AW: das gemeinsame
Liebe Kathi,
du schreibst:
"warum papst benedikt zu dem geworden ist, was er nun ist, darüber mache ich persönlich mir keine gedanken...zu wenig einblick habe ich da in sein leben und in seine seele."
Dieses Warum interessiert mich schon sehr, nicht nur aus meinem Naturell heraus. Ich weiß ja auch nicht so besonders viel darüber, aber ich habe meine Eindrücke und bilde mir eine Meinung, die dann durch ständig neue Informationen, Erfahrungen und Beobachtungen entweder bestätigt und erweitert wird oder die ich revidieren muss, um nicht falsche Vorurteile zu bilden und mich nicht selber zu täuschen. Na ja, Manipulationen sind dennoch unausweichlich.
Warum mich das Warum interessiert: Weil eine solche Amtsautorität enorme Macht über uns und unsere Gesellschaftsordnung hat, eine Richtung vorgibt oder zumindest beeinflusst, die wir zu spüren kriegen. Unabhängig davon, ob wir katholisch, protestantisch, islamisch, mosaisch, buddhistisch, atheistisch oder agnostisch sind. Warum sonst wird immer wieder, auch hier im DF, über Religionen geschimpft und gewütet, im fatalen Irrglauben, da man/frau ja damit nichts zu tun hat/nichts zu tun haben will, sollen uns d i e in Ruhe lassen. Ein falscher Ansatz, denn wenn ich keine Kirchensteuer zahle und nicht in die Kirche gehe und überhaupt nie was mit Religionen zu tun habe, heißt das noch lange nicht, dass ich mich davon völlig abschotten kann. Vielleicht im Wald in einer Einsiedelei?
Auch deshalb halte ich beispielsweise deine Aussage, Kathi, das Gemeinsame statt das Trennende zu suchen, für sehr hilfreich, wenn man es will und wenn man es umsetzen kann.
Wir sind noch nicht weg vom Thema: Unsere Gesellschaft ist überwiegend konservativ, besonders, aber nicht nur die Österreicher. Dabei spielen Existenzangst, Bedrohungsgefühle, Angst vor dem Fremden und Unbekannten und daraus folgernd das Schutzbedürfnis eine große Rolle, mit dem wir immer wieder konfrontiert werden, auch weil es politisch und medial ausgeschlachtet wird, meist aus Macht- und Profitinteresse.
Auf dieser Ebene sehe ich die kirchlichen und politischen Parallelen, die ich mit meinem Vergleich angedeutet habe. Eine Angst auszunützen, vielleicht noch durch Manipulation und Intrige zu verstärken und den Einfluss zu maximieren, ist wesentlich leichter als eine langfristige Strategie zu entwickeln, die Information, Erklärung und Überzeugungskraft benötigt. Denn solches kann eben ganz schnell durch verschiedene Vorkommnisse oder wirtschaftliche Probleme zunichte gemacht werden, mit Populismus und Polemik, die die Ängste verstärken und in eine falsche Richtung lenken.
Zitat:
"natürlich ist das mit einem jörg haider oder einem heinz-christian strache genau so....auch wenn ich diese beiden nicht wählen würde.
doch was in diesem fall das "gemeinsame" angeht, bemühe ich mich zu verstehen, welche hintergründe sie zu ihren äußerungen treiben....was durch ihre wortmeldungen ausgedrückt werden will und soll.
und so kann ich ihnen doch einiges verständnis zugestehen. die angst der kleinen leute um ihre priviliegien ist vorhanden und nicht zu leugnen.
und damit wird argumentiert.
aus meiner sicht nicht allein um die menge aufzuhetzen.
sondern weil diese angst und noch weitere ängste eben da sind und von den anderen politikern und parteien zu wenig entkräftet werden können."
