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Soll die Türkei in die Europäische Union ?

Robin schrieb:
Genau das streite ich ab; jeder weiß, dass im hohen Maße weniger gebildete Türken in Deutschland Arbeit suchten.
Ja, da hast du recht! Wir sollten uns also mehr auf die Daten beschränken, die wir aus der Türkei bekommen. Auf dem Gebiete haben wir erfreulicherweise einen Experten hier, Mavaho. Ich habe schon 'ne Menge von ihm gelernt. Er verfügt über eine Realitätsnähe, von dem sich manche hier eine Scheibe abschneiden könnten... :)
Zu den Tendenzen innerhalb der Türkei kann ich wenig sagen. Wenn du sagst, die Bevölkerung tendiere mehr Richtung Iran, so ist das negativ zu sehen. Es klingt aber sehr nach einer schwammigen Einschätzung.
Na, dann kannst du aber noch kein gefestigstes Urteil haben, in Bezug auf den EU-Beitritt. Und was die "ständige Angstmache" betrifft vorm "bösen, muslimischen Mann": Mir geht die seit Jahrzehnten angehende Weichspülerei und Entproblematisierung der sozialen und religiösen Probleme auf den Zeiger. Und dass, wenn die Probleme doch auf den Tisch kommen, sie nur der Deutsche hat und macht!
Ich bin froh, dass du gegen die Kulturdebatte bist; denn du hast sie meiner Erinnerung nach angezettelt.
So viel, wie ich weiß, war das ich gewesen.
Du bist also auch einsichtig und lernfähig. Schön.
Dann mache das mal nach. Würde mich freuen... :)

Gysi
 
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Gysi schrieb:
Du siehst keine Gefahren, malst alles mit dem Weichzeichner - und dein dürftiges Zukunftskonzept der offenen Grenzen für alle, das würdest du gerne durchgesetzt wollen. Gottseidank steht die Mehrheit der Deutschen dagegen. Die Mehrheit der Europäer auch.

Es erstaunt mich schon sehr, dass ich derjenige sein soll, der alles mit dem „Weichzeichner“ malt. Ich alter Waschlappen! Im Gegenteil, ich male gerne und ausgiebig die Konturen der Positionen nach, die sich selbst gerne in warmen und weichen Tönen zeichnen, um andere dafür umso grober zu besudeln. Dass wir eine „Leitkultur“ brauchen, darüber sind wir uns leider nicht einig. Wir brauchen Verhältnisse, die das „Leitbild“, welches der eine aufstellt, um die Verhältnisse des anderen festzulegen, überflüssig machen. Ich stehe übrigens für kein „Zukunftskonzept der offenen Grenzen“ ein, viel eher sollte man überprüfen, warum einige das Gefühl haben, ihre Grenzen schliessen zu müssen, warum einige Personen innerhalb dieser Grenzen willkommen sind, andere hingegen nicht. Wer mit wem auf dieser Welt Handel treibt und profitiert, wer Standortvorteile geschickt ausnutzt, mit supranationalen Instrumenten dafür sorgt, dass diese ‚Vorteile’ konserviert werden, jedoch nur die positiven Konsequenzen seines Profits akzeptieren möchte und es so vielleicht auch nötig hat, die Grenzen zu schliessen? Was es überhaupt heisst, zu profitieren und Gebiete abzuriegeln, was es heisst, sozusagen gezwungenermassen reservierte Gebiete nötig zu haben, um dennoch unglücklich zu sein? Welche Interessen und Vorstellungen spielen da wohl mit? Es sind einige Fragen, die ich da aufgeworfen habe und man darf sie nicht ausser acht lassen, redet man von Produktion und Kapital (siehe unten, siehe auch die Zitate von mahavo).

Gysi schrieb:
Aber zum produktiven Eingehen in die EU braucht es mehr als 15 Jahre.

Gysi schrieb:
Was meine ich denn mit "Kultur"? Etwas, was uns bindet und binden kann: Der Respekt vor den Menschen, vor den Freiheitsrechten, auch den Freiheitsrechten der Frauen. Bildung auch. Die Fähigkeit, muli-kulturell zu leben. Hat eine (wirklich) gläubiger Muslim nicht...

