Ich habe niemals behauptet, dass ich selber in den Besitz höherer Wahrheiten gelangt bin.
Was meinst Du, sind denn höhere Wahrheiten?
Wenn wir meditieren, versuchen wir doch in aller Regel, ebenso, wenn wir philosophieren oder Elektrotechnik studieren, zunächst einmal zu lernen, was andere bereits erkannt haben.
Es geht doch gar nicht darum das Rad neu zu erfinden, sensationelle Erkenntnisse zu haben, da gibt es doch schon wahnsinnig viel, man folgt einfach den bereits ausgelatschten Pfaden. Das ist oft schwierig genug, es gibt Denkfiguren, an denen man sich immer wieder die Zähne ausbeißt.
Die Position des Kompatibilismus in der Frage nach der Willensfreiheit wird in der Regel nicht verstanden. Zu Freud hat man eine Meinung, weiß aber eigentlich nicht wirklich, was er geschrieben hat. Was Wittgenstein uns mit seiner Unmöglichkeit einer Privatsprache sagen wollte, ist vielen klugen Köpfen nicht klar usw.
Auch wenn wir forschen, holen wir vielleicht irgendwo 3% mehr raus, aber wem gelingen fundamental neue Einsichten und Praktiken?
Warum sollte es in der Spiritualität anders sein? Müssen wir erst eine neue Religion gründen? Oder mystische Einsichten auf eine neue Stufe heben? Die handelsübliche Esoterik ist doch nicht deshalb in der Breite gescheitert, weil die Einsichten und Ansichten alle Quatsch waren, sondern, weil man sie mehrheitlich nicht verstanden hat. Da prallten dann echte Erkenntnisse auf das Bewusstsein gelangweilter Hausfrauen und narzisstischer Hobby-Gurus, aber spricht das gegen die Erkenntnisse Buddhas oder Ramana Maharshis?
Was es denn nun heißt sein Ego zu überwinden, auch im Vergleich zu den Erkenntnissen der Psychologie, das kann man unmöglich an einem Nachmittag verstehen. Aber nicht, weil die Meditation nichts bringt, außer etwas Entspannung, sondern, weil man schon die Erkenntnisse der Psychologie nicht auf dem Schirm hat. Wenn man dann über 'Ich hab auch mal meditiert, mir taten nur die Knie weh' nicht hinaus kommt, was will man überhaupt womit vergleichen? Man hat einfach keine Ahnung.
In der Spiritualität bekommt man mit der Zeit eine Ahnung, was Meister Eckhart vielleicht gemeint haben könnte, das ist aber nicht anders, als in der Logik oder wenn man in die Musik eintaucht. Dass man an seinen eigenen Erlebnissen zweifelt ist normal. War das echt oder habe ich mir das nur eingeredet? Man muss kein schwülstiger Verkünder werden, aber mit der Zeit gewinnt man immer mehr Sicherheit, gar nicht über die Sensationen, sondern über das spirituell Gewöhnliche.
Der innere Pfad, dem man folgt, der ist ja beschreibbar, sonst könnte man Spiritualität nicht lehren, kann man aber, die großen Schulen sind hunderte oder tausende Jahre alt. Irgendwann spielen Rückenschmerzen und Juckreiz keine Rolle mehr, irgendwann schießen einem nicht mehr nur Überlegungen des Alltags durch den Kopf, irgendwann fragt man sich, warum man sich nun ausgerechnet an so eine Nebensächlichkeit erinnert, irgendwann folgt man dem ewigen Gedankenstrom nicht mehr blind und ohne anders zu können, irgendwann ist man vielleicht nicht in sensationellen, aber anderen Bewusstseinszuständen unterwegs, irgendwann kann man 10 Minuten die Konzentration aufrecht halten und so weiter.
Wenn wir einander bestätigen können, dass es das gibt, können wir eine neue Ebene der Wahrnehmung in unseren Alltag einflechten. Es ist gar nicht so entscheidend, wer auf welchem Gipfel war, sondern, dass sich immer mehr im Basislager versammeln.