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Michael Schmidt-Salomon: "Jenseits von gut und böse"

AW: Michael Schmidt-Salomon: "Jenseits von gut und böse"

Hm... aus dem Link konnte ich erstmal wenig Fruchtbares heraus lesen.

Schmidt-Salomon in seinem Buch schafft sozusagen die Kategorien des Guten und des Bösen ab und ruft zum absoluten Determinismus auf.

Kann man das teilen?

Was heißt: "absoluter Determinismus" ?
Kann diese Position unter Berufung auf sich selbst absolut deterministisch begründet werden ?
Liefert Schmidt-Salomon eine solche Begründung - oder ruft er lediglich dazu auf, sich seiner Position des absoluten Determinismus anzuschließen ?
Der blaue moebius
 
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AW: Michael Schmidt-Salomon: "Jenseits von gut und böse"


Zu viel Relativismus.


Mich verwundert ein wenig, dass MSS in diesem Buch so radikal argumentieren soll,
in einer TV Live-Diskussion hat er auf mich viel moderater und konzilianter gewirkt,
und eher in die Richtung eines "deterministischen Chaos" argumentiert.
Naja, der Determinismus ist die Theorie dahinter, das Chaos ist die Praxis, würde ich sagen.

Bei der Frage Ethik greife ich lieber auf Karl Raimund Popper zurück, der in seiner Abhandlung
"Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" mMn viel Zutreffendes über Gut oder Böse,
Richtig oder Falsch, Wahr oder Unwahr, in Wissenschaft und Religionen geschrieben hat.
Geht das noch etwas genauer?

Ich hab Popper nur in Auszügen gelesen bzw vorgelesen bekommen, und ich fand ihn sehr theoretisch.
 
AW: Michael Schmidt-Salomon: "Jenseits von gut und böse"

Was heißt: "absoluter Determinismus" ?
Kann diese Position unter Berufung auf sich selbst absolut deterministisch begründet werden ?
Liefert Schmidt-Salomon eine solche Begründung - oder ruft er lediglich dazu auf, sich seiner Position des absoluten Determinismus anzuschließen ?
Der blaue moebius
Er liefert eine Begründung, die ich auch teile.

Er schreibt, alles ist im Prinzip die Summe von Millionen und Milliarden von Abläufen in Natur, Umwelt, Gehirnprozessen. Wir sind, was wir aufgrund unserer Umstände sein müssen. Wir können quasi nichts dafür. Das ist zunächst mal logisch, weil ich auch denke, daß alles auf Gründe und Ursachen zurückgeführt werden kann - was in der Praxis sicher nie belegt werden kann - und da ist die nächste Gemeinsamkeit mit Gott.

Es läßt aber null Spielraum für Persönlichkeit und Bewußtsein.

Das gefällt mir zunächst mal nicht, ich habe aber momentan nichts Logisches zum Kontern.
 
AW: Michael Schmidt-Salomon: "Jenseits von gut und böse"

Er liefert eine Begründung, die ich auch teile.

Er schreibt, alles ist im Prinzip die Summe von Millionen und Milliarden von Abläufen in Natur, Umwelt, Gehirnprozessen. Wir sind, was wir aufgrund unserer Umstände sein müssen. Wir können quasi nichts dafür. Das ist zunächst mal logisch, weil ich auch denke, daß alles auf Gründe und Ursachen zurückgeführt werden kann - was in der Praxis sicher nie belegt werden kann - und da ist die nächste Gemeinsamkeit mit Gott.

Es läßt aber null Spielraum für Persönlichkeit und Bewußtsein.

Das gefällt mir zunächst mal nicht, ich habe aber momentan nichts Logisches zum Kontern.

Da ich aus meiner philosophischen Perspektive nach der Qualität bzw. der Begründung der Begründung frage, kommen mir hinsichtlich seiner Begründung doch einige Zweifel/Fragen ... Und bei der Formulierung "Gemeinsamkeit mit Gott" werde ich hell-hörig ! Und wenn etwas "null Spielraum für Persönlichkeit und Bewußtsein" hat, werde ich noch heller-hörig...
Außerdem mußt Du ja nichts zum Kontern haben...
Wenn Du mir eine konkrete Frage stellst, versuche ich, diese mit meinen Möglichkeiten und nach "bestem Wissen und Gewissen" ;) zu beantworten.
Gruß, der blaue moebius
 
AW: Michael Schmidt-Salomon: "Jenseits von gut und böse"

Hallo MissVersthehen.

