Hallo Zeili,
allgemein mag ich mich dazu nicht ständig wiederholen, stoße damit sowieso nicht gerade auf offene Ohren.
Im konkreten Fall aber, kann man einem Menschen, wo man irgendwie merkt, dass er/sie in seiner Lebenssituation überfordert ist, vorsichtig Hilfe anbieten. Die Hilfe kann darin bestehn, dass man am Arbeitsplatz mal einen kleinen Teil seiner Aufgaben mit übernimmt, ihn gegenüber anderen Menschen verteidigt/Partei ergreift, mal einen Raum für ein ruhiges Gespräch sucht, mal ein nettes Wort ohne Hintergedanken übrig hat. Man kann seine eigene Sturheit im Familienverbund überprüfen und lockern, man kann an einer Wohnungstür, wo immer wieder Lärm herausdringt klingeln und versuchen, sich dem/den Menschen ohne Vorwurf und Drohung zu nähern. Man kann einen Lehrling, der offensichtlich eingeschüchtert oder lustlos wirkt, versuchen mitzunehmen, ihn fördern, statt anzubrüllen, ihm zeigen, dass er seinen eigenen Wert entdecken kann. Man kann einem Streikenden, einem auf seine neue Garageneinfahrt stolzen Menschen oder einem übermütig herumtobenden Kind mal seine Rechte und Gefühle so belassen, ohne Missgunst, ohne jegliche Regung väterlich relativieren zumüssen...
Man kann selbst Geld mal jemandem gönnen oder überlassen, der vermeintlich „weniger“ Rechte daran/darauf hat. Man kann als Sozialamtsmitarbeiter, Polizist, Vormundschaftsrichter oder Chef Spielraum und Verantwortung nutzen, um Leid zu lindern, mal einen Rat mehr zu geben oder mal offensichtliche Bedürfnisse von Beteiligten den Vorschriften oder dem eigenen EGO vorziehen.
Man kann das Kind, was man mitunter in sich selbst erschießen müsste...weil es weint, weil es einem solche Schmerzen und Zweifel bereitet, dass man es buchstäblich töten müsste, anhören, es wahrnehmen und als vollwertigen Menschen betrachten, es “hochheben“...genauso, wie wir über das Kind immer besser Bescheid wissen und nur sein bestes wollen...so könnten wir es aus der Versenkung herausholen und uns seine Schreie anhören, anstatt die Schlafzimmertür zuzumachen...der Schuss symbolisiert m.E. nicht nur ein „loswerden“ eines externen Kindes, sondern auch ein „übertünchen“ des schreienden inneren Kindes....usw. usw...
Den Moment, wo „ein solcher Mensch“ sein Gefühlschaos, seine Sorgen, seine immer wieder von außen und innen betäubte Wut/Hass/Enttäuschung, seine destruktiven alten/neuen Bindungen, Kämpfe und Schmerzen usw. schlussendlich töten muss, kann man m.E. nicht verhindern. Die im Hintergrund einer menschlichen Fassade rumorenden Probleme jedoch, die werden durch den Druck zunehmend zusammenhängenderer Mechanismen unserer Gesellschaft immer mehr zugespitzt, sodass es vermehrt zu Ausbrüchen kommt/kommen wird.
Die Frage ist, ob man immer ganz flink die sichtbar werdenden Ventile stopft oder ob man den Druck aus dem ganzen System herausnimmt. Was sinnvoller ist ist, weiß ich nicht genau. Ich bin jedoch eher dafür, den Druck zu senken. Den Druck, der auf mir und anderen liegt. Die ersten zaghaft guten Erfahrungen mache ich damit, mir und anderen gegenüber aufgeschlossen, nachsichtig und liebevoll zu sein. Auch hier halte ich Liebe im weitesten Sinne für das einzige, was das System grundlegend heilen kann, denn ich empfinde eine Welt aus Überwachung, Waffenkontrollen, Strafen und schließlich einem finalen Rettungsschuss bei einem ausrastenden Amokläufer nicht für lebenswert.
So früh es möglich ist, könnte jeder, der für sich die Möglichkeit nur minimal sieht und „so was“ bei anderen bemerkt, eingreifen, um die innerhalb eines Menschen wachsende Kette von Leid zu unterbrechen...damit es nicht zu solchen katastrophalen „Auswüchsen“ kommt. Ich weiß, ich bin in der Hinsicht wohl ein Träumer...aber ich sehe darin mehr Sinn, als im resignieren.
Viele Grüße
Bernd