AW: Gott-die Grenze des Verstandes und der Philosophi
Um das Thema dieses Threads konkret zu behandeln, glaube ich persönlich tatsächlich, dass der Begriff "Gott" die Grenze des Verstandes und der Philosophie darstellt - dies aus verschiedenen Gründen:
Ich denke wir stimmen darin überein, dass "Gott" oder "Götter" ursprünglich als Begriffe und Synonyme für "übersinnliches" oder "etwas nicht fassbares" vom Menschen erschaffen wurden. Bevor dieses geschah, waren "Geister" als natürliche(!) transzendende Realitäten für unerklärbares bzw. "sich dem menschlichen direkten materiellen Einfluss entziehenden" verantwortlich, und zwar in übernatürlicher(!) also immaterieller Form. Demgemäß suchte der "kreative menschliche Geist" Möglichkeiten, diese "feingeistigen" Mächte Kraft seines "Willens" zu erschließen bzw. oft genug diffuse Zusammenhänge zu erkennen und wenn möglich, zu steuern oder manipulieren. Scheinbar Natürliches wurde also zum Übernatürlichen erhoben, die "Vermittler" dieser beiden Welten damit als gottnäher beschrieben - der erste Schritt zu "gottgleichem" war getan. Als "Götter" wurden Stabilität und Sicherheit garantierende Erscheinungen wie Sonne, Mond, Sterne im ewigen Kreislauf der Natur verwendet. Interessant ist dabei für mich das Detail, dass Schamanen (als archaiische Vorreiter dieser "Vermittlungstätigkeiten") in die Anderswelten fliegen und hinabsteigen, eine Wertung zwischen guten und bösen jenseitigen Mächten aber noch nicht im räumlichen Kontext erfolgte! Die Erde bzw. das in der Erde wurde noch als fruchtbar, erneuernd und positiv empfunden und betrachtet. - Sehr im Gegensatz zu späteren christlichen Auffassungen, wonach das Böse immer in der Tiefe und das Gute in höheren Sphären angesiedelt ist, und zB das Gehörnte einst als fruchtbar und positiv (erneuernd), in christlicher Opposition aber als negativ und böse ettikettiert wurde...
Der Schritt von den verschiedensten polytheistischen Weltbildern zum Monotheistischen wird mE damit begründet, dass irdische Repräsentanten und Oberhäupter sich mit einer Schar spirituell angesehener Personen (Priester udgl.) umgebend einen gottgleichen Status verliehen, um mit diesem "Ansehen" (sie werden als solche angesehen) Authorität, Einfluss, Stabilität und Funktionalität in ihren immer komplexer werdenden Gesellschaftsformen (Staat) zu bringen, sowohl innerhalb als auch nach aussen hin. Im alten Ägypten ging das zuerst noch schief (bitte verzeiht mir die Kleinigkeit, dass ich den Pharao, der als erster dem Monotheismus zu frönen versuchte, vergaß), im untergehenden römischen Reich aber, im 4.Jhd. war dies schon ein praktikables Rezept, um sich die Staatsmacht zu sichern, indem man den Katholizismus zur Staatsreligion erhob.
Entwicklungsgeschichtlich ist also der Gottglaube bzw. das spirituelle Weltbild jeweils ein Abbild der lebendigen Kultur, dessen Ausprägungen und ethischen Wertvorstellungen, und daher selbstverständlich natürlichen Grenzen der Glaubensgestaltung verbunden. Beschäftigen wir uns zB mit der griechischen Mythologie, so wurden die vielen zumeist nur lokal verehrten Gottheiten nach und nach im Laufe der belebten (kriegerischen und schwungvollen Handel betreibenden) Zeiten und aufgrund der Tatsache, dass das heutige Griechenland einst ein Konglomerat von differenziell organisierten Stadtstaaten mit individuell verschiedensten Bräuchen und Geschichten zur Seinswerdung darstellte, eingeführt bzw. zT auch wieder verdrängt und erst mit Homer und später dann mit Herodot zu einem kausal strukurierten imaginären Gebilde (nach der Einführung schriftlicher Aufzeichnungen) zusammengefügt, mit dem Fokus, dass die Zukunft praktisch nicht existent war, sondern das Hauptaugenmerk auf die Gegenwart gelegt wurde - sehr im Gegensatz zum Brauchtum des antiken Ägypten, wo "Pyramiden für die Ewigkeit" gebaut wurden. Im antiken Griechenland überquerte man im Gegensatz dazu nach dem Tod auf dem Weg in den Hades (Unterwelt) den Fluß des Vergessens, um sich der irdischen Realität dem Jetzt zu "entledigen". (Ein Beleg dafür ist auch die späte Einführung schriftlicher Aufzeichnungen - wozu etwas auf Papyrhus festhalten, wenn nur die Gegenwart als wichtig erachtet wurde?)
Der Katholizismus wurde also als Mittel zum Zwecke der Machterhaltung zur "Volksreligion" erhoben, mit enormem Machteinfluß für die kirchliche Repräsentanz ausgestattet, was eine Säkularisierung und Modernisierung der Gesellschaftsform bis zur Zeit der Gegen- und Reformation verhinderte. Erst die Medicis begründeten das Zeitalter der Renaissance und läuteten die Modernisierung und damit Säkularisierung ein ...
Ich argumentierte die Glaubenspraxis in diesem Posting mit überwiegend "weltlichen" Aspekten, füge hier aber an, dass Philosophen und die Verstandeskultur immer im Einfluss der Mächtigen standen, somit auf deren "Toleranzfähigkeit" zur Entwicklung verstandesmäßiger transzendenter Denkmodelle angewiesen waren.