Vermutlich kann man es nicht richtig einordnen. Manche Probleme scheinen in der Persönlichkeit so lange reifen zu müssen, bis sie sich zuspitzen und der Mensch buchstäblich zwischen suizid und tiefgreifender Veränderung (o. weiterer Betäubung ) wählen muss. Andere Probleme (innere Konflikte, besondere Charakterstrukturen, Selbsthass usw...) werden durch eine äußere Katastrophe manchmal so zugespitzt (Todesfall oder Jobverlust Stress, Mobbing...) dass die Persönlichkeit vorübergehend zusammenbricht und ebenso ein möglicher Wendepunkt entsteht. Wieder andere Menschen entwickeln so krasse Krankheitssymptome, dass sie schließlich dadurch zur sprichwörtlichen Umkehr gezwungen werden.
Bei manchen Menschen scheinen sich aber auch Probleme wie die innere Leere mit der Zeit zu „füllen“. Es gibt Heroinabhängige, die nach etlichen Jahren einfach kein Bedürfnis mehr dazu haben, sie können ohne Zwang aufhören. Man vermutet, dass auf diese Weise ein „Mangel an Liebe“ nach und nach aufgeholt werden konnte. Wie genau, ist mir nicht bekannt. Andererseits merkt man auch, wenn ein Mensch über längere Zeit ganz viel Liebe erhalten hat, dass er sich ebenso „anfüllt“ und sich daraus eine Art Heilung ergibt. Ich bin ohnehin so langsam abseits aller Märchenbücher und Religionsschriften der Meinung, dass eine sanfte nichts fordernde Liebe die natürlichste Medizin für nahezu alles ist, und es kommt noch schlimmer, wahrscheinlich auch
für sich selbst.
Es handelt sich vielleicht bei Menschen, die ohne innere/äußere Katastrophe eine Veränderung bewirken können, um eine Art natürlichen Reifeprozess. Scheinbar ist dieser auch möglich, ohne ein Fünkchen von Unterbewusstsein oder anderem psych. Zeugs gehört zu haben.
Wiederum bemerke ich besonders bei sehr rigiden Charakterstrukturen, also Menschen mit sehr starkem ICH, dass diese Menschen es schwerer haben, sich selbst zu erkennen und zu verändern. Man kann nicht generell sagen, dass eine „harte Erziehung“ das bewirkt, aber in Teilen ja. Leider findet man besonders unter Männern, die beispielsweise einst erfolgreiche Geschäftsleute oder starke Persönlichkeiten sonst im Leben waren, dass sie, sobald es eine Katastrophe wie Bankrott oder Scheidung eintritt, den „lauten Knall“ mit dem sie aus dem Leben gehen. Vielen von ihnen könnte geholfen werden, aber die Persönlichkeit ist in dem Falle manchmal so rigide, dass sie selbst das nahende Ende noch unter Kontrolle haben muss, sie beendet ihr Dasein selbst. Dort ist eine sanfte Veränderung ohne Hilfe m.E. nahezu unmöglich.
Das Ziel in der Veränderung kann m.E. nicht nur Symptombefreiung sein, sondern muss eine tiefgreifende eigenmotivierte Erforschung der eigenen Persönlichkeit, Vergangenheit, Handlungen usw. sein. Manchmal geht es nicht ohne eine helfende Hand, die den ersten Schritt erleichtert oder jemanden,der endlich mal nur zuhört. Manchmal sind es einfach nur ganz an der Oberfläche liegende gestaute Gefühle, die selbst das Kratzen an der Oberfläche unmöglich machen. Ein Freund zum Ausweinen kann die gröbste Blockade der Gefühle, die auch alle Gedanken wie an einer Mauer abprallen und im Kreis drehen lässt, lösen. Die vorübergehende Überantwortung, das ist mitunter der Schlüssel, der seelische Notfallkoffer. Ein Fachmann, der einem das Handwerkszeug mit auf den Weg gibt, ist sind sicher auch manchmal notwendig, einfach um Zeit zu sparen. Aber ist der erste Schritt getan, kann man es m.E. selbst. Ich will nicht leugnen, dass manche so schwer beladen sind, dass es unmöglich scheint oder dass man selber immer wieder an Punkte kommt, wo man nicht weiter kommt, die Dinge wirken lassen muss, einen Fachmann hinzuziehen kann, das Bemühen um veränderung aufgeben muss (!) oder einen Hinweis (wie ich ihn oft von euch hier bekomme) braucht.
Dass sich die Männer leichter tun, empfinde ich nicht so, lieber Zeili. Die, mit denen ich zutun habe, sind überwiegend Weibchen. Männchen ertränken ihre Chance, zum Aufwachen, eher im Alkohol oder decken es mit Leistungswahn zu. Da diese beiden Sachen so gesell. anerkannt sind, empfinden sie sich selbst oft gar nicht als Problem beladen. „es ist halt so“... „das Leben ist halt hart“...“da muss ich durch“, aus meiner heutigen Sicht, ist es schade um so viele, auch männliche Seelchen, die unter einer ganz dicken Beton-Schicht leben. Die "männliche Art" eher mit dem Verstand in sich hinein zu horchen, kann m.E. nicht immer weit genug vordringen, wenn nicht sogar aufgrund der eigenen Ansprüche (es muss sich was tun) sich überfordern oder behindern. Tiefgreifende innere Veränderungen ohne besonderes Augenmerk auf die Gefühlswelt und die Wahrnehmung zu legen, ist m.E.
unmöglich.
Und hier möchte ich darauf hinweisen, dass die Persönlichkeit, dieses verflixte Ich, von dem wir meist denken, ich bin
nur das, ...das genau dieses Dingschen es ist, was die Veränderung oft verhindert. Im ausmanövirieren dieser Widerstände, im aushebeln des ICH´s besteht allerdings auch die große Gefahr, sich mit einer "sich aufweichenden" Persönlichkeit, nicht irgendwann im Irrenhaus oder mit einem orangen Umhang und einer Mala (Rosenholzkette) auf einem Stein sitzend, wiederzufinden. Es ist nicht ungefährlich...wobei ich aber meine, dass der Mensch, wenn er auf sich und seine eigenen Signale achtet, nicht auf einen falschen Weg kommen kann, sich auch nicht überfordern kann. Hier wird mir mancher widersprechen. Im Zweifel jedenfalls, meine ich, sollte man sich selbst folgen, niemand anderem.
Wenn mein Umfeld wüsste, dass ich die größten Veränderungen durchs meditieren, wandern, lesen und faulenzen erlebe, was manchmal garnicht von einander zu unterscheiden ist, sie würden es mir nicht glauben.
Liebe Grüße
Bernd