AW: Nachtodliches Leben?
Vorrede:
Bei meinem letzten Versuch, Nehemoths und reinwiels Beiträge zu beantworten, gingen durch nicht mehr rekonstruierbare Umstände die Antworten in den unergründlichen Tiefen der virtuellen Welt verloren, Hier nun mein erneuter Versuch.
Und jetzt medias in res.
Erfreulich finde ich, dass in diesem Thread wieder Diskussion stattfindet und nicht nur der Austausch von Poesiealbum-Versen.
Mein Versuch, ein bisschen Kontroverse anstelle des zarten Bewerfens mit Wattebäuschlein hereinzubringen, zeitigte allerdings erstaunlich unwillige Reaktionen.
Nun, eine Diskussion lebt ja vom Austausch diametraler Standpunkte, man dürfte sich aber doch ein wenig Sorgfalt bei der Argumentation wünschen.
Nehemoth schrieb:
Zum Thema, und zwar kurz:
In der Kürze liegt die Würze.
Nehemoth schrieb:
Es gibt weder Beweise für noch gegen ein Leben nach dem Tod, sondern nur Argumente, deren Gewicht wiederum von individuellen Überzeugungen abhängt.
In der Tat war in meinem (wie auch reinwiels) Beitrag von Beweisen keine Rede, sondern nur von Argumenten.
Der Aussage jedoch, diese wögen je nach persönlicher Überzeugung mehr oder weniger schwer, schließe ich mich nicht an, denn die ist unzutreffend.
Das Gewicht eines Argumentes ist nicht abhängig von den Präferenzen und Idiosynkrasien eines Individuums, sondern allein von inhaltlicher Korrektheit und Stringenz.
Vorlieben und Abneigungen mögen ja den einen oder anderen davon abhalten, ein Argument gebührend zu würdigen, das hat aber nichts mit dem
Gewicht des Argumentes zu tun.
Wem die ganze Richtung nicht passt, in die argumentiert wird, wird auch den stichhaltigsten Begründungen wenig oder kein Gewicht beimessen wollen und schert sich dabei nicht im geringsten darum, wie schwer die Argumente wiegen.
Das berührt deren Qualität aber keineswegs.
Nehemoth schrieb:
Was AKE und NTE betrifft, hat Jabberwock gut demonstriert, warum so etwas nicht unbedingt als Hinweis auf ein Leben nach dem Tode verstanden werden muss, abgesehen von folgendem Unsinn:
Zitat von Jabberwock
Wer also unter Berufung auf Nahtoderlebnisse Hinweise auf ein Leben nach dem Verlöschen der Körperfunktionen postulieren will, steht vor der lästigen, aber im Interesse intellektueller Redlichkeit unumgänglichen Pflicht, vorher den oben genannten Ursachen-Quadrupel definitiv und sicher ausgeschlossen zu haben.
Zitatende
Man könnte, so man es darauf anlegte, dem zitierten Satz von mir Unverständlichkeit vorwerfen, was aber nur daran liegt, dass der vorhergehende Abschnitt fehlt (und wer will, kann ja im Original nachlesen), Unsinn jedoch, also das Fehlen von Sinn, ist auch bei böswilligster Sicht nicht zu entdecken.
Was nämlich besagt der Satz?
Dieses:
Wenn man in einem Geschehen eine übernatürliche Ursache dingfest machen will, so muss vorher gesichert sein, dass keine natürlichen Ursachen mehr wirken (sonst ist eine eindeutige Beurteilung der angenommenen übernatürlichen Ursache nicht möglich).
Und diese Regel ist durchaus sinnvoll.
Dass die Aussage dem Einen oder Anderen missfällt, macht ja Sinn noch lange nicht zu Unsinn.
Nun wollen wir im weiteren Verlauf einmal sehen, ob unser Kritikus, der ja immerhin sich folgende Signatur aufs Panier geschrieben hat:
Signatur von Nehemoth
Bitte seid doch alle vernünftig und sagt am besten gar nichts, sonst kann man nicht ernsthaft diskutieren.
an die er sich aber bezeichnenderweise selber nicht hält.,...ob also unser Kritikus seinerseits in der Lage ist, Sinnvolles zu Gehör resp. Gesicht zu bringen.
Nehemoth schrieb:
Der sogenannte Quadrupel beinhaltet mindestens drei Ursachen ("sensorische Depravation" sagt mir nichts), die angeblich ausgeschlossen werden können, was u.a. die Qualität der Erfahrungen angeht sowie deren relative Seltenheit bzw. Ungebundenheit an eine dieser Erklärungen.