Der „(wirklich) gläubige Muslim“, ein bedauernswertes Geschöpf… Nicht nur, dass der Koran unterschiedlich ausgelegt wird, viel schlimmer: man wird sich auch in der islamischen Welt um die „richtige“ Auslegung streiten. Wer legt z.B. die Symptome, die mahavo so gerne mit dem Gestus des „Objektiven“ (ich habe mich diesbezüglich bereits zum Thema „Statistik“ geäussert) aufzuzählen beliebt, richtig aus? Die Exegese von Texten, Zahlen und anderen Geschichten ist ein schönes Geschäft, doch stört mich ein wenig, dass häufig vergessen wird, dass es sich um Interpretationen handelt, die auf gewissen Voraussetzungen beruhen. Ich suche z.B. in den obigen Zeilen vergeblich nach dem „Respekt“, der von den anderen verlangt wird. Natürlich sehe ich ein, dass Frauen in islamischen Ländern benachteiligt werden, nur darf man nicht vergessen, dass das auch in unseren Gefilden der Fall ist. Wenn auch de jure gleichgestellt, so sind wir de facto von der Gleichstellung von Mann und Frau meilenweit entfernt. Ob eine „(wirklich) gläubige Muslimin“ somit ein unglücklicheres Leben führt als eine „(wirkliche) Durchschnittschristin“ – was auch immer das sein soll – mag ich stark bezweifeln. Das ist es eben, was ich unter „Weichzeichnung der eigenen Position“ verstehe, die ich im 3. Satz des jetzigen Beitrags angesprochen habe.

mavaho schrieb:
Was mich bei dieser Diskussion stört, ist das emotionale Wortgeklingel auf konkrete Vorhaltungen. Es geht ncht darum, wer wo Urlaub macht oder diesen oder jenen Netten kennt, es geht auch nicht um Leitkultur.

Doch, doch, es geht um „Leitkultur“. Es geht um die voreingenommene Sichtweise des „weissen, fleischessenden, euro-phallogozentrischen Durchschnittsmannes“ (entschuldigt diese Hyperbel, aber ich konnte nicht widerstehen).

mavaho schrieb:
Ich halte den Versuch, die Gegner auf diese Argumentationsschiene zu setzen, für ein plumpes Ablenkungsmanöver, um von den konkreten Problem abzulenken. Es geht um den Beitritt eines Landes in die EU, dessen innere Verhältnisse und wirtschaftlichen Fakten bekannt sind. Nur diese sind zu beurteilen. Dabei kann man das Verhalten der hier seit Jahrzehnten lebenden Türken als Erfahrungswert heranziehen.

Genau jener – ich wiederhole das Wortungetüm nicht – meint nämlich, dass er allein befähigt sei, die „konkreten Probleme“ zu definieren. Doch seine Sichtweise könnte man als eine Apologie dessen betrachten, an dem das eigene, das er einzugrenzen versucht, um das andere möglichst daraus fernzuhalten, krankt (das habe ich in meinem ersten Beitrag zu diesem Thema beschrieben). Was sind die „wirtschaftlichen Fakten“ der „Türkei“? Kann man ein Land vom Rest der Welt isolieren, um seine wirtschaftliche Lage zu beurteilen? Kein Land ist auf den Binnenhandel beschränkt und falls dies der Fall wäre, so würde sich dennoch das zeigen, vor dem man die Augen nicht verschlossen haben sollte, nämlich dass in einer Gemeinschaft ihre Mitglieder nie mit gleich langen Spiessen fechten (weder in der Türkei, in Deutschland noch in einer Idee „Europa“ überhaupt – was auch immer dazugehört und was nicht).

mavaho schrieb:
1. Steuererhöhungen, denn der Beitritt ist ohne diese nicht finanzierbar.
2. Mitsprache eines Islamfundis bei der Zukunftsgestaltung unseres Landes.
Die Punkte liessen sich fortsetzen.

