AW: Karfreitagsfürbitte
Mir scheint, das Christentum hat in dem Moment seine Unschuld verloren als es sich zur Staatsreligion durchsetzte. Von da an wurden wieder die typischen Mechanismen in Gang gesetzt, von denen gerade doch eine Umkehr erfolgen sollte.
Es spielt genau genommen überhaupt keine Rolle, wer nun unter Ausnutzung einer neuen Glaubensrichtung die Macht zentriert hat. Wichtiger ist vielmehr, daß es geschah.
Sicher mag die These berechtigt sein, daß ohne diese Entwicklung die Inhalte vielleicht gar nicht bis heute weiter getragen worden wären, das Christentum als eine von zahllosen Sekten versickert wäre. Allerdings ist selbst das nicht zwingend, denn diese Inhalte stellen ohne Zweifel sozialen Sprengstoff dar, so daß es gar nicht verwundert, wie die machtlosen Außenseiter in den Katakomben ein ganzes Imperium letztlich in die Knie zwingen konnten.
Vielleicht war die Wende unter Konstantin letztlich das Geschickteste, was die staatliche "Macht" dagegen zu setzten hatte. Eine Art feindlicher Übernahme einer Idee, die Korumpierung deren Anhänger. Sodann ging das ganze Programm los, es wurde bestimmt, was zu glauben war, welche Evangelien in den Kanon gehörten, Deutungen wurden festgelegt. Das, was sich daraus entwickelte, war letztlich oft schlimmer und ein Rückschritt gegenüber der Antike mit ihrer Vielgötterei, aber eben auch ihrem Wissensdrang. Und es sind oft gerade die gewesen, die an die Ursprünge erinnert haben, denen als erste die Füße über den Scheiterhaufen heiß geworden sind. Auch Luther hätte dazu gehört, hätte nicht auch er sich mit der staatlichen Macht verbündet.
Der Papst ist ein Anachronismus. Eine Figur, die nur aus Tradition überhaupt noch in Europa existieren kann. Und je nach Menthalität des Amtsinhabers wird mal mehr, mal weniger herumgepoltert. Pappa Razzi entwickelt sich aus Sicht dessen, der Lessings "Nathan" gelesen hat, zu einer Art Meister Fettnapf, weiter nichts. Andere dagegen mögen vielleicht seine Stringenz loben. Aber Stringenz ist meiner Meinung nach noch lange kein Qualitätsmerkmal, man kann auch stringent Blödsinn von sich geben. Auch wenn sie vielleicht irgendwo dem Zeitgeist entspringen mag. Keine Waschmittelwerbung würde ernsthaft werben: "Es gibt viele Waschmittel auf dem Markt, viele mit guter Zusammensetzung. Machen Sie sich ein Bild und vergleichen Sie, wir glauben an unser Produkt."
Nein, es heißt: "Wir haben das Meistgekaufte, Beste, das Einzig Wahre!"
Ob Razzi nun eine solche Werbestrategie fährt oder einfach nur ein seniler Greis ist, der unbedachte Äußerungen von sich gibt. Wer weiß das schon...Fakt ist, er ist oberster Vertreter eines gewaltigen Machtapparates und niemand scheint ihn von seinen seltsamen Äußerungen abzuhalten.
Wir sollten uns jedoch weniger an dem orientieren, was er warum für richtig hält, sondern was wir für richtig halten. Der Papst ist für mich ein interessantes Diskussionsobjekt, ansonsten bedeutungslos. Warum sollten mich etwaige Schnittmengen mit ihm mehr interessieren, als die anderer Leute ohne Mütze und Papamobil?
Gruß
Zwetsche