_its_not_me_
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Der folgende Text stammt aus einer Mitschrift einer Vorlesungsreihe von Niklas Luhmann.
Es geht um die These von D. MacKay, dass Freiheit auch denkbar ist auf Basis von Determiniertheit
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[...] Ein weiterer Punkt, der mich immer fasziniert hat, betrifft die Frage, was passiert, wenn es zwei komplexe Systeme miteinander zu tun bekommen, wenn sie gekoppelt werden oder in Interaktion treten und nicht die Fähigkeit haben, die Komplexität des anderen im eigenen System zu duplizieren, das heißt nicht über die „requisite variety" verfügen, die erforderlich wäre, um ein anderes System in sich selbst abzubilden. Nach einer These von Donald McKay, einem schottischen Kybernetiker oder Informations-Theoretiker, entsteht unter diesen Bedingungen Freiheit.
Selbst wenn komplexe Systeme Maschinen und vollständig determiniert wären, musste jedes System unterstellen, dass das andere beeinflusst werden kann, also auf Signale reagiert, und dies nicht in einer Weise, deren Determiniertheit man im System selbst ausrechnen konnte, sondern eben in einer Weise, die unvorhersehbar ist. Daher muss man die Information gleichsam süssen, man muss Anreize bieten, von denen man glaubt oder aus Erfahrung weiß, dass die anderen Systeme sich darauf einlassen, dass sie freiwillig, aufgrund eigener Präferenzen kooperieren beziehungsweise, wenn man das ausschließen will, nicht kooperieren, dass sie also entscheiden können und nicht schon durchdeterminierte Systeme sind, die das tun, was sie sowieso tun. Die interessante Hypothese ist, dass Freiheit durch die Duplikation der Systeme aus Determiniertheit entsteht.
Es muss sich um mehr als ein System handeln, und sie müssen komplexitätsunterlegen sein, dürfen also nicht über requisite variety verfugen. Sie müssen interagieren und müssen Freiheit fingieren, um sich selbst in ein Verhältnis zu einem anderen System bringen zu können. Wenn dies auf beiden Seiten geschieht, wird Freiheit qua Fiktion Realität.
Ich weiss nicht, was Sie davon halten. Es ist jedenfalls eine Sache, über die man nachdenken kann und die ein bisschen die alte Diskussion auflost, ob die Welt entweder determiniert oder indeterminiert ist. Wir haben es dann wieder mit einer Paradoxierung der Unterscheidung zu tun: Die Welt ist indeterminiert, weil sie determiniert ist, dies allerdings nicht zentral, sondern lokal.
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Was haltet ihr davon? Wer weiß mehr darüber? Ich hab' nichts genaueres über diese Theorie finden können ...
Diese Theorie "passt" übrigens auch ganz gut zu dem Aufsatz von Singer (ab Seite 15 Selbstmodell als soziales Konstrukt der in "Philosophie oder Naturwissenschaft?" unter Philosophische Literatur diskutiert wird.
In einem gewissen Sinne fügt dieser Ansatz die "fehlende" Zweite-Person-Perspektive hinzu
Es geht um die These von D. MacKay, dass Freiheit auch denkbar ist auf Basis von Determiniertheit
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[...] Ein weiterer Punkt, der mich immer fasziniert hat, betrifft die Frage, was passiert, wenn es zwei komplexe Systeme miteinander zu tun bekommen, wenn sie gekoppelt werden oder in Interaktion treten und nicht die Fähigkeit haben, die Komplexität des anderen im eigenen System zu duplizieren, das heißt nicht über die „requisite variety" verfügen, die erforderlich wäre, um ein anderes System in sich selbst abzubilden. Nach einer These von Donald McKay, einem schottischen Kybernetiker oder Informations-Theoretiker, entsteht unter diesen Bedingungen Freiheit.
Selbst wenn komplexe Systeme Maschinen und vollständig determiniert wären, musste jedes System unterstellen, dass das andere beeinflusst werden kann, also auf Signale reagiert, und dies nicht in einer Weise, deren Determiniertheit man im System selbst ausrechnen konnte, sondern eben in einer Weise, die unvorhersehbar ist. Daher muss man die Information gleichsam süssen, man muss Anreize bieten, von denen man glaubt oder aus Erfahrung weiß, dass die anderen Systeme sich darauf einlassen, dass sie freiwillig, aufgrund eigener Präferenzen kooperieren beziehungsweise, wenn man das ausschließen will, nicht kooperieren, dass sie also entscheiden können und nicht schon durchdeterminierte Systeme sind, die das tun, was sie sowieso tun. Die interessante Hypothese ist, dass Freiheit durch die Duplikation der Systeme aus Determiniertheit entsteht.
Es muss sich um mehr als ein System handeln, und sie müssen komplexitätsunterlegen sein, dürfen also nicht über requisite variety verfugen. Sie müssen interagieren und müssen Freiheit fingieren, um sich selbst in ein Verhältnis zu einem anderen System bringen zu können. Wenn dies auf beiden Seiten geschieht, wird Freiheit qua Fiktion Realität.
Ich weiss nicht, was Sie davon halten. Es ist jedenfalls eine Sache, über die man nachdenken kann und die ein bisschen die alte Diskussion auflost, ob die Welt entweder determiniert oder indeterminiert ist. Wir haben es dann wieder mit einer Paradoxierung der Unterscheidung zu tun: Die Welt ist indeterminiert, weil sie determiniert ist, dies allerdings nicht zentral, sondern lokal.
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Was haltet ihr davon? Wer weiß mehr darüber? Ich hab' nichts genaueres über diese Theorie finden können ...
Diese Theorie "passt" übrigens auch ganz gut zu dem Aufsatz von Singer (ab Seite 15 Selbstmodell als soziales Konstrukt der in "Philosophie oder Naturwissenschaft?" unter Philosophische Literatur diskutiert wird.
In einem gewissen Sinne fügt dieser Ansatz die "fehlende" Zweite-Person-Perspektive hinzu
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