Es läßt aber null Spielraum für Persönlichkeit und Bewußtsein.

Das ist doch bereits ein echtes Gegenargument.
Du hast ja das Empfinden, dass Du Dein Leben mehr oder weniger selbst in der Hand hast, selbst Entscheidungen triffst und so weiter.

Nach dem was Philosophen, Soziologen, Hirnforscher und Psychologen so herausgefunden haben, ist unser tatsächlicher Einflussbereich beschränkter als wir das wahrhaben wollen, aber nichts spricht dafür, dass wir wirklich rundweg determiniert sind.

Du kannst Dich ja von Gründen und Ansichten überzeugen lassen, also Deine Meinung in bestimmten Bereichen ändern. Das meint auch Schmidt-Salomon, sonst hätte sein Buch, mit dem er ja andere überzeugen von seiner These überzeugen will, keinen Sinn, in der Philosophie heißt das performativer Selbstwiderspruch, und bedeutet, dass man sich praktisch anders verhält, als man theoretisch sagt.

Ein harter Determinismus würde sagen, dass es ohnehin kommt, wie es kommt, dann braucht man den Menschen einfach nur leben zu lassen. Tun wir aber nicht, wir erziehen, strafen, therapieren, diskutieren.
Wenn gleich man manchmal den Eindruck haben darf, dass was Meinungen und Ansichten angeht, manche die Flexibilität eines Granitblocks haben, braucht man dennoch nicht zum Kulturpessimisten zu werden, zumindest nicht aus dem Grund.
 
AW: Michael Schmidt-Salomon: "Jenseits von gut und böse"

Da ich aus meiner philosophischen Perspektive nach der Qualität bzw. der Begründung der Begründung frage, kommen mir hinsichtlich seiner Begründung doch einige Zweifel/Fragen ... Und bei der Formulierung "Gemeinsamkeit mit Gott" werde ich hell-hörig !
Das ist mein Vergleich, nicht seiner. Ich denke, ihm war oder ist das gar nicht so sehr bewußt, wie sehr seine Denkschiene in praxi mit der eines Gläubigen konform läuft.

Und wenn etwas "null Spielraum für Persönlichkeit und Bewußtsein" hat, werde ich noch heller-hörig...
Außerdem mußt Du ja nichts zum Kontern haben...
Ich möchte aber, da mit das Ergebnis seiner logischen Argumentation zwar zwingend erscheint, aber nicht gefällt...;)

Wenn Du mir eine konkrete Frage stellst, versuche ich, diese mit meinen Möglichkeiten und nach "bestem Wissen und Gewissen" ;) zu beantworten.
Gruß, der blaue moebius
Okay, nehmen wir an, er hat Recht und wir können in jedem Moment nur auf eine ganz bestimmte Weise handeln. Wäre das nicht das Ende des Begriffes "Persönlichkeit"?
 
AW: Michael Schmidt-Salomon: "Jenseits von gut und böse"

Das ist doch bereits ein echtes Gegenargument.
Du hast ja das Empfinden, dass Du Dein Leben mehr oder weniger selbst in der Hand hast, selbst Entscheidungen triffst und so weiter.

Nach dem was Philosophen, Soziologen, Hirnforscher und Psychologen so herausgefunden haben, ist unser tatsächlicher Einflussbereich beschränkter als wir das wahrhaben wollen, aber nichts spricht dafür, dass wir wirklich rundweg determiniert sind.
Oh, das finde ich nicht. Wenn ich MSS lese, und seiner Argumentation folge, spricht eigentlich nichts dagegen, daß wir rundum determiniert sind.

Was nicht geht, ist, es im Einzelnen zu beweisen. Das ist schlichtweg unmöglich, da es sehr viele nicht mehr nachzuvollziehende Faktoren gibt, die dazu geführt haben, daß ich heute seit langem mal wieder anderthalb statt einem Brötchen gefrühstückt habe.

Ich denke wie MSS, daß alle unsere Handlungen und Meinungen usw Ursachen haben, die dazu geführt haben, daß wir so sind wie wir sind, und daß wir so handeln, wie wir es tun.