Steuern – es wird sie immer geben, solange es einen Staat gibt. Die Frage ist nur, wen die Erhöhung trifft. Dass es wahrscheinlich die trifft, die es kaum verkraften können, das ist eine Ungerechtigkeit, die ich bedenklich finde. Es gilt aber, sich gegen solche Ungerechtigkeiten zu wehren – v.a. könnte man das von Leuten erwarten, die sich bestimmt als „verantwortungsbewusste Bürger“ verstehen, die noch vor den „Islamfundis“ bei der Gestaltung eines Landes mitreden möchten. Ausserdem tritt hier dasselbe Problem auf wie bei der Debatte um die „NPD-Leute“. Wieso gibt es so viele „Islamfundis“? Hat Allah diese vom Himmel regnen lassen?

mavaho schrieb:
Völlig vergessen wurde, dass die Türkei immer noch den Teil eines anderes Natolandes völkerrechtswidrig besetzt hält. Das Zypernproblem ist immer noch ungelöst.

Ja, da stimme ich zu. Doch hier sollte man sich die Frage stellen, was „Völkerrecht“ bedeutet? Wer festlegt, was das „Völkerrecht“ ist… Was nicht „völkerrechtswidrig“ ist oder wer das „Völkerrecht“ ungestraft verletzen oder missbrauchen darf? Ich finde, dass sich diejenigen, die sich in gegebenen Situationen auf dieses „Recht“ berufen, sich in den letzten Jahren grosser Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben. Dazu gehört nicht nur die Führung irgendwelcher Kriege mit Bomben etc., dazu gehört auch der Wirtschaftskrieg eines dominanten Teils der Welt gegen den anderen. Eine völlig „subjektive“ Anekdote, so à la „Ich trinke Tee bei Türken“ (zählt deswegen wohl nicht als Argument, v.a. da es sich auf den ersten Blick nicht auf die Türkei bezieht): Ich habe einige Jahre meines Lebens in Afrika verbracht und Übles gesehen und erfahren. Man sollte sich genau ansehen, was die „1. Welt“ dort tagtäglich anrichtet und sich ereignen lässt, bevor man sich entschliesst, lauthals die Schliessung von Grenzen zu fordern...
 
Jacques schrieb:
Der „(wirklich) gläubige Muslim“, ein bedauernswertes Geschöpf…
Wer seinen Verstand in die Hände von Mullahs, Priester, Popen oder Rabbis legt, ist nicht frei - nicht so frei, wie er sein könnte. Und der Koran kann "verschieden ausgelegt" werden, wie schön! Das können (wirksam) aber nur die Ayatollahs, oder was weiß ich wer, tun. Nur ist der Koran, wie die Bibel, für alle Ewigkeit als heiliges Gotteswort festgelegt. Und wie willst du Heiligworte wie: "Schließe keine Freundschft mit Giauren!" oder "Triffst du einen Ungläubigen, steche ihm den Dolch in den Rücken." Oder so ähnlich. Kann dir aber gerne auch die richtige Übersetzung anbringen. Und wie die Stimmung vieler Türken ist, das hat Mavaho doch mit seinem Zitat von dem türkischen Regierungschef belegt. Ich habe ihn auch zitiert, ich wiederhole nicht mehr. Dieser wirklich furchtbare - und aktuelle! - Satz scheint dich null zu berühren...
Doch, doch, es geht um „Leitkultur“. Es geht um die voreingenommene Sichtweise des „weissen, fleischessenden, euro-phallogozentrischen Durchschnittsmannes“ (entschuldigt diese Hyperbel, aber ich konnte nicht widerstehen).
Ja. :rolleyes: Warum denn nicht? Phallo-egozentrisch... So machohaft wie der durchschnittliche Muslim ist der durchschnittliche Europäer aber nicht. Was soll dieser Unsinn?
Aber wieder das selbe wie schon gehabt: Voreingenommen sind wir. Die armen Türken sind korrekt im Verhalten und immer unterdrückt... Die Religion unterdrückt sie wirklich! Aber wir sind es weniger. Und noch was: Mit der Ablehnung des EU-Beitritts schmeißen wir keinen Türken raus und das Handelsvolumen wird null eingeschränkt. Und was der Türkenhasser Gysi einzig (zunächst mal) will, das ist eine vertieftere Diskussion! Auch nicht gerade eine Abgrenzungsstrategie...

