an die Vernunft?

AW: Kultur des Verbots - Absage an die Vernunft?

wenn man dem einzelnen menschen alles zumuten kann, wozu müssen wir dann eigentlich noch regiertwerden?

wenn man alles als freiheitsentzug sieht, dann ist jedes gesetz eine begrenzung unserer freiheit, die es zu besiegen gibt!

wenn man meint, dass ein rauchverbot, oder ein computerverbot ein angriff auf unsere freiheit ist, dann ist auch das gesetz zur verbietung von drogen ein fehlerhaftes. achja auch das verbotsgesetz.

gsetzte sind da, um das leben in der gesellschaft zu regeln. gesetze sollen verhindern, dass menschen auf eine ungerech und weise zu zielen anderer mensche werden.

1) wenn nichtraucher ständig von rauchern belästigt werden, dann ist das eine frechheit!

2) weiters ist eine frechheit, dass es nichtraucher-bereiche gibt! es sollte rauchereiche gben, wo diejenigen rauchen sollten, die auch rauchen wollen. ein kammerl in jedem restaurant, aber grundsätzlich sollten öffentliche plätze nichtraucher-zonen sein.

3) rauchen ist eine droge, genauso wie computer spielen. hanf ist auch eine droge und durch das gesetz verboten. nur muss sich ein drogensüchtiger nicht fragen, warum er seiner freiheit beraub wird? warum darf er nicht seine drogen nehmen? wieso ist dass illegal, aber rauchen nicht, obwohl es doch auch bekanntlich eine droge ist?

4) schon der gesellschaftsvertrag von rousseau besagte, dass wenn wir eine gesellschaft eingehen, gewisse rechte abgegeben werden. freiheit als solches gibt es in der gesellschaft nicht!
 
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AW: Kultur des Verbots - Absage an die Vernunft?

(...)
gsetzte sind da, um das leben in der gesellschaft zu regeln. gesetze sollen verhindern, dass menschen auf eine ungerech und weise zu zielen anderer mensche werden.

:ironie:
Ich bin dafür, dass Autofahren nur noch in geschlossenen, abgegrenzten und lärmgedämmten Räumen erlaubt werden darf. Wie kommt die gesamte Umwelt dazu, sich die Luft verpesten zu lassen. Und erst der Lärm!

Freiheit, mit Empörung kommen wir nicht weiter, das endet immer im Streit, wer Recht hat. Und dieser Streit geht endlos dahin, da immer alle irgendwie Recht haben.

@ Himmelblau: Ich verstehe nicht, warum eine Straße ohne Geschwindigkeitsbeschränkung so schrecklich ist. Das Fehlen von Vorschriften heißt doch nur, das die Verantwortung beim Einzelnen liegt. Ich bin alt genug um noch Zeiten erlebt zu haben, wo es weder Vorrangtafeln noch Geschwindigkeitsbegrenzungen gab in unserer Gegend. Die Autofahrer konnten noch selbst einschätzen, wie schnell sie um die Kurve fahren konnten, ohne sich und andere zu gefährden. Und heutzutage gibt es kaum noch Straßen, auf denen man so schnell fahren kann, als erlaubt wäre. Vor allem zu den Zeiten, wo alle unterwegs sind. Und diejenigen, die die anderen immer wieder gefährden, sind durch Verbote auch nicht zu bremsen.

Ich plädiere hier nicht für eine Abschaffung der Geschwindigkeitsbeschränkungen, weil sie schon viel zu lange Usus sind. Aber als leuchtendes Beispiel für den Segen von Vorschriften lasse ich sie nicht gelten.

Ich hab Robins Thema überhaupt so verstanden, dass die Vernunft des Einzelnen immer weniger gefordert wird, je mehr "von oben" geregelt wird. Das bewirkt mMn ja gleichzeitig, dass diese Vernunft verkümmert, dass der Einzelne die Fähigkeit verliert, selbst einen Zusammenhang zu sehen zwischen seinem Verhalten und den Auswirkungen, die es aufgrund der vorherrschenden Umstände hat.

