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Mathematik: entdeckt oder erfunden?

was aber, wenn jene wesen in einer völlig anderen physikalischen realität lebten (mal abgesehen von der physikalischen frage, ob diese dann mit uns überhaupt in kontakt treten könnten) ?
dann sagt uns die logik, dass zur beschreibung ihrer welt unsere mathematik nicht geeignet sein wird

Ja, muzmuz, ich sehe das gleich wie du. Zur Beschreibung ihrer Welt wäre eine andere Mathematik nötig.
Aber auf die Frage, ob Mathematik nun entdeckt sei, spricht dieser Umstand doch dafür, dass die Mathematik von der Erfahrung, der unmittelbar erlebbaren Natur abgeleitet ist. Denn, wie du sagst, müssten diese Wesen in einer anderen physikalischen Realität leben, um auf andere Ergebnisse zu kommen, als wir mit unserer Mathematik.
Insofern ist Mathematik nicht etwas Erfundenes, etwas, das wir in unserem Geist geschaffen haben, sondern eine Beschreibung von Gesetzmäßigkeiten, die außerhalb von uns existieren, und die damit entdeckt sind.
 
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AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Hallo joan,

was den vierdimensionalen RAUM angeht, so fehlt uns dafür gänzlich die Erfahrung.

Ein- und zweidimensionale Räume sind da viel leichter vorstellbar: ein Faden oder die Kugeloberfläche.

Zählen begann sicher im Gefolge der Erfahrung unserer Altvorderen, der Jäger und Sammler. Insofern hat die Mathematik ihre Wurzeln in der Erfahrung. Das mathematische Verständnis, die Welt zu erfassen, hat allerdings eine lange Geschichte, die sich nicht nur auf blosse Erfahrungen abstützt.

Nehmen wir mal die komplexen Zahlen. Ihre Einführung entspringt lediglich den Bedürfnissen der Mathematik und hat eigentlich keinerlei Bezug zur Realität, nicht einmal in der zeitabhängigen Form der Schrödinger-Gleichung der Quantenmechanik (real ist nur der Betrag der Wellenfunktion).

Gruss
Hartmut

Hartmut,

"Raum" ist dreidimensional.

Zweidimensional ist "Fläche", eindimensional "Länge".

Eine vierte Dimension wäre jedenfall etwas anderes als "Raum".

Zählen hat meiner Meinung nach NICHTS mit Erfahrung zu tun, sondern mit unserem uns angeborenen mathematisch-grammatischen Weltverständnis.

Auch Tiere haben jede Menge Erfahrung, zwangsläufig, und lernen doch meist nicht zählen.

Sie leben ihr Leben trotz oft langjähriger Erfahrung (man denke nur an Schildkröten) völlig unmathematisch und ungrammatisch.

Zahlen würden uns ebenso wenig bedeuten, wenn wir nicht einen angeborenen Sinn dafür hätten.
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Ja, muzmuz, ich sehe das gleich wie du. Zur Beschreibung ihrer Welt wäre eine andere Mathematik nötig.
Aber auf die Frage, ob Mathematik nun entdeckt sei, spricht dieser Umstand doch dafür, dass die Mathematik von der Erfahrung, der unmittelbar erlebbaren Natur abgeleitet ist. Denn, wie du sagst, müssten diese Wesen in einer anderen physikalischen Realität leben, um auf andere Ergebnisse zu kommen, als wir mit unserer Mathematik.
Insofern ist Mathematik nicht etwas Erfundenes, etwas, das wir in unserem Geist geschaffen haben, sondern eine Beschreibung von Gesetzmäßigkeiten, die außerhalb von uns existieren, und die damit entdeckt sind.

hallo,

ich denke, diese argumentation würde die frage beantworten, ob unsere mathematik frei erfunden wäre oder nicht; nicht aber ob sie erfunden oder entdeckt wurde
die vorgabe, dass unsere mathematik unter anderem unsere umwelt möglichst eindeutig, einfach und noch dazu (zumindest für geschulte geiste) verständlich beschreiben soll, stellt massive einschränkungen dar

