Wie jetzt?
Die meisten philosophischen Texte sind Übersetzungen, mehr noch, sie
stammen gar nicht vom angegebenen Autor. Sie wurden in seinem Sinne
von Schülern oder Kommentatoren (sehr) viele Jahre nach seinem Tode
niedergeschrieben. Von diesen Texten sind häufig nur einzelne Fragmente
späterer Abschriften bekannt. Selbst bei originalsprachigen Texte spielt es
zum Verständnis überhaupt keine Rolle, was ein klassischer Autor genau
sagt und wie er das Gesagte wertet. Es kommt allein darauf an, daß er
etwas sagt und daß er dieses wertet.
Jeder von uns kennt das Problem, etwas Einfaches sagen zu wollen, sich
dabei aber umständlich oder mißverständlich auszudrücken. Jeder von uns
ist Gefangener seiner Zeit und seiner Herkunft und wird seinen Zeitgeist
oder Lokalkolorit niemals ganz ablegen können. Aufgrund dieser Mängel
haben sich bereits hunderte von Autoren zum selben Thema geäußert; es
werden sich in Zukunft weitere Autoren dazugesellen. Niemand wird
erwarten, daß sich diese grün sind, niemand sollte das Geschwätz eines
dieser Autoren auswendig lernen.
Der Antrieb für die Philosophen war, die Ideen der anderen zu sammeln
und neu zu gliedern. Vielleicht wollten manche neue Ideen im Voraus
erahnen können, vielleicht wollten andere sich Gott nähern und das
Paradies auf Erden verwirklichen. Philosophen sind jedenfalls komische
Menschen. Denn wer sich nur für die Ideen, für das Dahinterstehende
eines Sachverhaltes interessiert, wird auch seine eigenen Gedanken in
allem, was er bereits als Idee formulieren konnte, idealisieren. Seine
Verhaltensweisen werden sich dementsprechend verändern.
Wenn Sie also ein Buch lesen und bei sich denken, der Autor habe eine
kleine Meise, so ist das ganz normal. Bücher, in denen man nicht die
Persönlichkeit des Autoren spürt, taugen philosophisch nichts. Ihre
Aussagen sind aufgesetzt und nicht ehrlich gemeint. Lachen Sie den
Autoren jedoch nicht aus. Lassen Sie sich von ihm nicht schockieren oder
abschrecken. Selbst Ihr größter Feind denkt irgendwie. Sie können ihm
folgen, wenn Sie sich nicht in seine Aussagen einlassen, sondern sich
vielmehr auf das philosophisch Wesentliche konzentrieren. Was ist Ihrer
Meinung nach für den Autoren das Wichtigste, der Körper, die Substanz,
die Materie oder die Freiheit?
Texte, die sich zum Philosophieren eignen, sind solche Texte, bei denen
Ihnen urplötzlich Gedanken kommen. Sie finden sie überall. Texte von
Philosophen dagegen stehen in der Bibliothek. Ziehen Sie blind einen
Originaltext (keine Biographie) aus dem Regal, schlagen Sie ein paar
Seiten auf und lesen Sie quer. So finden Sie das Buch, das Ihnen gefällt
und wohl auch am meisten bringt. Das Internet ist hierzu ungeeignet und
dient nur zur Recherche, welche Bücher es in welcher Bibliothek gibt.