Meine erste Reaktion auf diese konfuse Wörtermelange war ein verblüfftes:
Wie beliebt?
Meine zweite:
Es sollte, wer so ersichtlich Mühe hat, sinnvoll zu formulieren, sich dessen enthalten, die Äußerungen von Kontrahenten unbesehen als Unsinn zu bezeichnen.
Versuchen wir einmal, das Durcheinander zu ordnen und so vielleicht Sinn, und sei es nur rudimentär, zu extrahieren. Gehen wir also schrittweise vor.
"Der sogenannte Quadrupel beinhaltet mindestens drei Ursachen ("sensorische Depravation" sagt mir nichts),"... an diesem Satzteil ist nur wenig zu bemängeln, er paraphrasiert lediglich meine Einlassung:
Jabberwock schrieb:
Soweit ich die vorhandene Literatur zum Thema auswerten konnte (ganz und gar nicht vollständig, jedoch mit einem soliden medizinischen Grundwissen) lassen sich für besagte Erlebnisse im wesentlichen vier Ursachen herleiten:
Stickoxidul(Lachgas)rausch,
Kohlendioxidnarkose.
Sauerstoffmangel,
sensorische Depravation
Allerdings muss ich schuldbewusst mein Haupt mit Asche bestreuen, denn mir unterlief ein Schreibfehler, den ich bedauerlicherweise nicht korrigiert habe.
Es muss korrekt heißen:
"sensorische Deprivation"
Nun nehme ich ja an, dass diese Schreibweise unseren Kritikus ebenso ratlos gelassen hätte, da er jedoch, wie er weiter unten zum Exempel gibt, die Wikipedia zu nutzen versteht, hätte er ja dort einmal nachschlagen können.
Gewiss, was dort steht ist nicht sehr informativ, jedoch wäre dadurch ersichtlich geworden, was gemeint war. Ich erläutere den Begriff gerne noch ausführlicher, aber später, sonst wird dieser Beitrag hier noch länger.
Aber weiter mit unserer Sinnsuche:
"...die angeblich ausgeschlossen werden können,"... das ist zwar nicht sinnlos, aber falsch verstanden.
Es geht nicht darum, dass und/oder ob die oben genannten Ursachen ausgeschlossen werden
können, sondern dass sie ausgeschlossen werden
müssen, wenn man in Nahtoderlebnissen einen validen Hinweis auf ein Leben nach dem leiblichen Tod postulieren will.
Ob es möglich ist, besagte Ursachen auszuschließen, was unser lieber Nehemoth ja mit seinem schnippischen "angeblich" in Zweifel ziehen möchte, ist eine andere, ganz neue Diskussion.
Aber:
Wenn ein solcher Ausschluss nicht möglich ist, fällt auch jeglicher Hinweischarakter von Nahtoderlebnissen.
Weiter im Text:
"... was u.a. die Qualität der Erfahrungen angeht sowie deren relative Seltenheit bzw. Ungebundenheit an eine dieser Erklärungen"
Mit diesem Nebensatz wird nun jeglicher Sinn in Grund und Boden gestampft.
Ein einigermaßen nachvollziehbarer Zusammenhang mit den vorhergehenden Satzgliedern ist auch bei sorgfältiger Prüfung nicht zu erkennen und damit auch nicht, was der Satz im Ganzen wie auch in seinen Teilen eigentlich bedeuten soll.
Sinn steckt in diesem Galimathias nicht, um so mehr jedoch unzufriedenes Genöckel.
Solches ersetzt aber keine stichhaltige Argumentation.
Nehemoth schrieb:
Außerdem sind m.W. mittlerweile die eigentlichen Auslöser dieser Erfahrungen entdeckt worden - im Gehirn
Was dieses "außerdem" soll, weiß der Geier, aber darauf soll’s jetzt nicht ankommen.
Interessanter ist da schon die Behauptung, es seien die "eigentlichen Auslöser" entdeckt worden.
Die "eigentlichen" Auslöser!
Damit insinuiert unser kritischer Geist, den von mir genannten Ursachen käme diese Rolle nicht zu.
Und er überrascht uns mit der Auskunft, man habe diese Auslöser im Gehirn "entdeckt".
Na ja, wo denn sonst, könnte man da fragen.
