PhilippP
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Als Vater von Fünf, inzwischen erwachsenen Kindern, konnte ich die Erfahrung machen, dass unser Schulsystem total durchlässig ist. Kinder mit Migrations-Hintergrund konnten mit hervorragenden Noten die Matura erreichen und einheimische haben die Hauptschule daneben eher mit Mühe bewältigt.
So ist es! Auch ich habe das Abitur auf dem Abendgymnasium nachgeholt und danach noch studiert, sogar mit voller staatlicher Förderung, was in vielen Ländern dieser Welt undenkbar wäre.
Es ist leider zum bequemen Allgemeinplatz geworden, das Schulsystem für Missstände verantwortlich zu machen, deren Ursachen tatsächlich gar nicht dort zu finden sind.
Beispiel: Wenn ein Kind mit starkem AD(H)S heute in Deutschland keine ordentliche Behandlung erhält und stattdessen schulisch nach und nach herabgestuft wird, um später dann im Beruf ggf. völlig zu scheitern, so ist das nicht notwendig und immer Schuld der Schule (die das Kind nur nicht individuell und ganzheitlich/lebensnah etc. genug gefördert habe), stattdessen kommt es regelmäßig vor, dass Eltern gut gemeinte pädagogische Hinweise einfach ignorieren und das eigene Kind partout nicht medizinisch behandeln lassen möchten. Man müsse das Kind eben so nehmen, wie es ist!
Das Leben ist aber kein starres Gebilde, es ist dynamisch, beeinflussbar und guter schulischer Unterricht trägt diesem Umstand nach bester (wissenschaftlicher) Möglichkeit Rechnung, sofern das gesamtgesellschaftlich umsetzbar und erwünscht ist. Ironischerweise ist es häufig gerade die letztgenannte Instanz (die breite Masse der bildungsbürgerlichen Klientel nämlich), welche an den Lippen vorwurfsvoll schimpfender Bildungskritiker hängt, deren seichte Rhetorik beklatschend.
Dass ich hier heute sitze und solche Zeilen schreibe, verdanke ich just dem Schulsystem, das ich viele Jahre lang aus gutem Grund ablehnte. Auch heute als Lehrer ist mein Verhältnis zum Schulsystem durchwachsen, aber ich kritisiere nun konkreter, reflektierter und also empirisch und nicht länger vom hohen Ross persönlicher Kränkung herab; ich habe für mich erkannt, dass die eigentlichen Verantwortlichen für diverse Missstände gerade nicht in Politik und Bildung zu suchen sind, sondern dass wir selbst uns im Spiegel einfach etwas genauer beschauen müssten, bevor der ausgestreckte Zeigefinger auf Schuldigensuche geht.
Gruß
Phil