Nur würde das eben vollständig verhindern, daß unser Ego mit dem Begriff Bewußtsein, bewußte Entscheidung, Persönlichkeit(sentwicklung) verbudnen wird.

Wir würden uns quasi nur noch selber beim Leben zuschauen.

Du kannst Dich ja von Gründen und Ansichten überzeugen lassen, also Deine Meinung in bestimmten Bereichen ändern.
Ja, aber nach ihm wäre das dann auch bloß wieder eine Folge dessen, daß mir eine bestimmte Argumentation entgegen kommt, daß mein Gehirn, wie es beschaffen ist, diese aufgreift und nach der Wichtung, die bei mir der Ratio gegenüber den Emotionen mehr Gewicht einräumt, überzeugend wirkt.

Das meint auch Schmidt-Salomon, sonst hätte sein Buch, mit dem er ja andere überzeugen von seiner These überzeugen will, keinen Sinn, in der Philosophie heißt das performativer Selbstwiderspruch, und bedeutet, dass man sich praktisch anders verhält, als man theoretisch sagt.
Nach seinem Lebenslauf und seiner Beschaffenheit MUSS er quasi so ein Buch schreiben, er will missionieren, weil er gar nicht anders kann.

Ein harter Determinismus würde sagen, dass es ohnehin kommt, wie es kommt, dann braucht man den Menschen einfach nur leben zu lassen.
Da grüble ich eben, wie es sich verhält:

das eine ist die Theorie (es kommt, wie es kommen muß), das andere die Praxis (es kommt, wie es kommen muß, aber WIR begreifen uns als selbständig denkende und handelnde Wesen und lehnen eine "Determinationsergebenheit" rundheraus ab).

(Ist der Unterschied klar geworden... *grübel*?

Tun wir aber nicht, wir erziehen, strafen, therapieren, diskutieren.
Ja, weil wir nicht davon überzeugt sind, daß wir einfach laufen lassen. Wären wir es, würden wir anders handeln (??).

Wenn gleich man manchmal den Eindruck haben darf, dass was Meinungen und Ansichten angeht, manche die Flexibilität eines Granitblocks haben, braucht man dennoch nicht zum Kulturpessimisten zu werden, zumindest nicht aus dem Grund.
Wenn es tröstet: auch die Granitblöcke KÖNNEN nicht anders... :D
 

Popper, diesseits von Gut und Böse.

MissVerstehen schrieb:
Geht das noch etwas genauer?

Ich hab Popper nur in Auszügen gelesen bzw vorgelesen bekommen,
und ich fand ihn sehr theoretisch.

Ich will hier nicht eine weitere "theoretische Vorlesung" abhalten, sondern lieber skizzieren,
inwieweit sich meine Sichtweise mit der (vermeintlichen?) Sichtweise Poppers gut verträgt.

Summa summarum glaube ich, dass Popper in der Frage Ethik eine ausufernde Relativierung ablehnt,
und trotz des Bewusstseins der Unerreichbarkeit einer absoluten Gewissheit
eine Legitimität von Urteilen über gut oder böse, wahr oder unwahr, richtig oder falsch, annimmt.
Dies gilt sowohl für den Bereich der Wissenschaft, als auch für die Bereiche Politik und Religion.


MissVerstehen schrieb:
Er schreibt, alles ist im Prinzip die Summe von Millionen und Milliarden
von Abläufen in Natur, Umwelt, Gehirnprozessen. ...

Diese Darstellung kann als eine Kurzfassung des Verständnisses von deterministischem Chaos
betrachtet werden. Grundsätzlich verläuft alles in Kausalketten, aber durch die unüberschaubare
Vielzahl von kreuz und quer verlaufenden, miteinander verwobenen und wechselwirkenden Kausalketten
ist das Gesamtgeschehen unvorhersehbar, eben chaotisch.

Vergleichbare Verhältnisse haben wir etwa bei den Bewegungsverläufen der Wassermoleküle in
einer Kochdunstschwade, die ja wohl zweifelsfrei eine rein physikalische Ursache-Wirkungs-Kette
darstellen. Kein halbwegs vernünftiger Mensch wird diese Bewegungsverläufe auf das Wirken
eines Dunstschwaden-Dämons zurückführen,
aber dennoch ist der Bewegungsverlauf eines einzelnen Moleküles nicht vorherbestimmbar.

