Wenn das hier eine treffende Definition des Begriffes Totalitarismus ist:
Totalitarismus (lat.), wiss. und polit. Begriff zur Bez. von polit. Systemen, die durch (gewaltsame) Gleichschaltung aller sozialen, kulturellen und individuellen Äußerungen nach Maßgabe einer verordneten Ideologie gekennzeichnet sind.
...dann hab ich Probleme mit dem Bequemlichkeits-Totalitarismus.
Die Gleichschaltung erfolgt nämlich nicht unmittelbar durch die Überwachung. Es wäre ja auch denkbar, dass, obwohl alles rundrum totalüberwacht ist, alle Überwachten in ihren sozialen, kulturellen und individuellen Äußerungen so weitermachen wie immer.
Was tatsächlich verloren geht ist wohl die informelle Selbstbestimmung, bzw wie der Artikel es nennt wird dieselbe 'preisgegeben'. Damit komm ich wieder bei der erwähnten Angst raus - preisgeben heisst ja, dass unsere Daten einem potientiellen Missbrauch schutzlos ausgeliefert sind. Die Angst vor diesem Missbrauch ist es dann, die uns gleichschaltet könnte. Bloss, wie Du schon sagst, macht man normalerweise eh nix, was sich irgendwie missbrauchen liesse...
Tja, irgendwie läuft das auf 'ne Stammtischweisheit hinaus - wer nix zu verbergen hat, der brauch auch keine Angst vor den Kameras zu haben.
Aber das ist ja gerne mal so mit Philosophien, das sie im Kern ein Sprichwort sind.
Jedenfalls, so geht dann der Artikel weiter:
Was soll dagegen das heilige Prinzip individueller Freiheit ausrichten, das keinen höheren Nutzwert für die Allgemeinheit vorweisen kann? Bloß: Die Freiheit ist nicht Mittel, sondern Selbstzweck. Auf diesem „Ding an sich“ ruht die liberale Zivilisation. Sie setzt Räume voraus, in denen der Bürger unbeobachtet bleibt. Über seine Gewohnheiten und Vorlieben schuldet er niemandem Rechenschaft, sofern sie anderen nicht schaden.
Inwieweit wird denn meine tatsächliche Freiheit durch Überwachung beschnitten? Ich bin doch auch im überwachten Raum frei zu tun was immer ich will. OK, mir wird die Freiheit genommen, das perfekte (weil unentdeckte) Verbrechen zu begehen. Aber wäre das, bei einer sehr engen Definition von 'Verbrechen', nicht auch eine sinnvolle Beschneidung?
Ich muss eben damit rechnen zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn das was ich tue anderen schadet, und dafür ist anscheinend auch der Zeit-artikel: Ich schulde niemandem Rechenschaft, aber auch nur dann nicht, wenn ich keinem anderen schade. Ergo: Ich schulde Rechenschaft, wenn ich schade, und um diese Schuld an mich heranzutragen, müsste ich wohl oder übel überwacht werden.
Mal Tacheles - eigentlich bin ich ja auch gegen die Überwachung, aber auch bloss, weil die mir ein komisches Gefühl im Bauch macht. Und das macht sie wohl, weil eben nicht vernünftig damit umgegangen wird. So ist das, glaube ich, auch bei dem vom Wirrlicht erwähnten Folteropfer, ich glaube nicht, dass das an der blossen Tatsache leidet, dass es überwacht wird, sondern vielmehr darunter, dass es weiss WER es überwacht. Ausserdem kriege ich Kopfschmerzen, wenn ich mir vorstelle ich würde so'nen Job machen, 9-17.00 auf ne Wand mit Monitoren starren und Leute überwachen... *schüttel*...*ekel vor mir selbst*...
So jetzt raucht mir erstmal der Kopf.