Da sämtliche unserer Sinneseindrücke im Gehirn verarbeitet werden, teilweise sogar dort kreiert werden (z. B. Halluzinationen), ist diese "Erkenntnis" reichlich trivial.
Die Bescheidenheit, welche mit der rhetorischen Einschränkung " m.W." demonstriert werden soll, hätte unserem Diskutanten auch bei seinen weiteren Einlassungen gut angestanden, denn mit s.W., seinem Wissen ist es nicht weit her.
Nehemoth schrieb:
(edit: entdeckt nicht, aber allein Wikipedia präsentiert mehrere medizinische Deutungen, die samt und sonders aktueller sind als dein "Quadrupel") .
Aha, es wurde also nicht etwas entdeckt, es wurden lediglich Hypothesen über die spezielleren Vorgänge im Gehirn aufgestellt.
Es ist doch immer etwas peinlich, wenn man Zeuge wird, wie einer, der sich zu weit vorgewagt hat, eiligst zurückrudert, damit es ihn nicht über den Katarakt trägt.
Denn ich für meinen Teil bin ebenfalls in der Lage, in der Wikipedia unter "Nahtod-Erfahrungen" nachzusehen und finde dort im Kapitel "Medizinische Deutung" tatsächlich allerlei Hypothesen, welche zwar in der Tat neueren Datums sind, aber keineswegs im Gegensatz stehen zu den von mir genannten Ursachen, diese keineswegs widerlegen, sondern lediglich versuchen, die Vorgänge im Gehirn, die durch die von mir genannten Noxen
Stickoxidul(Lachgas)rausch,
Kohlendioxidnarkose.
Sauerstoffmangel,
sensorische Deprivation
ausgelöst werden, zu erfassen. Denn alle vier haben dermaßen große Auswirkungen auf den Organismus, dass massive Veränderungen des Gehirnstoffwechsels unausbleiblich sind.
Augenscheinlich ist doch etwas dran an meinem "Quadrupel“ (dieses Wort scheint Nehemoth ja nun gar nicht zu mögen, aber was kann ich dafür, dass etwas, das aus vier Teilen besteht, nun mal mit diesem Begriff bedacht wird?)
Nehemoth schrieb:
Das Phänomen wird unterschiedlich gedeutet und jeder, der es deutet, ist der Überzeugung, Recht zu haben.
Das klingt ja ganz nach postmoderner Unverbindlichkeit und Beliebigkeit (Was soll ich mich abmühen, zu einer Überzeugung zu kommen; ist ja eh alles eins), ganz so einfach verhält es sich jedoch nicht.
Die Erforschung des Gehirns, die Neurophysiologie, die intrazerebrale Endokrinologie und alle damit zusammenhängenden Gebiete sind noch relativ jung.
Forschung am lebenden Hirn sind erst seit Einführung der Magnetresonanztomographie möglich und das ist noch nicht so lange her.
Die Entdeckung der Endorphine liegt nicht gar so weit zurück.
Unter solchen Bedingungen kann es gar nicht ausbleiben, dass unterschiedliche Erklärungsansätze verfolgt werden und versucht wird, den jeweiligen Ansatz so gut es geht zu begründen.
Das hat nichts mit Recht-haben-wollen zu tun, sondern mit dem Bemühen, die Tragfähigkeit der Hypothese zu testen mit dem Ziel, daraus einmal eine brauchbare Theorie zu entwickeln.
Das Rennen macht im wissenschaftlichen Diskurs dann jene Hypothese, welche die vorfindlichen Tatsachen weitestgehend und stringent zu erklären vermag und darüber hinaus auch noch gültige Vorraussagen erlaubt, eben am brauchbarsten ist.
Da es sich bei Wissenschaftlern nun aber um ganz normale Menschen handelt, sind bei dem beschriebenen Prozess natürlich Eifersüchteleien, Rechthaberei, Futterneid und andere liebreizende Wesenszüge nicht ausgeschlossen, was den Diskurs mitunter beträchtlich aufhält. Im allgemeinen setzt sich jedoch die effektivste Variante durch, auch wenn es länger dauert.
Daher kann so einen Satz wie den im Nehemoth-Zitat nur äußern, wem wissenschaftliche Belange ohnehin gleichgültig sind. Warum aber diskutiert man dann?
Nehemoth schrieb:
Auch wenn man den christlichen Neurologen Michael Schröter-Kunhardt (der ausgehend von der Überzeugung, es müsse einen Sinn haben, dieses NTE-Programm für eine Art "Flugsimulation" hält) für einen Scharlatan hält, müsste man jedoch sehen können, dass die Existenz eines Auslösers im Gehirn objektiv nichts über die Echtheit der Erfahrung aussagt.
