Original geschrieben von Gisbert Zalich
Wer kritisieren kann, kann auch verändern!
Mist. Normalerweise sehe ich das auch so, aber in dem Punkt... Na schön, vielleicht bin ich da zu dicht dran. Ich schrieb nicht von unterschiedlichen "Erziehungsstilen" sondern von jener Gewalt gegen Kinder, die unabhängig von Erziehungsstilen in den Haushalten nach wie vor ausgeübt wird. Ich rede nicht davon, daß Kindern "der Hintern versohlt" oder sie "über's Knie gelegt" werden weil man das für die richtige Erziehung hält. Ich rede von Prügeln, Dunkelhaft und Quälereien, von sexueller Gewalt, von psychischer Folter. Ich glaube nicht, daß die Zahlen hier rückläufig sind.
Mißhandelnde Eltern bzw. Erziehungsberechtigte WISSEN, daß sie sich strafbar machen, sonst würden sie's nicht verheimlichen. Das meinte ich damit als ich schrieb: wir bräuchten eine andere Menschheit. Mag schon sein, daß das Auswüchse einer kranken Gesellschaft sind. Fatalistisch, wie ich nun mal viele Dinge sehe, denke ich nicht daß sich da in absehbarer Zeit durch Aufklärung, Einsicht oder zimperliche Familienberatungsspielereien hier viel verändern wird. Ich vermeide normalerweise, auf "die Gesellschaft" zu schimpfen, weil ich's für fruchtlos halte. Aber in dieser Sache - nun, ich denke, wir leben in einer nach wie vor verwöhnten, konsumorientierten Luxuswelt, die den Nachteil hat, daß sie Menschen einem Streß aussetzt, dem sie nicht gewachsen sind. Nicht etwa weil wir so viel arbeiten müßten, sondern weil wir mit der Fülle an entfremdenden Einflüssen von außen nicht klarkommen. Uch - muß aufpassen, daß ich nicht zu weitschweifig werde... also: mehr noch als früher entfernen wir uns immer weiter von unseren emotionalen/familienbezogenen Wurzeln, heute ist nicht mehr so wichtig, die Omma in der Familie zu halten, uns mit den Bedürfnissen von Familienmitgliedern usw. auseinanderzusetzen - die Kiddies haben Hort und Schule und Playstation 2, die Eltern haben Jobs bzw. Angst um dieselben und in der "Frei"zeit eine Unzahl an Verpflichtungen, die ihnen scheinbar ihren Platz innerhalb dieser Gesellschaft sichern. Wer hat denn wirklich noch Ahnung von "der Praxis"? Wir sind doch immer weniger vorbereitet auf das, was uns Kinder abverlangen - an Verständnis, auch an Unbequemlichkeiten (natürlich neben dem Schönen, was Kinder ja auch zu bieten haben). Wie's "geht" wissen wir ja dank unzähliger Erziehungsratgeber theoretisch bestens - die Praxis ist es, an der der moderne Mensch scheitert. Überspitzt ausgedrückt: der Mensch reagiert fassungslos, wenn das liebe Kind nicht so funktioniert, wie's in der "Gebrauchsanweisung" in Eltern&Kind drin steht. Das ist heute.
Früher haben Erwachsene schon ihrer Hilflosigkeit und Angst oder Verzweiflung durch Gewalt Luft gemacht - gegen das schwächere Glied in der Gemeinschaft, also das Kind. Damals haben sie - aus Scham, zugeben zu müssen daß sie nicht weiterkommen - oder vielleicht auch aus Uninformiertheit, wer weiß - KEINE Hilfe geholt, das wäre dem Eingeständnis des eigenen Versagens gleichgekommen. Und heute? Heute sind wir alle aufgeklärt, ja? Das macht Druck, anderen als früher, aber genauso destruktiv. Wir sind "uns" kein Stück nähergekommen, wir reagieren immer noch auf Hilflosigkeit und Ohnmachtsgefühle mit Gewalt - und immer noch wird das am Kind abreagiert. Ich sehe nicht, daß unsere Gesellschaft da positive Entwicklungen mitmacht. Der Lack ist schöner und "aufgeklärter", ja und? Das ist auch schon alles.
Wie soll man das ändern? Durch harte Sanktionen? Mehr Überwachung? Kleinere Schulklassen, mehr Aufmerksam gegenüber Veränderungen einzelner Kinder, mehr Zivilcourage beim Verdacht der Mißhandlung? Das findet nicht statt und wird's in absehbarer Zeit auch nicht. Weil - ob wir's zugeben oder nicht - die Kinder mittlerweile eher Störfaktor in unserer Gesellschaft sind als alles andere. Pah, da müßten schon wirklich andere Menschen her als die, die wir heute sind!
So, ich schwitz' jetzt Richtung nach Hause - sorry wenn's bissl verworren klingt, schreib's der Hitze zu, ok?
LG, wirrlicht