Ich bin der Überzeugung, dass es nicht unbedingt eines Haiders oder eines Straches bedarf, um ein Volk aufzuwiegeln. Als Beweis werte ich den Umstand, dass bei uns der Strache den Haider ganz locker ersetzen konnte, obwohl Ersterer weit weniger begabt ist, in vieler Hinsicht.
Das Neue schafft Ängste.
Und das Alte, das Überlieferte und Bewährte (auch wenn es sich teilweise gar nicht bewährt hat) gibt Sicherheit. Auch wenn es nur eine scheinbare Sicherheit ist, es zählt allein schon das Gefühl, es zu haben. Das wird dann oft durch Täuschung und Manipulation vermittelt. Man wiegt sich in Sicherheit, bis man durch besondere Vorkommnisse wieder zurückgeholt wird. Wenn man zum Beispiel durch Regierungsbeteiligung Verantwortung mittragen muss, du weißt, was ich meine.
So ähnlich sehe ich es auch mit der Kirche, die mehr als jede politische Ideologie mit ihrem Tun und Wirken auf die Wurzeln der Sehnsucht nach der Sicherheit des Gewohnten zurückgreift. Wir staunen oft, wie schwer sich die Kirche tut, sich vom Althergebrachten zu lösen, das gilt für den Islam noch mehr als für das Christentum.
Schon die Kleidung stammt aus der Zeit des Kaisers Konstantin, als das Christentum als Staatsreligion eingeführt wurde. Die Bischöfe wurden damals hohen Staatsangestellten gleichgestellt, wenn nicht sogar dem Kaiser. Die Kleidung ist der damaligen Tracht nachempfunden und hat sich fast ganz erhalten, wenn auch ständig mit geringfügigen Änderungen. Die Bischofsmütze (Mitra) entwickelte sich aus der Kopfbedeckung der Hohenpriester.
Die Lehrinhalte der Kirche sind aus verschiedenen Zeiten ihrer Geschichte entstanden. Dabei gab es oft auch Irrtümer, die man aber nicht immer eingesteht, eher selten. Der Mensch kann irren, die Kirche aber nie. Beispiel Priesterehe, die in der katholischen Kirche verpönt ist. Es fällt der Kirche kein Steinchen aus der Krone, wenn sie hier moderner wäre, ihre Botschaft würde deshalb nicht verraten, heute schon gar nicht mehr.
Oder um an
Jerome anzuschließen: Auch die Bischöfe irren, denn christliche Religionsausübung ist in mehr islamischen Staaten selbstverständlich, als in Österreich Minarette stehen.
Zurück zum Papst:
Seine Worte und Handlungen zeigen einen solchen konservativen "Rückschritt" und leider auch einen Widerspruch: Wenn man Toleranz predigt, müsste sie auch für Andersdenkende und für andere Religionen gelten. Sonst wird man unglaubwürdig, wenn man solche Kernbotschaften des Glaubens nicht selber lebt.
Oder vernachlässigt man einen solchen Glauben, weil ein anderer, der "konservative", der "bewahrende" Glaube wichtiger ist?
Gewinnt die Kirche dadurch mehr Macht (zurück)?
Zitat:
"die macht kann nur deswegen ausgeübt werden, weil andere ihr eigene macht nicht nehmen...sie brach liegen lassen...aus angst, sie würden dann noch mehr verlieren."
Ja, so sehe ich es auch. Es kommt aber auch darauf an, wie man Macht definiert, d.h., wie man sie ausübt:
Als Hilfe und Unterstützung? Für was? Für wen? Nur für die eigenen Interessen? Koste es, was es wolle?
Ich muss mich abschließend entschuldigen, dass der Beitrag so lang geworden ist! Aber das hier wollte ich noch los werden, weil ich mich wieder für unbestimmte Zeit verabschieden muss. Ich bin nicht so frei, wie ich manchmal sein möchte.
Liebe Grüße auch an alle, die sich die Mühe gemacht haben, hier mitzulesen.
Andreas