Gysi



Gysi
 
Meine Einschätzung der gesellschaftlichen Tendenz in der Türkei ist nicht schwammig, sondern beruht auf Fakten, die für jeden nachvollziehbar sind. Die Partei Erdogans ist ein Zusammenschluss von türkischen Islamisten. Erdogan selbst war wegen islamistischer Umtriebe einige Zeit im Gefängnis, er spricht und lebt wie ein Islamist. Wenn also die türkische Bevölkerung diese Partei mit einem eindeutig islamistischen Parteiprogramm (sollte jeder mal lesen) merhheitlich wählt, noch vor sechs Jahren undenkbar, lässt dies Rückschlüsse auf die geistige Tendenz dieser Gesellschaft zu. Diese Richtung ist nicht Europa. Übrigens, die Partei Erdogans hat in Deutschland einen Ableger, der in der Türkei verboten ist, nennt sich hier " Miili Görüs ", was soviel wie Nationale Erhebung heisst, und unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Dieser Verein verfügt über Milliardenvermögen und beschäftigt sich ausschliesslich damit, den radikalen Islam zu verbreiten.
Es geht nicht darum, Angst zu verbreiten, wenn man auf die Gefahren aus dieser Ecke hinweist. Du warnst ja auch vor der NPD, ohne davor Angst zu haben. Worum es geht, Tendenzen frühzeitig entgegenzutreten, die unsere Grundordnung, unsere Sicherheit und den sozialen Frieden im Land gefährden. Der Islam muss dazu gerechnet werden.
Bitte auch nicht diesen ewig unsinnigen Spruch, nicht jeder Moslem sei Terrorist. Ich kenne niemanden, der so etwas behauptet. Allerdings, nicht jeder Moslem ist internationaler Terrorist, aber alle intern. Terroristen sind Moslems. Alles nur Zufall ?
Um den Unterschied klar zu machen. Islamisten sind Menschen, die streng und kritiklos nach dem Koran leben und damit unsere Grundwerte ablehnen, Terroristen sind Menschen, die diese Grundwerte mit Gewalt beseitigen wollen. Letztere sind ohne Erstere nicht möglich, sie bilden die ideologische Basis.
Rückschlüsse vom Verhalten der hier lebenden Türken zu ziehen, ist in Grenzen durchaus möglich. Dieser Zwiespalt in beiden Kulturen trifft nur auf den gebildeten kleinen Teil zu. Eine Mehrheit hat sich längst entschieden und lebt wie in einer türkischen Kleinstadt. Kreuzberg unterscheidet sich kaum vom einem Stadtteil Ankaras. Ich ziehe daraus Schlüsse, wieweit diese Gruppe bereit ist, europäische Grundwerte auch innerlich zu akzeptieren und sichtbar nach diesen zu leben. Was in Deutschland nicht gelingt, wie soll das in Ankara funktionieren, geschwiege denn in Anatolien.
Der Türkei fehlt eine breite Bildungsschicht einerseits, andererseits ist die Grundbildung auf unterstem Niveau. Zwar gibt es Schulpflicht (6 Jahre). Wie mir einige türkische Lehrer erzählten, sei es jedoch weitverbreitet, dass Schüler jahrelang nicht erscheinen und der Lehrer dafür bezahlt wird, es nicht an die Behörden zu melden. Stimmt er nicht zu oder will ein schlechtes Zeugnis geben, wird er vom Familienclan bedroht. Grund ist, dass Kinder bereits sehr früh arbeiten müssen, dabei stört die Schule nur.
Gerade bei der Beurteilung der Türkei ist es wichtig, hinter die Fassaden zu sehen. Wir sind gewohnt, soziale Wirklichkeit durch Gesetze zu schaffen. So etwas funktioniert dort nicht.
Übrigens, noch vor vier Wochen legte die Partei Erdogans ein Gesetz im türk. Parlament vor, das Ehebruch unter Strafe stellen sollte. Nur die massive Intervention von Verheugen, der schon seine Träume davonschwimmen sah, hat bewirkt, dass dieser Antrag zurückgezogen wurde. Der Vorgang zeigt jedoch wiederm die Tendenz, Regeln des Koran einzuführen.
Natürlich bestimmt die türkische Gesellschaft selbst, wie sie ihr Zusammenleben organisiert. Aus diesem Blickwinkel heraus halte ich mich mit Kritik zurück. Die Frage ist jedoch, ob man einem Land mit diesem Verständnis von Grundwerten ein Gewicht im EU-Parlament geben soll, das grösser wäre als das von Deutschland, Frankreich oder England oder den gesamten Benelux-Staaten zusammen. Da habe ich meine grössten Bedenken, dass die EU daurch handlungsunfähig wird. Es sind zu viele Fragen unbeantwortet. Wie soll eine genmeinsame Aussenpolitik mit der Türkei aussehen. Das Land hat völlig andere geopolitische Interessen. Fragen über Fragen, bitte erst mal klären, bevor man entscheidet.
 