@ Robin, verstehst du mich absichtlich miss?
Also das verstehe ich jetzt nicht. Ist es nicht egal, wo das Verbot einsetzt? Wenn man die Produktion unterbindet, beraubt man die Menschen doch genauso der Möglichkeit der Erfahrung. Und auch dann stellt sich wieder die Frage: Wer erteilt Verbote und mit welcher Legitimation? Ist das dann demokratisch?
Wenn wir die Verbotsschere noch früher ansetzen, entmündigen wir soch sogar noch mehr, denn so können die Dinge erst gar nicht öffentlich diskutiert werden???
Oder war das ironisch gemeint?
Wenn es denn schon notwendig ist, die Menschen vor der angeblich negativen Erfahrung zu schützen, indem man ein Produkt z.B. als gesundheitsgefährdend deklariert, dann müsste man eigentlich die Produktion verbieten. Hast du jetzt verstanden was ich meine? Öffentlich Diskutieren ist derzeit ja auch nicht so gefragt. Oder?
Und demokratisch ist das sowieso nicht. Ironisch? Wahrscheinlich.

@ Zwetsche: Ja, so fingen die Verbote immer an. Erst musste jemand geschützt werden, dann wusste niemand mehr, warum es ein Verbot gab, aber weil es eben schon da war, wurde es beibehalten. Und solche Vorschriften gibt es in rauhen Mengen, obwohl die keiner mehr versteht. :mad:

Es wird ja längst nur noch so getan, als wären alle diese Verordnungen und Verbote zu unserem Schutz. Mein Vertrauen in die Redlichkeit eines Geschäftsmannes ist nicht mehr vorhanden. Sobald mir jemand irgendetwas verkaufen will, ordnet sich alles, was er dazu sagt, dieser Absicht unter. :megaphon: Das ist nichts Böses, das ist der normale Mechanismus, wie es eben funktioniert.

Ich verwende lieber meine eigenen vernünftigen Fähigkeiten :kugel: statt jemandem etwas zu glauben, der es "gut mit mir meint" und selber davon profitiert.

:geist: :tanzen: :)
lilith
 
AW: Kultur des Verbots - Absage an die Vernunft?

@ Zwetsche: Ja, so fingen die Verbote immer an. Erst musste jemand geschützt werden, dann wusste niemand mehr, warum es ein Verbot gab, aber weil es eben schon da war, wurde es beibehalten. Und solche Vorschriften gibt es in rauhen Mengen, obwohl die keiner mehr versteht. :mad:

Es wird ja längst nur noch so getan, als wären alle diese Verordnungen und Verbote zu unserem Schutz. Mein Vertrauen in die Redlichkeit eines Geschäftsmannes ist nicht mehr vorhanden. Sobald mir jemand irgendetwas verkaufen will, ordnet sich alles, was er dazu sagt, dieser Absicht unter. :megaphon: Das ist nichts Böses, das ist der normale Mechanismus, wie es eben funktioniert.

Ich verwende lieber meine eigenen vernünftigen Fähigkeiten :kugel: statt jemandem etwas zu glauben, der es "gut mit mir meint" und selber davon profitiert.

:geist: :tanzen: :)
lilith

Guten Morgen lilith,

war das jetzt ironisch gemeint?

Natürlich profitiere ich laufend davon. Wie sollte ich ohne Verbote meinen Lebensunterhalt verdienen? Ohne Verbote müßte ich nicht diejenigen vertreten, die dagegen verstoßen, oder?

Aber mal im Ernst: Ich bringe Dir mal drei Beispiele, dann wird meine These vielleicht etwas transparenter. Nimms mir nicht krumm, dass ich mich dabei auf deutsche Normen beziehen, zu einer Exegese fehlt mir jetzt die Zeit und Lust:

1. Mietrecht: In den §§ 535 ff BGB sind zahlreiche Vorschriften, die dem Schutz des Mieters dienen, als (so sah es zumindest der Gesetzgeber) vermeintlich schwächere Partei, zumindest die Partei, die in der Regel nicht den Vertrag stellt (die Verträge sind nämlich fast immer durch Interessenverbände des Vermieters vorbereitet). Dem setzt das BGB eine klare Grenze. Kein Mieter kann so z.B. ohne besonderen Grund einfach gekündigt werden. Ähnliches Beispiel: Kündigungsschutzgesetz.