analog bei gängigen lautsprachen (deutsch, englisch, suaheli):
auch wenn sätze, worte, buchstaben und die grammatik erst erfunden werden mussten und sie in den verschiedenen sprachen sehr unterschiedlich sein können, verbindet diese sprachen die gemeinsame anforderung, dass sie der kommunikation zwischen menschen dienen soll; vor allem im alltag
betrachtet man alle möglichen sprachen alleine auf der erde (z.b. pheromonsprache zwischen insekten, tanzsprache von bienen oder verschiedene balzende tiere, leuchtsprache von leuchtkäfern, etc...) liegen unsere sprachen auf einmal sehr nahe bei einander
sie bestehen aus worten, die der mensch aussprechen oder in wenigen sekunden nieder schreiben kann, mehrere worte ergeben ein größeres konstrukt (bei uns sätze), mehrere sätze können zusammenhängend eine geschichte beschreiben
und doch unterscheiden sich die sprachen, wenn es unterschiedliche alltage gibt
in manchen sprachen gibt es keine zeitbegriffe, in manchen nicht einmal zahlwörter, inuit haben unzählige worte für schnee, in deutsch gibt es eine handvoll (schnee als überbegriff, neuschnee, firn, harsch, kunstschnee, etc...als spezielle schneesorten), manche haben vielleicht nur ein wort, und in manch abgelegenen, heißen regionen mag es gar kein wort für schnee geben, weil schnee dort unbekannt ist

zu erfindungen:
ein fahrrad, so wie wir es kennen, wurde ja auch erfunden
seine form folgt aber den anatomischen und physikalischen voraussetzung
(z.b. 2 pedale und nicht 13, lenker vorne oben und nicht links hinten, räder rund und nicht dreieckig, und und und)
trotzdem kann man nicht behaupten, das fahrrad wäre eine entdeckung, sondern es ist eine erfindung

als schlagkräftigsten beweis, dass mathematik erfunden und nicht entdeckt ist, ist folgender unterschied zu den naturwissenschaften:
naturwissenschaften bauen auf beobachtungen/messungen auf
mathematik baut auf theoreme/axiome auf
hartmuts anführung der komplexen zahlen ist hier ein gutes beispiel:
zuerst wurde "geistig onaniert", und die komplexen zahlen definiert
erst später hatten sie in der physik ihren nutzen, nämlich zuerst beim wechselstrom
wechselstromphänomene können mit der mathematik der komplexen zahlen gut beschrieben werden; jene mathematik war eine geeignete sprache dafür
aber was war bis dahin ? die mathematik existierte, nur keinerlei beobachtung, die (zwingend) darauf hin führte

lg,
Muzmuz
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Wieder sehr klar und überzeugend; Neid erregend!

Allein die Sache mit den Axiomen bedarf der Erläuterung: Vom Himmel gefallen sind auch die nicht. Aus der Erfahrung destilliert sind sie auch nicht, sonst hießen sie anders. Was sprechen sie aus? Eine pragmatische Prämisse - etwa von der Art: 'Wenn du ein xy haben willst, musst du... machen' - ? Wobei dann die 'Vorstellung' von xy aber schon gedacht sein muss.
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

"Raum" ist dreidimensional.

Zweidimensional ist "Fläche", eindimensional "Länge".

Hallo joan,

das ist mir nicht neu.:)

Aber, obwohl sich auch Mathematiker, wie alle anderen Menschen, im dreidimensionalen Raum bewegen, operieren sie mit dem "n-dimensionalen Raum". Sie meinen damit eine Menge von Punkten, die durch n reelle Zahlen (Koordinaten) beschrieben wird.

Zählen hat meiner Meinung nach NICHTS mit Erfahrung zu tun, sondern mit unserem uns angeborenen mathematisch-grammatischen Weltverständnis.

Ja, doch warum ist uns dieses Weltverständnis angeboren? Doch wohl deshalb, weil es in der Welt etwas zu zählen gibt und weil die Evolution ("biologische Erfahrung") gezeigt hat, dass Zählen nützlich ist.

Allerdings, die von der Evolution uns mitgegebene Fähigkeit zum Zählen reicht nur bis drei oder vier. Alles was darüber hinaus geht, können wir erst dank der menschlichen Kultur und müssen wir bewusst lernen.

Auch Tiere haben jede Menge Erfahrung, zwangsläufig, und lernen doch meist nicht zählen.

Bis drei oder vier zählen können auch manche Tiere. Das haben Experimente mit Affen gezeigt (Rhesusaffen, Menschenaffen). Aber OK, die Fähigkeit zum Zählen entspringt nicht der Erfahrung des individuellen Lebens der Tiere, sondern ist genetisch bedingt, also angeboren.

Zahlen würden uns ebenso wenig bedeuten, wenn wir nicht einen angeborenen Sinn dafür hätten.

Zustimmung.

Gruss
Hartmut
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Ja, doch warum ist uns dieses Weltverständnis angeboren? Doch wohl deshalb, weil es in der Welt etwas zu zählen gibt und weil die Evolution ("biologische Erfahrung") gezeigt hat, dass Zählen nützlich ist.