MissVerstehen schrieb:
Wir sind, was wir aufgrund unserer Umstände sein müssen.
Wir können quasi nichts dafür.

Das ist zunächst mal logisch, weil ich auch denke, daß alles auf Gründe und Ursachen
zurückgeführt werden kann - was in der Praxis sicher nie belegt werden kann - und da ist
die nächste Gemeinsamkeit mit Gott.

Es läßt aber null Spielraum für Persönlichkeit und Bewußtsein.

Bei dieser Schlusssfolgerung werden zwei grundverschiedene Ebenen miteinander vermischt.

Die Verantwortlichkeit des Menschen für sein Verhalten wird nicht naturwissenschaftlich
begründet oder abgeleitet, sondern ist eine gesellschaftliche Zuschreibung,
die aufs Engste mit der Zuschreibung einer Menschenwürde verbunden ist.

Jedem Menschen wird eine Menschenwürde allein aufgrund seines Menschseins zugeschrieben.
Das ist eine gesellschaftliche Übereinkunft, und dafür ist es völlig egal,
wie gut oder schlecht wir die Arbeitsweise des Menschenhirnes verstehen.

Das Gleiche gilt (mit einigen Ausnahmen) für die Zuschreibung von Verantwortlichkeit.


Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden.

 
AW: Michael Schmidt-Salomon: "Jenseits von gut und böse"

Hallo MissVerstehen.

Zitat:
Zitat von Pirroge
Das ist doch bereits ein echtes Gegenargument.
Du hast ja das Empfinden, dass Du Dein Leben mehr oder weniger selbst in der Hand hast, selbst Entscheidungen triffst und so weiter.

Nach dem was Philosophen, Soziologen, Hirnforscher und Psychologen so herausgefunden haben, ist unser tatsächlicher Einflussbereich beschränkter als wir das wahrhaben wollen, aber nichts spricht dafür, dass wir wirklich rundweg determiniert sind.

Oh, das finde ich nicht. Wenn ich MSS lese, und seiner Argumentation folge, spricht eigentlich nichts dagegen, daß wir rundum determiniert sind.

Dem Gedankengang würde ich mich gerne widmen, bin aber darauf angewiesen, dass Du mir dabei auf die Sprünge hilfst, da ich das Buch nicht kenne.
Also, wenn Du magst…

Was nicht geht, ist, es im Einzelnen zu beweisen. Das ist schlichtweg unmöglich, da es sehr viele nicht mehr nachzuvollziehende Faktoren gibt, die dazu geführt haben, daß ich heute seit langem mal wieder anderthalb statt einem Brötchen gefrühstückt habe.

Aha.
Überzeugend klingt anders.

Ich denke wie MSS, daß alle unsere Handlungen und Meinungen usw Ursachen haben, die dazu geführt haben, daß wir so sind wie wir sind, und daß wir so handeln, wie wir es tun.

Naja gut, recht und billig, gibt es überhaupt jemanden der das bestreiten würde?

Nur würde das eben vollständig verhindern, daß unser Ego mit dem Begriff Bewußtsein, bewußte Entscheidung, Persönlichkeit(sentwicklung) verbudnen wird.

Wir würden uns quasi nur noch selber beim Leben zuschauen.

Dabei sind wir doch nach Meinung anderer zentral dadurch definiert, dass wir Handelnde sind, die Gründe für unser Tun angeben können.
Ich würde zum Beispiel behaupten, dass ich Dir jetzt antworte, weil mich die Thematik anspricht. Das hat bestimmt damit zu tun, dass ich schon mal ein Buch (wenn auch nicht das) zum Thema gelesen habe. Das kann man nun weitertreiben, wenn man will, wichtig scheint aber für den freien Willen zu sein, ob ich meine mich prägenden Ursachen gemäß meiner Einsichten ändern kann.
Eigentlich sollte ich mehr Sport machen, weniger rauchen, netter zum Nachbarn sein, nicht mehr beim Chef buckeln – und irgendwann macht man es dann, vielleicht.

Zitat:
Du kannst Dich ja von Gründen und Ansichten überzeugen lassen, also Deine Meinung in bestimmten Bereichen ändern.

Ja, aber nach ihm wäre das dann auch bloß wieder eine Folge dessen, daß mir eine bestimmte Argumentation entgegen kommt, daß mein Gehirn, wie es beschaffen ist, diese aufgreift und nach der Wichtung, die bei mir der Ratio gegenüber den Emotionen mehr Gewicht einräumt, überzeugend wirkt.