Herrn Schröter-Kunhardt kenne ich nicht, kann also seine Thesen auch nicht beurteilen, wenngleich das mit der "Flugsimulation" schon ein Rüchlein von Scharlatanerie argwöhnen lässt.
Der Rest des Satzes jedoch ist wieder mal reinste Konfusion.
"...dass die Existenz eines Auslösers im Gehirn objektiv nichts über die Echtheit der Erfahrung aussagt."
Welch eine Wirrnis!
Die Echtheit der Erfahrung wird ja überhaupt nicht in Zweifel gezogen, weder objektiv noch subjektiv.
Natürlich ist die Erfahrung "echt" in dem Sinne, dass der Betreffende sie tatsächlich erlebt.
Bezweifelt wird ja lediglich, dass dieser Erfahrung eine übernatürliche Ursache, das Erleben eines Übergangs vom irdischen Leben in eines nach dem leiblichen Tode nämlich, zugrunde liegt.
Und da vermag die Existenz eines Auslösers im Gehirn sehr wohl etwas darüber auszusagen, ob eine solche übernatürliche Ursache überhaupt glaubhaft gemacht werden kann.
Denn im Falle einer derartigen Existenz ist die Annahme einer Halluzination plausibler als die esoterische Variante.
Nehemoth schrieb:
Somit sprechen NTE nicht für ein Leben nach dem Tode, aber auch nicht dagegen.
Diese Alternative war aber gar nicht der Ausgangspunkt der Diskussion.
Es ging doch darum, ob Nahtoderfahrungen Hinweischarakter auf ein Leben nach dem Tod hätten.
Und ich habe gezeigt, dass dies unter obwaltenden Umständen nicht der Fall ist.
Denn ein solcher Hinweis soll ja nicht den beeinflussen, der bereits an ein Leben nach dem Tod glaubt; der braucht keinen Hinweis mehr.
Die Hinweise, welche reinwiel anschleppte, sollten doch jene bewegen, die sonst schwere Argumente gegen solch ein Leben anführen.
Und ich habe eben nachgewiesen, dass diese Hinweise zu schwach sind, um zu leisten, was von ihnen erwartet wird.
Wer an ein Leben nach dem Tod glauben will, soll das doch getrost tun, wer jedoch diskutieren will, soll Argumente bringen.
Nehemoth schrieb:
Die Frage bleibt offen und sollte gelassen diskutiert werden, da sie eh nicht beantwortet werden kann.
Selbstverständlich bleibt die Frage offen, aber nicht, weil sie nicht beantwortet werden könnte, sondern weil das verfügbare Datenmaterial noch unzureichend ist.
Über Fragen zu diskutieren, die "eh nicht beantwortet" werden können, gleicht dem Dreschen leeren Strohes.
Sinn und Zweck einer kontroversen Diskussion ist doch gerade, Antworten zu finden, und wenn dies nicht möglich ist, weil die konträren Positionen zu weit auseinander klaffen, wenigstens für die eine wie auch die andere stichhaltige Gründe beizubringen.
Stichhaltige – wohlgemerkt.
Und wenn dann einem Kontrahenten nachgewiesen wird, dass seine Gründe nicht stechen, muss dies kein Anlass zum Krakeel sein.
Gelassen diskutiere ich immer, wiewohl ich gestehen muss, dass mir es schon ein wenig frappant erscheint, wenn Gelassenheit erheischt, wer seinen Kontrahenten umstands- und grundlos des Verfassens von Unsinn zeiht. Da wäre so ein bisschen Ausgelassenheit ja auch nicht so unverständlich.
Allerdings ist mir bei vielen Diskussionen aufgefallen, das jene, welche einem pflaumenweichen Sowohl-als-Auch zuneigen, wenn sie mit Festigkeit der Überzeugung, Konsequenz in der Sache und, wo nötig, Härte im Tonfall konfrontiert werden, Unbehagen verspüren und diese Dinge gerne als seelische Exaltationen missdeuten.
Nun, ich kann versichern, ich bin kühl bis ans Herz hinan.
Wem mein Ton zu rau ist, dem kann ich nicht helfen.
Wer es nicht erträgt, angetutet zu werden, weil er das Zurücktuten nicht beherrscht, der ist im Posaunenorchester eben denkbar schlecht aufgehoben.
Jabberwock