zu Kultur:

Eine Definition von Kultur war gesucht:

1.) Bebauung des Bodens
2.) Anbau, Aufzucht von Pflanzen und Bakterien
3.) Gesamtheit der gezogenen Pflanzen und Bakterien
4.) Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Errungenschaften eines Volkes
5.) (nur Einzahl) verfeinerte Lebensart

(Fremdwörterbuch, Verlag Buch und Zeit, Köln; der Duden gab diesbezüglich nichts her).

Ob man über "Leit"kultur(en) überhaupt nachdenken soll ? Ich glaube eher nicht.
----------------------------------------------
Ein geflügeltes Wort zum Unterschied zwischen Zivilisation und Kultur:
Zivilisation ist, wenn man eine Zahnbürste besitzt; Kultur ist, wenn man sie auch benützt.

Viele Grüße

Zeili
 
mavaho schrieb:
Eine Mehrheit hat sich längst entschieden und lebt wie in einer türkischen Kleinstadt. Kreuzberg unterscheidet sich kaum vom einem Stadtteil Ankaras.

Sätze wie diese lassen immer wieder jeden Versuch von mir scheitern, dich wirklich ernst zu nehmen... :rolleyes:
 
Dann würde ich gerne von Dir hören, wie Du die Lebensform in Kreuzberg einordnene würdest. Dabei setze ich voraus, dass Du Ankara kennst.
Im übrigen nochmals, es geht um den Beitritt der Türkei in die EU. Eine Stellungnahme zu den von mir angeführten Fakten steht aus. Wenn Du diese nicht ernst nimmst, machst Du den gleichen Fehler wie die Politiker. Europaweit stehen die Menschen dem Beitritt mit grosser Skepsis gegenüber. Wiederum besteht die Gefahr, dass speziell die Deutschen Politiker Politik über die Köpfe der Menschen hinweg macht. In anderen europäischen Staaten steht man einer Voilksabstimmung positiv gegenüber. Hier wird dieses Thema nicht einmal als grosse Debatte in den Bundestag eingebracht. Wenn man so mit Entscheidungen, die derart grundsätzlich für die Zukunft unseres Landes sind, ohne Rücksicht auf die Bevölkerung verfährt, darf man sich nicht über Politikverdrossenheit und das Aufwallen von Emotionen wundern.
Politik gegen die Menschen kann nur scheitern.
Meine Vorhaltungen, die meist auf für jeden nachprüfbaren Fakten beruhen, mit Mallorcaurlaubern und ich kenne da einen Netten zu beantworten, ist wenig substanziell. Die Regierung macht es nicht anders. Bisher habe ich von der Regierung nichts gehört, was für den Beitritt spricht, wo Europa endet und wie hoch die Kosten dieses Beitritts sind und wer wieviel bezahlen wird. Selbst Verheugen sagt, dass die Türkei die Beitrittsbedingungen zur Zeit nicht erfüllen würde. Ich frage mich deshalb, auf welcher Basis man denn verhandelt. Da könnte man auch mit China verhandeln. Nach wie vor ist in der Türkei
1. die Verfolgung der Kurden nicht beendet
2. Gibt es keine Gleichberechtigung von Mann und Frau
3. wird die Ausübung anderer Religionen behindert und verfolgt, Reliigonsfreiheit gibt es nicht
4. hat das Land eine Inflationsrate von 26 % (Maastrichtkriterien)
5. besteht eine Arbeitslosigkeit von 32 %
6. ist ein Teil Zyperns rechtswidrig besetzt
7. ist die Finanzierung des Beitritts völlig ungeklärt.
8. wird weiterhin gefoltert (sagt Amnesty International)
9. ist Kinderarbeit an der Tagesordnung