Dein Gehirn, oder Deine Lebenserfahrung?
Als was erlebst Du Dich denn, als Gehirn, oder als fühlendes und denkendes Wesen, mit einer Ich-Identität, einer Lebensgeschichte?
Es gibt eine gute, aber komplizierte philosophische Argumentation gegen diesen Neurodeterminismus, bist Du philosophisch vorbelastet?
Ansonsten läuft es auf die Frage hinaus, ob es möglich ist, die biologisch determinierenden Ursachen ohne Rest und Sinnverlust so darzustellen, dass diese alle Aspekte des Subjekterlebens einfangen.
Würdest Du nicht in einigen Fällen sagen, es sei ein Resultat Deiner ganz persönlichen Lebenserfahrung, dass Du heute so denkst und nicht anders?
Es könnte also sein, dass das Lachen eines Deiner Kinder Dir ein Glücksempfinden bereitet, das sich neuronal widerspiegelt. Gesetzt den Fall, man könnte dieses Glücksempfinden lokalisieren und imitieren, so, dass es Dir so erscheint, als hättest Du Kinder, die Dich öfter mal glücklich machen, würdest Du sagen, dass Du dann auf Deine realen Kinder ach verzichten kannst?
Denn was nach der MSS‘ Logik zählt, sind dann Hirnzustände und nicht reale Gegebenheiten.
Nun ist nicht alles was wir erleben reale Gegebenheit, sondern da ist eine Menge Konstruktion im Spiel, nur wenn man die hirnphysiologischen (und –pathologischen) Endzustände als einzig relevant ansieht, wenn da also am Ende nur Trauer, Freude, Erregung oder was auch immer sonst steht, fällt aus dieser Perspektive betrachtet, das semantische und pragmatische Gefüge, das Netz von Überzeugungen, Gründen, praktischen Richtigkeiten usw. (das wir Alltag nennen) in sich zusammen, wir starren nur noch auf Neurotransmitterausstöße und wissen nicht mehr, ob das Glücksempfinden vom Kinderlachen oder der Bitterschokolade stammt.

Zitat:
Das meint auch Schmidt-Salomon, sonst hätte sein Buch, mit dem er ja andere überzeugen von seiner These überzeugen will, keinen Sinn, in der Philosophie heißt das performativer Selbstwiderspruch, und bedeutet, dass man sich praktisch anders verhält, als man theoretisch sagt.

Nach seinem Lebenslauf und seiner Beschaffenheit MUSS er quasi so ein Buch schreiben, er will missionieren, weil er gar nicht anders kann.

Das geht dann aber in die Richtung der von moebius erwähnten Doppelbindung.
Du kannst nur zustimmen, dass Du determiniert bist, oder Du hast es noch nicht begriffen, was aber zu erwarten war, da Du determiniert bist.
In der Wissenschaft weiß man, dass es ein Gütezeichen einer Theorie ist, dass sie prinzipiell falsifizierbar ist, dass heißt es muss gesagt werden, was der Fall wäre, wenn die Theorie nicht stimmt.
Ein (harter) Determinismus hat das Problem, dass er immer stimmt, prinzipiell nicht zu widerlegen ist und was, wenn man geschickt zu schreiben vermag dann vordergründig überzeugend klingt ist um den schweren Preis der Nichtwiderlegbarkeit erkauft, was ein wissenschaftliches Todesurteil ist.

Zitat:
Ein harter Determinismus würde sagen, dass es ohnehin kommt, wie es kommt, dann braucht man den Menschen einfach nur leben zu lassen.

Da grüble ich eben, wie es sich verhält:

das eine ist die Theorie (es kommt, wie es kommen muß), das andere die Praxis (es kommt, wie es kommen muß, aber WIR begreifen uns als selbständig denkende und handelnde Wesen und lehnen eine "Determinationsergebenheit" rundheraus ab).

(Ist der Unterschied klar geworden... *grübel*?