2. AGBG, d.h. inziwschen - leider verunglückt in der Sortierung - in den §§ 305 ff BGB nF.. Die ursprüngliche Vorstellung des Gesetzgebers (als die BGB um 1900 entstanden) lag in einer Waffengleichheit der Vertragspartner. Dies hat sich längst durch das "Kleingedruckte" (die Allgemeinen Geschäftsbedingungen) in Massenverträgen überlebt, das insbesondere der geschäftsunerfahrene Laie weder durchliest noch - sollte er es ernsthaft tun -versteht. Dessen Schutz bezwecken die Vorschriften, es wird festgelegt, wo die Grenzen der Einbeziehung und des inhaltlich möglichen sind. Gar nichts wird mehr ausgehandelt in der Praxis, jedenfalls kaum noch, schau Dir nur mal die eigenen Verträge an, die du so in den letzten Jahren, Wochen, Tagen geschlossen hast. Wie viele davon wurden denn ausgehandelt? Frau/ Man kann gern auch gleich in den BGB weiterlesen. In den folgenden Kapiteln des allgemeinen Schuldrechts finden sich zu Hauf Verbraucherschutzvorschriften, ohne die der Laie wahrlich arm dran wäre, die u.a. den Besonderheiten der modernen Kommunikation Rechnung tragen (z.B. Fernabsatzverträge).

3. Zuletzt einmal das Strafrecht, obgleich das nicht auf den ersten Blick deutlich werden mag. Aber ohne das Strafrecht würde der wirtschaftlich Stärkere sich nehmen was er will, was soll ihn denn davon sonst abhalten?

Und darauf zu hoffen, daß die Menschen sich sozusagen durch einen dialektischen Prozeß von selbst als soziale Wesen benehmen ist - mit Verlaub -völlig blauäugig, ganz im Gegenteil, das Abschaffen von Regeln als Leitmotiv sind gerade Forderungen, die z.B. dem Raubtierkapitalismus Tür und Tor öffnen. Auch die soziale Marktwirtschaft ist gegenüber der (z.B. in den USA bestehenden) "freien" Marktwirtschaft wesentlich reglementierter.

Das soll aber kein Plädoyer für einen radikalen Reglementierungsstaat werden, natürlich geht es auch darum, Eigenverantwortung zu fördern und zuzulassen, aber nicht um jeden Preis. Ich lebe lieber hier als im Wilden Westen (instruktiv zum Ganzen und weitaus unterhaltsamer als die dröge Gesetzeslektüre, der Klassiker "Mein großer Freund Shane"...übrigens, kann mir einer der Filmfans im Forum erklären, ob Shane nun am Ende überlebt hat oder doch an der Kugel gestorben ist? Wäre mal ein Thema für einen eigenen thread.)

Gruß
Zwetsche:mad:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
AW: Kultur des Verbots - Absage an die Vernunft?

@ Robin, verstehst du mich absichtlich miss?

Wenn es denn schon notwendig ist, die Menschen vor der angeblich negativen Erfahrung zu schützen, indem man ein Produkt z.B. als gesundheitsgefährdend deklariert, dann müsste man eigentlich die Produktion verbieten. Hast du jetzt verstanden was ich meine? Öffentlich Diskutieren ist derzeit ja auch nicht so gefragt. Oder?
Und demokratisch ist das sowieso nicht. Ironisch? Wahrscheinlich.
Ist Verstehen absichtlich möglich :D ?
Was mir an deiner Argumentation nicht gefällt: Du scheinst unterscheiden zu können zwischen der "bösen" Produktion und den "unschuldigen" Konsumenten. Hinter der Produktion stehen aber auch nur Menschen, Menschen mit Ideen, die sie umsetzen wollen. Sind die weniger wert? Dieses "wenn es notwenig ist [...] zu schützen" erscheint mir wie ein logisches Ausweichmanöver, dass sich eben vor der Frage drückt, wie es denn nun mit der allgemeinen Vernunft aussehen kann.
Zu der Geschwindigkeitsbegrenzung: Früher gab es erheblich mehr Verkehrstote...Notwendiger Preis der "Freiheit"?
Worum es in diesem Thread geht: Um all das, was hier diskutiert wird. Aber ich erhoffe mir noch ein bisschen mehr Beleuchtung der Frage, was denn nun mit der Vernunft los sei? Hier wird damit sehr paradox umgegangen, so etwa in dem Stil: Vernunft wäre eine schöne Sache, wenn die Menschen nicht so unvernünftig wären ;)
Ich denke nicht, dass es an den Menschen liegt: An der Idee der Vernunft muss etwas falsch sein...