die Aufstellung liesse sich beliebig fortsetzen. Für jeden erkennbar, ist dies nicht das Profil eines Europäischen Landes der Neuzeit. Dazu hätte ich gerne von Dir etwas gehört. Ob Du mich ernst nimmst, ist dabei ohne Belang, es geht um die aufgeführten Fakten.
Dazu noch etwas. was weitgehend unbekannt ist. Nach Beitritt besteht für die Türken Minderheitenschutz nach EU-Recht. Danach wären wir verpflichtet, türkische Schulen einzurichten und in Gegenden, in denen Türken stark vertreten sind wie z.B. Kreuzberg, türkisch als zweite Amtssprache einzuführen. Es wäre das endgültige Ende der heute schon weitgehend erfolglosen Integrationsbemühungen, das Land würde zu einem ethnischen Flickenteppich mit bosnischen Problemen.
Die Türkei verfolgt mit ihrem Beitrittsversuch wirtschaftliche und geopolitische Ziele, nichts weiter. Du solltest mal ab und zu türkische Zeitungen lesen. Nicht nur im Hürryet, der türkischen Bildzeitung, auch von der Regierung wird immer wieder an die Grösse des Osmanischen Reiches erinnert, die es wieder zu erreichen gilt. Seit Jahren erhebt die Türkei Gebietsansprüche über den Nordiraqu, der Einmarsch türkischer Truppen bis Mossul, um dort die Ölquellen zu besetzen, wurde nur durch massive Intervention der USA verhindert. Noch jetzt stehen dort 1000 türkische Panzer (Leo1, ein Geschenk von uns) marschbereit.
Die Türken sind glühende Nationalisten, es ist offizielle Regierungspolitik. Du solltest mal die Spruchbänder über den Strassen türkischer Städte lesen, wenn Feiertage sind. Sprache und Inhalt erinnert an Nazipropaganda. Dieser Nationalismus, gepaart mit dem immer stärker werdenden Islamismus, ist eine explosive Mischung, die ich gerne von Europa fernhalten würde, anstatt ihr ein erhebliches Mitspracherecht im EU-Parlament einzuräumen.
 