Das ist Spekulation.

In der Natur um uns herum haben das Bedürfnis und auch das Vermögen zu zählen nur eine verschwindend kleine Anzahl von Lebewesen.

Inwiefern der Spezies Mensch diese ausgeprägte Lust am Zählen und Ordnen letzendlich nutzt, wird sich erst herausstellen.
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Inwiefern der Spezies Mensch diese ausgeprägte Lust am Zählen und Ordnen letzendlich nutzt, wird sich erst herausstellen.

Wieso "erst", joan? Der Nutzen hat sich doch schon herausgestellt, siehe die Entwicklung der Zivilisation.

Gruss
Hartmut
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Mathematik ist Konstruktionslehre. Sie beschreibt in ihrem Zeichensystem, zu welchen Konstrukten ich gelange, wenn ich im Reich der Zahlen (=idealiter: in der Zeit; "wie oft?") diese und im (idealen) Raum ("wo lang?") jene Operation anstelle.

Warum lässt sich die Mathematik "auf die Welt der Dinge anwenden"? Weil ich mir die Welt der Dinge so vorstellen kann, als ob ich sie selber konstruiert hätte; dann beschreibt die Mathematik in ihrem Zeichensystem, wie ich hätte verfahren müssen, um sie so zu konstruieren.
 
ich denke, diese argumentation würde die frage beantworten, ob unsere mathematik frei erfunden wäre oder nicht; nicht aber ob sie erfunden oder entdeckt wurde
die vorgabe, dass unsere mathematik unter anderem unsere umwelt möglichst eindeutig, einfach und noch dazu (zumindest für geschulte geiste) verständlich beschreiben soll, stellt massive einschränkungen dar

Wie erklärst du es dir, dass die Mathematik der Maya zu den selben Ergebnissen kommt, wie die unsere? Es muss hier doch eine Gesetzmäßigkeit zugrunde liegen, aus der die Mathematik der Maya und unsere entstanden sind.

Muzmuz schrieb:
als schlagkräftigsten beweis, dass mathematik erfunden und nicht entdeckt ist, ist folgender unterschied zu den naturwissenschaften:
naturwissenschaften bauen auf beobachtungen/messungen auf
mathematik baut auf theoreme/axiome auf
hartmuts anführung der komplexen zahlen ist hier ein gutes beispiel:
zuerst wurde "geistig onaniert", und die komplexen zahlen definiert
erst später hatten sie in der physik ihren nutzen, nämlich zuerst beim wechselstrom
wechselstromphänomene können mit der mathematik der komplexen zahlen gut beschrieben werden; jene mathematik war eine geeignete sprache dafür
aber was war bis dahin ? die mathematik existierte, nur keinerlei beobachtung, die (zwingend) darauf hin führte

Ich erkenne hier keinen Beweis.
Die Axiome der Mathematik sind ja nicht frei erfunden. Genauso wenig wie die Axiome Newtons. Ich denke sogar, dass diese in der Erfahrung wurzeln. Und wenn nicht in der Erfahrung, so dann aber in der Logik. Aussagen, die für sich beanspruchen, logisch zu sein, können meines Erachtens nicht sinngemäß als "erfunden" bezeichnet werden. Wenn ich sage, es ist wahr, dass es regnet oder nicht, dann ist der Gehalt dieser Aussage ja nicht erfunden. Ob man ihn als "entdeckt" bezeichnen sollte, halte ich für umstritten. Es ist eine logische Konsequenz, aber sicher keine Erfindung. Eben genauso wenig, wie die mathematischen Axiome.
Ein Beispiel: Extensionalitätsaxiom oder Axiom der Bestimmtheit: Zwei Mengen sind genau dann gleich, wenn sie dieselben Elemente enthalten.
Auch wenn hier erfundene Begriffe wie "Menge" oder "Element" benutzt werden, ist die Aussage des Axioms selbst gewiss keine Erfindung. Eine gute Bezeichnung dafür wäre wahrscheinlich "logische Konsequenz".
 
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AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Wieso "erst", joan? Der Nutzen hat sich doch schon herausgestellt, siehe die Entwicklung der Zivilisation.

Gruss
Hartmut

Ob diese Zivilisation der Spezies letzendlich nutzt hat sich keineswegs schon herausgestellt.

WIR leben noch. Aber die Spezies Mensch ist drauf und dran ihre Weiterexistenz zu untergraben, dank dieser erstmal nützlichen Eigenschaften.
 
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