Un:sekt: vernünftige Grüße
 
AW: Kultur des Verbots - Absage an die Vernunft?

Na ja, vielleicht liegt es auch an den sicherer gebauten Autos, der besseren und schnelleren medizinischen Versorgung der Opfer... es lässt sich wahrscheinlich nicht mit letzter Sicherheit sagen
Robin schrieb:
Früher gab es erheblich mehr Verkehrstote...Notwendiger Preis der "Freiheit"?
Aber das Wort "Freiheit" reizt mich unheimlich, Robin. Du erlaubst? Hi hi hi, schwierig, es mir zu verbieten, gell?

Vernunft ist sicher sehr individuell, eine Universalvernunft gibt es nicht, oder? Vielleicht gibt es die Vernunft ja auch gar nicht und es ist nur die persönliche Grenze der Angst, die wir so schön Vernunft nennen. Hat aber natürlich sehr mit den Charaktereigenschaften, dem Temperament, der Mentalität des Einzelnen zu tun (ihr könnt euch aussuchen, welcher Begriff hier besser passt, ich weiss es nicht).

Was brach man früher als es noch nicht so viele Verbote gab? Doch Tabus, nicht? Oder noch besser: die Zehn Gebote. Nicht mal die heilige Kirche konnte erreichen, dass man (und frau *lol*) nicht die "Ehe brach". Ich bin nämlich der Meinung, dass es eben nicht nur mit dem "verfluchten" Trieb zu tun hat, das wäre doch zu einfach (und dieser ja gerade in der Ehe zu befriedigen!). Viel mehr hat es mit dem Reiz des Verbotenen zu tun, dem Gefühl, wieder ein bisschen Freiheit zu geniessen, das hier ohne Rücksicht auf die bevorstehende Beichte (in der Kirche oder zu Hause) ausgekostet wird. Ich bin zwar nicht verheiratet, aber das gilt natürlich gleichermassen auch für Partnerschaft. Je mehr einer der Partner auf Treue pocht (Eifersucht, ob krankhaft oder normal!) desto enger wird das Korsett geschnürt und die Sehnsucht nach ein wenig Freiheit (wenn auch nur scheinbarer) grösser. Kommt mir jetzt ja nicht mit "Liebe", denn die wird m.M.n. in den meisten solcher Ausbrüche überhaupt nicht tangiert. Wohl erst hinterher, meine ich jetzt theoretisch *loool*.

Aber ich kann noch simpler: Auf vielen Schulplätzen wurde den Schülern das Rauchen verboten. Fein. Und was erreichte man damit? Die Schüler reizt das Verbot. Das Tabu muss gebrochen werden, also rauchen sie auf der Strasse, gleich dem Schulhof angrenzend, wo das Verbot nicht (noch nicht) gilt. Viele Pädagogen sind sich einig, dass das Verbot eher die jüngeren Schüler reizt, mit Rauchen anzufangen (auch von ihnen muss ja noch das Tabu gebrochen werden), statt sie abzuschrecken, obwohl ja die meisten sonst als intelligent und "vernünftig" einzustufen sind. Es ist der Reiz des Verbotenen, der Kick, das Gefühl, für ein paar Minuten "frei" zu sein. Gab es früher genauso. Ich kann mich erinnern, dass an allen, ob öffentlichen oder privaten Schulen und Internaten, die ich je beglückte, das Rauchen streng verboten war. Die Toiletten waren in der Pausen so Rauch verpestet, dass frau diese eigentlich nur mit Gasmaske betreten dürfte. Ich war nie vernünftig, es reizte mich unheimlich, das Tabu auch mit zu brechen, aber "leider" schmeckte mir das Rauchen nie... na ja, dafür flog ich wieder für andere Tabu-Verstösse raus *lool*.

