Pardon Zeilinger, aber auch ich bin leicht genervt -wie Cœur Froid, wenn Du meine lediglich sechs Zeilen dermassen zerstückeln musst. Aber bitte.
Das 'leichtgläubig' wurde Dir bereits in meinem Sinne erklärt. Selbstverständlich steht es im Lexikon. Meintest Du aber tats. leicht gläubig? Im Sinne 'Ich glaube jetzt mal ein wenig, man weiss ja nie?' Das fände ich, mit Verlaub, lächerlich.
"Die 10 (christlichen) Gebote auswendig zu lernen und sie dann runter zu leiern, hat nichts mit Moral zu tun. Das ist höchstens Heuchelei. Die Gebote der anderen Religionen kenne ich nicht."
Diesen Deinen Satz, der zwar inhaltlich auch meine Meinung wiederspiegelt, kann ich beim besten Willen nicht als eine ernsthafte Antwort auf meinen Vermerk akzeptieren. Ich würde Dich daher bitten, meine sechs Zeilen nochmals zu lesen.
Du apostrophierst Dich oft als Hobby-Philosoph. Die Aufgabe der modernen Philosophie besteht aber nicht darin, dich und mich und... mit Wahrheiten zu versorgen, die so eindeutig sind, dass sie uns helfen, ein besseres Leben zu führen. Damit wäre die Philosophie unter- und gleichzeitig überfordert. Auch ist sie nicht die Hüterin allgemeiner Moralvorstellungen.
Sie macht nur dann Sinn, wenn sie es schafft, das jeweils für selbstverständlich Gehaltene immer neu zu problematisieren. Erkenntnisfortschritt, wie man ihn in den einzelnen Wissenschaften findet, gibt es hier -in diesem Sinne- nicht. Philosophie ist gewissermassen das kritische Gewissen der Wissenschaften, damit sich diese nicht im Dogmatismus verlieren. Sie ist auch kein Religionsersatz und hütet sich, den Menschen -in einer säkularisierten Welt- darüber zu belehren, was wir für wahr zu halten haben. Ihre gesellschaftliche Verantwortung ist eher darin zu sehen, die Fragenhorizonte offen zu halten und die Spielräume des Denkens und Handelns zu zeigen. Die Moral gehört ebenfalls nicht in die Kontrollgewalt der Philosophie, sie mischt sich fragend ein, statt felsenfeste moralische Sätze zu predigen. Die Philosophen sehe ich nicht als Experten für richtiges Handeln, sondern eher als Problematisierungsspezialisten.
Der Gegensatz zu 'Glauben' m.E. ist nicht unbedingt 'Wissen', sondern 'Denken'. Entweder ich glaube (was vom Denken entbindet), oder ich denke (was mich/Dich... verpflichtet zu erörtern, analysieren etc.) Das Wissen ist auf methodischen, hinreichenden Begründungen abgestützt. Wissen beansprucht höchstmögliche Gewissheit, auf solche Ansprüche muss Glauben verzichten. Die Wissensinhalte gelten für alle, aber kaum wirst Du verlangen können, dass jemand Deinen Glauben teilen muss.
Kant sagte dazu treffend: Wissen ist als sowohl objektiv wie subjektiv zureichendes Fürwahrhalten, während Glauben als zwar subjektiv zureichendes aber objektiv unzureichendes Fürwahrhalten.
Den Glauben, den die Offenbarung 'brachte' ist im christl. Verständnis keinesfalls mehr subjektiv, sondern allgemeinverbindlich, weil er durch das biblische Wort und die Institution der Kirche 'beglaubigt' wurde und somit vom Wissen unabhängige Instanz, die man im Mittelalter manchmal sogar als die Lehre der doppelten Wahrheit nannte und vertrat. Hier steht die Wahrheit des wissenschaftl. Wissens ohne Zusammenhang neben der Wahrheit des Glaubens. Keine ist auf die jeweils andere rückführbar!
Dem Aufklärer und Kritiker an der Glaubenswahrheit galt Denken auch als Gegensatz zu Glauben. Er sah den religiösen Glauben als Denkverweigerung und Verweigerung der Wissenschaft.
Wenn sich also dieser Glaube nicht um Wissen bemüht, sondern nur Glaubensinhalte immer noch als unbedingte Wahrheit ansieht, ist er dem Denken, das undogmatisch nach Erkenntnis trachtet, entgegengesetzt.
Dank der Aufklärung wurde der religiöse Glaube immer stärker privatisiert. Du kannst ihn nicht mehr anklagen, nicht mit Feuer und Schwert verteidigen: er ist ein subjektives Fürwahrhalten.
So hält sich eine sich ihrer Grenzen bewusste Philosophie zurück mit Spekulationen über den Weltanfang und das -ende. Sie erinnert lediglich die empirischen Wissenschaften an ihre Grenzen, denn Geschichte ist stets konstruiert.
So wird die Philosophie die Kreatonisten daran erinnern, dass sie bei der wörtlichen Auslegung der Bibel gerne übersehen, dass es sich um symbolische Verdichtung -Erschaffung der Welt in sieben Tagen- einer bestimmten Weltanschauung im Alten Israel handelt. Die Bibel ist ein historischer Text, wer ihn nicht als einen solchen liest, ignoriert suverän alle Erkentnisse der historisch-kritischen W'schaften und begeht um des Glaubens willen ein Sacrificum Intellectus.
Die Evolution muss man dreifach differenzieren -kosmische, chemische, biologische. In allen herrschen unterschiedliche Gesetzmässigkeiten, wobei aber die kosmische als Voraussetzung anzusehen ist.
Auch da wird der Philosoph die Wissenschaft daran erinnern, dass sie sich in einem oder sogar allen irren könnte.
Es ist mir klar, dass das Themen übergreifend ist. Man möge mir das nachsehen. Aber das, Zeilinger, wäre vielleicht der erste Schritt zu philosophischen Bescheidenheit. Die Philosophen im Forum hätten es Dir wahrscheinlich besser erklären können...
Salut!