Hallo Gisbert,
auch ich möchte mich nicht für einen der Punkte entscheiden, vielmehr denke ich, dass eine Vielzahl von menschlichen Bedürfnissen das Vorhandensein von Glaubensgemeinschaften bedingen.
Dass sich durch unsere wachsenden wissenschaftl. Erkenntnisse alte Weltvorstellungen nur mühsam sinnig halten lassen hat meineserachtens keine unbedingte Auswirkung darauf, dass viele Menschen schlicht eine absolute Weltvorstellung benötigen, um stabil sein zu können.
Selbst viele Wissenschaftler, die tagtäglich hoch abstrakte Forschung betreiben, sitzen am Sonntag in der Kirche und beten zu ihrem Gott. Das hat nichts mit mangelnder Bildung oder Intellekt zu tun, sondern mit Grundbedürfnissen des Menschen, die sich von Mensch zu Mensch unterscheiden mögen und in ihrer Vielzahl kaum erfassbar sind, dennoch aber den Menschen damals wie heute prägen.
Auch ich, der ich mich nie mit gängigen religiösen Vorstellungen anfreunden konnte, spüre ein gewisses Bedürfnis nach solch einer absoluten Vorstellung irgendwo tief in mir verwurzelt oder zumindest möglich. Schließlich bin ich mir nicht sicher, ob es nicht doch eine absolute Wahrheit, eine ultimative Antwort auf alle Fragen, ja, gar einen Urgrund gibt. Ich sehe aber allein wegen der Möglichkeit, dass es so sein könnte und vielleicht ein transzendentes allmächtiges Wesen unser Geschick (das, was man allgemeinhin als Zufall zu bezeichnen pflegt) lenkt, keine Veranlassung für mich gegeben, diesem Wesen zu huldigen oder mein Handeln, was ich scheinbar selbst zu bestimmen vermag, dem in irgend einer Weise unterzuordnen.
Im Gegenteil, ich nutze nach eigenem Ermessen alle Möglichkeiten, die ich durch mich und in mir nur irgend zu ergründen vermag, dazu gehört natürlich ebenso davon auszugehen, das es auch keine transzendenten Wesenheiten geben könnte.
Womöglich bin deshalb nicht religiös und/oder gläubig, weil ich die Vielfalt in ihrer ganzen Ungreifbarkeit schätze und liebe.
Nun ist es aber so, dass viele Menschen mit dieser verstandesmäßig nicht erfassbaren Vielfalt nicht umgehen können und bevor sie sich auf derart unsicher scheinendes Terrain überhaupt begeben, eben das annehmen, was ihre Vorfahren sich unlängst bedürfnisgerecht kreiert haben - eine fixe Weltvorstellung.
Viele Grüße,
Philipp