Was ist mit jugendlichen Rasern? Schnell (zu schnell) zu fahren, vermittelt ebenfalls das Gefühl der Freiheit, das nur durch Angst gebremst werden kann. Aber wir können es auch Verantwortungsgefühl nennen, wenn euch Angst nicht gefällt, obwohl es (wenigstens für mich) nichts anderes bedeutet. Ich trage Verantwortung, also habe ich Angst, dass...,dass, dass...

Und werden nicht gerade die Verbote und deren Ueberschreiten, d.h. die Vermittlung des Gefühls der Freiheit von der Werbung aufs Wunderbarste genützt? Ich denke doch und denke dabei gerade an Zigarettenwerbung (wird ja wahrscheinlich eben aus diesem Grunde vielerorts bereits verboten) und Autowerbung.

Und es gefällt mir ganz besonders, jetzt an dieser Stelle noch etwas unterbringen zu können, womit ich nicht genau wusste wohin.

Ich finde es lustig (und damit stehe ich wohl allein...macht gar nichts!), dass uns hier ausgerechnet drei (einen dritten füge ich flugs jetzt noch dazu *lol*)
südamerikanische Tabubrecher beschäftigen, gibt es in Europa keine mehr, wurden die verboten? :autsch:

Da wäre zuerst (weil seit geraumer Zeit hier sehr angefeindet) der Kolumbianer Fernando Botero (geb. 1932), der die Frechheit *loool* besitzt, z.T. unheimlich füllige Menschen darzustellen. (Dass diese Menschen oft keine Gesichtszüge besitzen, und dass dahinter die Idee, Raum mit Mensch zu füllen, statt umgekehrt, steckt, das interessiert nicht soooo sehr, man beschäftigt sich nicht mit dem Künstler, sondern kritisiert unqualifiziert seinen Stil.)

Da wäre der Argentinier Javier Prato, der freche Jesus-Tabubrecher, der auch Atheisten/Agnostiker und Hüter des guten Geschmacks auf den europäischen Plan ruft. Auch dahinter steckt eine Idee, aber eben, es ist ja geschmacklos, sooo was gehört sich nicht.

(An dieser Stelle käme auch noch die Tabubrecherin Catherine Marie-Agnés Fal de Saint Phalle, auch und besser als Niki de Saint Phalle bekannt, die hier auch schon für Aufregung sorgte, ohne dass man sich mit ihrer Kunst näher beschäftigte, aber sie war Französin...bis sie den Schweizer Künstler Jean Tinguely heiratete und scheidet leider in dieser südamerikanischen Sündergruppe aus.)

Also kommt jetzt noch (weil alle guten Dinge...) der Peruanischer Tenor Juan Diego Flórez und bricht ein 74-jähriges Tabu, das euch vielleicht wenigstens ein Schmunzeln entlockt, in dieser so traurigen Runde:

An der Oper werden ja hervorragend gebrachte Arien oft mit Szenenapplaus belohnt. 1933 hat der russische Bass Shaliapin an der Scala eine Arie aus Barbiere di Siviglia so viel Applaus bekommen, dass er sich "gezwungen sah", die Arie nochmals zu singen. Der Stardirigent Arturo Toscanini verbot es in der Folge strengstens und alle hielten sich brav an dieses Verbot. Auch Callas und Domingo und wie sie alle hiessen... bis eben jetzt Floréz kam und die umjubelte Arie "Ah! Mes amis! aus Donizettis "La fille du régiment" halt nochmals sang. Verbot hin, Verbot her, soll doch der "grösste Dirigent" im Grabe rotieren. Und was machen die italienischen Medien (auf ihre Reaktion hat "man" mit angehaltenem Atem *lol* gewartet)? Unisono loben sie den Tenor nicht nur für seine Spitzenleistung, sondern auch für seinen Mut, das Tabu gebrochen zu haben!
Tja, so geht's manchmal dem Verbot.

Ich zitiere nicht sooo gern, weil so mancher grosser intellektueller Gedanke nicht so richtig in meinem kleinen Kopf passt, aber wenn ich mich bediene, dann klaue ich die schönsten und erst noch aus einem vollkommen anderen Zusammenhang. Es ging dabei um Algerien und das Zitat stammt von einem namenlosen Journalisten:

Das Schweigen, das uns auferlegt wird, tötet uns ein zweites Mal.