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In Kreuzberg lebt...
der Kreuzberger!
Entgegen mancher Vorurteile ist der Ausländeranteil in Kreuzberg mit um die 35% kaum höher als der in Frankfurt. Und die Türken wohnen auch nicht geballt in ein zwei Straßen, sondern gleichmäßig verteilt mit einigen Schwerpunkten. Wenn man das vergleicht mit San Francisco, wo, wenn man Chinatown betritt, man wirklich in eine andere Welt tritt, wo fast nur noch chinesische Schriftzeichen zu sehen sind, so ist dies selbst in der Wrangelstraße nicht so. Im Wrangelkiez lebt ein bunter Misch-Masch von Altkreuzbergern, Alternativen, Künstlern, Türken und anderen Ausländern. Das Signifikante an Kreuzberg ist gerade, dass sich jeder immer mit dem Anderen, dem Fremden konfrontieren muss, selbst wenn er unter sich bleiben will. Es gibt kaum eine Straße ohne Alternativkneipe, Bioladen, ELektroramschgeschäft oder türkischem Café. Es gibt kein heimisch sein ohne sich gleichzeitg fremdzufühlen. Und das hat natürlich Auswirkungen. Gerade die Jugendlichen in der dritten Generation sitzen zwischen allen Stühlen. Oft lernen sie weder deutsch noch türkisch gut. AUch hier herrscht ein Misch-Masch vor. Diese Menschen haben sich vielleicht arrangiert - was blieb ihnen übrig? Aber heimisch sind sie weder da noch dort, es sei denn, sie ziehen positive Energie aus der Situation und bekennen sich eben dazu Kreuzberger zu sein und nichts anderes. Hier macht auch die Bildung nicht den Unterschied. Zu behaupten, nur die Gebildeten würden unter diesem Spagat leiden, die Masse trotte da dumpf durch, ist völlig aus der Luft gegriffen.
Was in Kreuzberg fehlt, sind fast alle Repräsentationen türkischer Kultur. Es gibt kein türkisches Kino, die Moscheen sind meist Bet-Räume in irgendwelchen Hinterhöfen. Eine große Moschee ist nun gebaut worden, die allerdings ziemlich abseits liegt.
Was dort an türkischer Kultur entsteht, ist dann eine Mischkultur wie zum Beispiel die Rapszene. Natürlich gibt es auch Türken, die dort versuchen, ihre türkische Kultur weiterzuverfolgen. Dies kann aber nur geschehen, wenn man es trotz/gegen die Umwelt macht. Das ist dann ein Verkriechen, mit dem man sich wohl kaum so wohl wie in Ankara fühlt.
Selbst der kreuzberger Markt hat wenig Flair eines trubelnden türkischen Bazars. ZWar verkaufen dort viele Türken und es ist ein bisschen bunter als in anderen Stadtteilen, aber es ist und bleibt ein Berliner Markt.

Egal, wo ich durch Kreuzberg laufe, ich habe immer das Gefühl, durch eine bunte, manchmal seltsame, meist jedoch anregende Mixtur zu gehen. Gewalt ist mir da übrigens nie begegnet. Natürlich gibt es die, aber sie ist nicht präsent, es sei denn man gehe nachts durch bestimmte dunkle Parks, aber das sollte man in keiner Großstadt der Welt machen.

In manchen Gegenden Kreuzberg ist ein neues Phänomen aufgetaucht: Die meisten Alt-Alternativen, die nun Kinder kriegen, ziehen weg, weil sie ihre Kinder nicht auf Schulen mit hohem Ausländeranteil schicken wollen. Was dann wiederum diesen Effekt verstärkt. So wird das deutsche Publikum dort immer älter, eine Szene inzwischen gut verdienender Altlinker zieht in die immer noch billigen Wohnungen und düngt dort eine Subkultur der Edel-Alternativen. Das führt dazu, dass vor allem in Kreuzberg um die Bergmannstraße die Kulturen verstärkt nebeneinander her leben.

Dennoch glaube ich, dass in Kreuzberg etwas eigenes entstanden ist, dass zum Beispiel viel besser funktioniert als es in Frankfurt, in der Hauptbahnhofsgegend oder Rödelheim. Die vielen Straßenfeste, angefangen vom Karneval der Kulturen, über das Jazz-Fest und anderes, vermitteln positive Seiten dieses Stadtteils, das Miteinanderleben funktioniert noch, trotz vieler Unkenrufe von Draußen.
Falls sich das weiter ändern sollte, hat das wenig mit dem Problem des Islam zu tun. Es hat etwas zu tun mit sich verschärfenden sozialen Klima und vor allem einer unfähigen Politik des Berliner Senats, der die Stadt bettelarm gemacht hat und seiner Verpflichtung einer sinnvollen Bildungs- und Kulturpolitik nicht mehr nachkommen kann.
 
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