Hallo Ronald!
Deine Fragen deuten schon darauf hin, dass sich unsere Vorstellung, was Liebe ist, sehr unterscheiden.
In deinem ersten Absatz schaut es noch aus, als wären wir auf der gleichen Wellenlänge.
Die Frage, wie ich mit denen umgehe, die mir Böses wollen, weist schon auf den Unterschied hin. Wie soll ich das überhaupt feststellen? Kommt jemand auf mich zu und kündigt an, "ich will dir Böses tun"? Nein, so ist es sicher nicht. Und wenn ich etwas, das jemand tut, als "mir Böses wollen" interpretiere, dann ist es meine eigene Geschichte.
In diesem Sinn gibt es eigentlich keinen, der mir Böses tun will.
Die Frage nach der Belohnung "im Himmel" bringt mich zum Lachen. Nicht weil sie so unsinnig ist - du kannst ja nicht wissen, wie ich zu dieser Frage stehe, es sei denn, du hast schon viele meiner Beiträge gelesen - sondern weil das die Frage ist, die ich meinem Vater vor vierzig Jahren gestellt habe. Nein eigentlich wars keine Frage, ich habe ihm an den Kopf geworfen, er bemühe sich nur deswegen, ein "guter Mensch" zu sein, weil er Angst habe, sonst in die Hölle zu kommen. Die Menschen, denen er seine Nächstenliebe angedeihen lässt, seien ihm ja eigentlich scheißegal. Und das schärfste war, er gab zu, dass es so war.
Wer sollte mich belohnen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass da jemand ist, der Buch führt über meine guten und schlechten Taten. Ich finde es auch ziemlich überflüssig, mir auszumalen, was sein könnte, wenn....... Ich habe etliche Jährchen gebraucht, um meinen aufgezwungenen Katholizismus mitsamt der Angst vor Höllenqualen loszuwerden, da konstruiere ich mir nicht einen Ersatzglauben. Ich halte mich an die Realität.
Und dabei hilft mein Verständnis von Liebe. Ich kann es aushalten, dass das Leben in (für mich) angenehmen und unangenehmen Ausformungen auftritt. Ich brauche keine abschwächenden und verschleiernden Illusionen. Ich kann es aushalten, dass nicht immer nur Harmonie und Freude und Frieden herrschen. Ich finde es nicht schrecklich, wenn einer einmal ausflippt. Ich liebe das Lebendige, das auf und ab, das Brüllen und das Flüstern, das Heiße und das Eisige, manchmal auch das Durchschnittliche und Laue.
Ich tue nicht mehr so, als ob alles ideal wäre, wenns gar nicht so ist. Ich liebe das was ist, deshalb habe ich keine Angst davor, meine "negativen" Eigenschaften auch herzuzeigen und zu leben. Ich bin eben nicht nur friedvoll und gütig. Ich liebe auch meine Lust für meine Werte zu kämpfen, ich liebe meinen Mut, ich liebe meine Müdigkeit, die zwischendurch dafür sorgt, dass ich auch Pausen einlege. Ich liebe die Herausforderungen, die von anderen auf mich zukommen, weil ich dadurch immer wieder etwas neues dazu lernen kann.
Das alles ist das Leben! Ich liebe es! Samt den Abgründen und Schmerzen, die es bereithält.
lilith