Soooo schön!

PS: Hat jemand bis zu Ende gelesen? Danke schön. :kuss1:
 
AW: Kultur des Verbots - Absage an die Vernunft?

Robin schrieb:
Ich denke nicht, dass es an den Menschen liegt: An der Idee der Vernunft muss etwas falsch sein...

Celine schrieb:
Vernunft ist sicher sehr individuell, eine Universalvernunft gibt es nicht, oder? Vielleicht gibt es die Vernunft ja auch gar nicht und es ist nur die persönliche Grenze der Angst, die wir so schön Vernunft nennen. Hat aber natürlich sehr mit den Charaktereigenschaften, dem Temperament, der Mentalität des Einzelnen zu tun (ihr könnt euch aussuchen, welcher Begriff hier besser passt, ich weiss es nicht).

Eine Kultur des Selbstzweifel?

Ich vertraue meiner Vernunft, der situationsabhängigen Mischung aus logischem und emotianlem.
 
Opera is not dead - it just smells funny

Ein Freund erzählte mir, eine Michael-Hanecke-Inszenierung von Don Giovanni habe in einem der Opernhäuser von Paris einen veritablen Sturm der Entrüstung erzeugt. Als es in einem modernen Haus wiederaufgenommen wurde, gab es einhellig Beifall.
Einerseits hängt die Art der Grenzverletzung mit dem Rahmen zusammen, in der sie statt findet - andererseits mit der offensichtlich sehr schnellen Gewöhnung.
In Berlin würde eine mäßig aktualisierte Oper wohl kaum einen "Skandal" auslösen. Der Leute sind hier vielleicht mehr gewöhnt...

Wie dem auch sei: Es ist ein universelles Prinzip: Sich Beschränken um Freiheitsgrade zu entwickeln. Das gilt z.B. für Meditation (bewegungslos werden, in-sich-versinken, um transzendente Erlebnise zu haben), für Musik (harmonische Regeln, um Improvisation plausibel wirken zu lassen, kontrapunktische Strenge für universelle Schönheit), für Evolution (größtenteils vorgegebene Möglichkeit, sich genetisch zu replizieren versus die Möglichkeit durch Mutation doch Weiterentwicklung zu erzielen), für die Liebe (Freundschaft versus Leidenschaft oder emotionale Sicherheit versus emotionale Achterbahnfahrt) und eben auch ganz allgemein für die Gesellschaft.

Daher plädiere ich dafür, auch die Vernunft als Zwei-Seiten-Form aufzufassen. Die Vernunft wird nur erfahrbar durch ihr Gegenteil, die Unvernunft. Nicht wie in der Dialektik wechseln sich Vernunft und Unvernunft ab - sondern sie treten immer zusammen auf wie Bild und Bilderrahmen, Gestalt und Schatten, Schall und Hall.
Was sich jeden Moment verschiebt, ist die Grenze zwischen den beiden Antagonisten. Wird die Gesetzgebung vernünftiger, werden die Menschen mehr entmündigt. Wird dem Menschen mehr zugemutet, erscheint die Gesetzgebung unvernünftig, weil sie die Schwachen nicht schützt.

Die Zwei-Seiten-Form kann sich auch in ein und der selben Person zeigen. Etwa jemand, der mit Killerspielen konfrontiert wird und qua Vernunft die schlechten Seiten der Gewaltverherrlichung erkennt - und diese Seite dann anderen Menschen per Gesetz vorenthalten will. Unternimmt er jedoch nichts, wird ihm auch UNvernunft vorgehalten - weil er die schutzlosen nicht schützt.

Ja, es gibt keine allgemeine Vernunft. Nur eine Zwei-Seitenform, die immer mitläuft. Die sich momenthaft verschiebt, je nachdem, in welcher Zeit, von wem, in welchem Zuammenhang sie artikuliert wird. So bleibt die Vernunft stets unruhig, ambivalent und nistet sich niemals bei jemandem fest ein...