Ja, aber die stumme Behauptung dahinter ist, dass wir den Gedanken nicht ertragen können determiniert zu sein und uns deshalb fortwährend einreden, dass wir es nicht sind.
Zum Glück klären uns weisere Menschen gerne über diesen Umstand auf, was aber leider nichts bringen kann, da es eh kommt, wie es kommt und wir zur Einsicht, oder Unfähigkeit in dieselbe ohnehin gekommen währen. Kollateraler Nutzen für MSS ist der Erwerb aus dem Verkauf der Bücher, aber da es schlimmeres gibt als Bücher zu schreiben sei es ihm gegönnt.
Zitat:
Tun wir aber nicht, wir erziehen, strafen, therapieren, diskutieren.

Ja, weil wir nicht davon überzeugt sind, daß wir einfach laufen lassen. Wären wir es, würden wir anders handeln (??).

Was heißt hier einfach laufen lassen?
Es würde eine Menge Geld sparen, wenn wir das Straf- und Schulsystem einfach abschaffen, weil es ohnehin kommt, wie es kommt, das dumme ist nur, dass das was auf dem Papier noch hübsch klingt, im Alltag niemand glaubt.


Zitat:
Wenn gleich man manchmal den Eindruck haben darf, dass was Meinungen und Ansichten angeht, manche die Flexibilität eines Granitblocks haben, braucht man dennoch nicht zum Kulturpessimisten zu werden, zumindest nicht aus dem Grund.


Wenn es tröstet: auch die Granitblöcke KÖNNEN nicht anders...


Eben, hier wird die Einsicht, dass Menschen sich ändern können verbaut, zugunsten der öden Fabel, alles sei letztlich eine Art Gravitationsgesetz, Welterklärung auf dem Boden der Physik, nicht beachtend, dass Physik zu betreiben eine soziale Praxis ist, die ein forschen wollendes Ich stillschweigend voraussetzt, Felsblöcke betreiben nämlich leider weder Wissenschaft noch Philosophie.
 
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AW: Michael Schmidt-Salomon: "Jenseits von gut und böse"


Popper, diesseits von Gut und Böse.

Ich will hier nicht eine weitere "theoretische Vorlesung" abhalten, sondern lieber skizzieren,
inwieweit sich meine Sichtweise mit der (vermeintlichen?) Sichtweise Poppers gut verträgt.
Gute Idee...:)

Summa summarum glaube ich, dass Popper in der Frage Ethik eine ausufernde Relativierung ablehnt,
MSS ebenso.

und trotz des Bewusstseins der Unerreichbarkeit einer absoluten Gewissheit
eine Legitimität von Urteilen über gut oder böse, wahr oder unwahr, richtig oder falsch, annimmt.
Dies gilt sowohl für den Bereich der Wissenschaft, als auch für die Bereiche Politik und Religion.
Hier muß man unterscheiden in die faktische (wissenschaftliche) und ethische Komponente, wie ich finde.

Richtig oder falsch können sowohl wissenschaftliche als auch ethische Komponenten sein.

MSS will sich von "gut/böse" verabschieden, weil er die Kategorien "das Gute/Böse" negiert (was ich genauso sehe). Er stellt auf die Begriffe Wohl/Wehe ab, die letztendlich auch nur positiv/negativ-Wertungen sind.

Ich denke, daß wir ohne diese Wertungen auch nicht auskommen, bei aller Determination.

Diese Darstellung kann als eine Kurzfassung des Verständnisses von deterministischem Chaos
betrachtet werden. Grundsätzlich verläuft alles in Kausalketten, aber durch die unüberschaubare
Vielzahl von kreuz und quer verlaufenden, miteinander verwobenen und wechselwirkenden Kausalketten
ist das Gesamtgeschehen unvorhersehbar, eben chaotisch.
Genau.

Bei dieser Schlusssfolgerung werden zwei grundverschiedene Ebenen miteinander vermischt.

Die Verantwortlichkeit des Menschen für sein Verhalten wird nicht naturwissenschaftlich
begründet oder abgeleitet, sondern ist eine gesellschaftliche Zuschreibung,
die aufs Engste mit der Zuschreibung einer Menschenwürde verbunden ist.
Okay.

Aber ist genau DAS nicht falsch, wenn diese gesellschaftliche Übereinkunft aufgrund eines Irrtums geschlossen wurde? Wenn es wirklich stimmt, daß wir gar nicht von uns aus selbständig und mit freiem Willen handeln KÖNNEN, ist der Begriff der Verantwortlichkeit total fehl am Platze, Übereinkunft hin oder her.
 
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