Das Tabubrechen in der Kunst scheint mir eine sehr abgenutzte Form zu sein. Vielleicht kann das Tabubrechen für einen kurzen Moment authentisch sein - doch im nächsten Moment wird der Tabubruch schon durch den Skandalmechanismus ad absurdum geführt. Es gibt vielleicht heute keinen unkalkulierten Tabubruch mehr - es sei denn in rückständigen Künsten, wie der Oper ;)
Aber auch diese Ansicht hat eine zweite Seite. Es könnte ja schon längst zu einem Backslash gekommen sein, ohne dass es dem Autor dieser Zeilen bewusst wurde...
 
Liebe und Vernunft

Das stimmt, es geht beim Fremdgehen nicht nur um Geilheit.
Fremdgehen ist die andere Seite der Vernunft der festen Beziehung.
Deklinieren wir doch die Liebe durch die Vernunft:
Die eine Seite findet es vernünftig, Erfahrungen zu sammeln, z.B. in der Jugend. Dann springt man von Affäre zu Affäre - bis man genug Vernunft gesammelt zu haben glaubt, um eine feste Beziehung einzugehen.
Die andere Seite "spart sich auf". Bis zur Ehe. Das gibt es jetzt wieder vermehrt. Manche Leute halten das wieder für vernünftig. Als hätten sie eine angeborene Vernunft, die Erfahrungen nicht nötig hat. Nur die eine, letzte, ultimative: Den/die Richtige/n getroffen zu haben.
Wie dem auch sei, landet man irgendwann in der "festen" Beziehung. Die erscheint vor allem vernünftig für die Fortpflanzung. Und das Vertrauen. Die Stabilität und die Zukunft. Doch die Vernunft kann einem auch sagen:
Es gibt da die andere Seite. Die reizvolle dunkle Seite. Das Neue. Das schon bekannte Neue, man kennt es von früher. Man winkt ab: "Kenn ich schon" - und doch zuckt es in den Fingern, wie wenn man eine alte Nummer doch wieder anrufen möchte...
Das kann man ja vernünftig regeln. Das mit der Unvernunft. Man kann fremdgehen und das Risiko kalkulieren. Aber die kalkulierte Unvernunft ist einem vielleicht zu vernünftig. Man versucht, die Flamme gleichmäßig zu halten - bis die Gasleitung an ganz anderer Stelle aufplatzt.
Oder man regelt es zusammen. Steht dem Anderen die Unvernunft zu. Stellt Regeln auf. Betrüg mich, aber sag's mir nicht. Die Kinder dürfen's nicht mitbekommen. Und nimm immer Kondome.
Aber auch diese Regeln reizen, sie zu brechen. Und wie soll man unterscheiden, wo die Langeweile herkommt? Von der Beziehung? Von dem Hintergehen der Beziehung? Was ist das denn für eine Beziehung, die man hintergehen muss, dass sie stabil ist?
Und man vergisst, dass man es ja auch mit Treue hätte versuchen können. Und betrügt die untreue Beziheung mit einer anderen - bei der man sich vornimmt, diesmal treu zu sein...
Andere haben es vielleicht gleich mit Treue versucht. Die Vernunft sagt: Stabilität ist wichtig. Abwechslung muss nicht Partnerwechsel bedeuten. Man baut zusammen etwas auf. Vielleicht wird das Treue-Spüren nie langweilig. Weil einem die Beobachtung der Umwelt zeigt, wie fragil die Treue ist. Die UNvernunft der Anderen, die sich als Aufklärung tarnt, führt es einem vor Augen. So wie die werden wir nicht enden - auch wenn wir dafür Entsagung in Kauf nehemen müssen.
Nicht unbedingt die Entsagen von Sex.
Sondern - die Entsagung der Unvernunft.

Und das Alter kommt bestimmt.
 
AW: Kultur des Verbots - Absage an die Vernunft?

Na gut, Robin, hätte ich geschwiegen, wär ich ne bedeutsame Philosophin geblieben *loool*, aber egal, für wie missraten ich mein "Plädoyer" jetzt halten muss, genauso muss ich dir ein wenig widersprechen:

Der Skandal war ziemlich genau vor einem Jahr in der Oper Garnier in Paris. Die Sänger ernteten noch Applaus, obwohl ihre Leistung nicht über alle Zweifel erhaben war, der Dirigent bekam fast Haue, aber erst das Erscheinen des Aufführungsteams auf der Bühne löste die richtige Kontroverse (die natürlich unterschwellig schon während der ganzen Aufführung gärte) aus. Es war am Mozarts 250., und wenn du sagst "eine mässig aktualisierte Oper", dann bist du sehr schlecht informiert worden. Oder ist es in Berlin schon "mässig", wenn man den ärmsten Don Giovanni in eine heutige Chefetage versetzt und ihn "sexbesessenen Karrierefrauen" ach, sooo schutzlos überlässt? *loooool* Ja, darüber kann ich herzlich lachen, denn du musst dir dabei auch noch die mit rotem Samt ausgeschlagene Oper vorstellen!
Und du möchtest mir im Ernst klar machen, dass es sich dabei
Es gibt vielleicht heute keinen unkalkulierten Tabubruch mehr - es sei denn in rückständigen Künsten, wie der Oper
um keinen unkalkulierten Tabubruch handelte? Ich bitte Dich! Gerade ich der Oper sind sie doch genau kalkuliert, weil sie so verstaubt ist! Und Berlin soll eine Ausnahme sein? Dann erinnere ich nur an die zwei Skandale um Idomeneo. Beim aktuelleren wird (vom Hören Sagen!!!)ja sogar gemunkelt, dass er die Berliner Oper, die ja international nicht viel zu sagen hätte, wieder mal ins Gespräch bringen sollte. Aber was könnte Mozart und der Oper noch Besseres passieren als die heutigen Skandale?

Einerseits hängt die Art der Grenzverletzung mit dem Rahmen zusammen, in der sie statt findet - andererseits mit der offensichtlich sehr schnellen Gewöhnung.

Da gebe ich dir Recht, allerdings gilt dies für alle Städte.

Gut, Tabubrechen mag ja in der Kunst eine abgenutzte Form sein, die Fragen der Philosophie aber auf ihre Art genauso und doch wird von jeder Generation das Rad neu erfunden, besser: der Versuch dazu gestartet und es kommt dabei dann und wann auch was Neues heraus.

Ich (wir alle natürlich) habe wie immer die Wahl, die Freiheit *loool*:
kann mich auch, so wie es früher notwendig war, um bei Tisch eine gute Figur zu machen, durch all die philosophischen Traktate von Wittgestein & Konsorten durchbeissen, oder aber... es auch sein lassen und ganz bequem aufhören, überhaupt den Denkversuch zu starten. Dann sage ich nur: Für dieses ganze Verbote+Vernunft-Malaise ist der mediale Overkill, der Bush-Clan, Viagra, Microsoft, Lounge-Musik, Erölpreis, Ozonloch, Michel Houellebecq, Tsunami, Botero, Glasnost, Prato, Glabalisierung, Vereinigung, Ecstasy-Pillen, ach, es würde mir bei Gelegenheit noch eine ganze Menge einfallen, um "dabei" zu sein und auch locker und easy dabei, wenn es darum geht, durchs moderne Leben souverän zu cruisen. :teufel2: .
Nein, ich habe sogar noch zwei weitere Möglichkeiten: ich könnte mich einer (am bequemsten der, die im Taufschein steht) Religion anschliessen oder endlich auf meinen Herrn und Gebieter ;) hören, mich nicht mehr unnütz aufregen und aufregen lassen und "zu Hause bleiben".

:clown3: (vernünftig sein Pfffft!, sooooo langweilig!)
 
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AW: Kultur des Verbots - Absage an die Vernunft?

Robin, ich könnte dich jetzt in diesem Moment erwürgen! Ganz ohne Spass. Aber egal...du hast es wohl anders verstanden, oder möchtest jetzt deine Version der Vernunft daran aufzeigen. Es ging mir um das "Verbot" und die "Freiheit", wenn es tatsächlich so rüberkam wie du es jetzt interpretierst, so habe ich endgültig versagt.

Vielleicht sollte ich vernünftigerweise nur noch schreiben, wen ich vermisse und dann höchstens noch, was mich glücklich macht...
 
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