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Finanzkrise 2008

AW: Finanzkrise 2008

Mal hat der Diskursant recht:

Dieses Egoitätsprinzip beherrscht den Kapitalismus und prägt
seine Teilnehmer zum reinen Eigenvorteilsdenken. Ja das Eigenvorteilskalkül
wird zur Triebfeder des 'freien' Marktsystems und erhebt dieses zum Ideal.

- wobei man dieses Argument noch auf das Stichwort "Renditeerwartung" verkürzen könnte -

dann greift er aber gleich kräftig daneben:

Die Einkünfte eines Managers resultieren nicht aus der Qualität seiner Arbeit,
sondern aus seiner Machtstellung im Wirtschaftssystem.

"Manager" haben keine Macht, noch nicht mal in einem renditeorientierten Kapitalismus. Mit einem sozialen Hochstand der Manager kann es auch gleich vorbei sein: das war schon vor der aktuellen Finanzkrise klar, niemand hätte diesen Beruf als risikoarm eingestuft. Manager verwalten u.a. das Vermögen anderer Leute - seien die Besitzer, Teilhaber, Arbeitnehmer oder Sparer - ohne selbst irgendeine produktive Leistung beizusteuern. Und vielleicht gewinnen Manager nur Macht, wenn die Leute, die das Geld erwirtschaften, ihnen vertrauen?
 
Zuletzt bearbeitet:
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Aber nicht in dem krassen Vergütungsgefälle, wie es beim Egoitätsprinzip
die Regel ist. Dieses Egoitätsprinzip beherrscht den Kapitalismus und prägt
seine Teilnehmer zum reinen Eigenvorteilsdenken.

Ja, aber ich sprach von "gesundem Kapitalismus", der, so wie ich das verstehe, dieses egoistische Eigenvorteilsdenken ablegen muss, weil gerade darin das Übel liegt, das den Kapitalismus zum Scheitern verurteilt.
Wie schon gesagt denke ich, dass jede Regierungsform und jedes Marktsystem funktionieren könnte, wenn die Menschen die nötige geistige Reife besäßen.
 
AW: Finanzkrise 2008

Hallo!

Viele Leute sorgen sich. Mit Bezug auf die Banken und Finanzkrise ist zu sagen, dass uns ein Verstehen der Zusammenhänge nicht darüber hinwegführen kann, dass es wahrscheinlich zu einer wirtschaftlichen Rezession kommen wird, die auch Europa trifft. Staatliche Maßnahmen können höchstens bremsen.

Das tut mir aufrichtig für alle diejenigen Leid, die ihre Arbeit verlieren oder denen es sonst immer schlechter geht. Rein persönlich mache ich mir um mein Auskommen als gesicherter Pensionist weniger Sorgen. Aber ich sehe ein, dass uns der große Schuldirektor im Himmel wieder einmal eine Lektion zum Lernen gegeben hat.

Diese Lektion heißt: Im Kleinen wie im Großen den materiellen Gürtel enger schnallen, die Ansprüche zurücknehmen und sich im Kleinen wie im Großen auf das Wesentliche zu konzentrieren. Genau auf das: Auf sich selbst. Es ist das Verständnis von uns selbst wichtig. Unterschiedliche Erkenntnisse sind erlaubt, meint – reinwiel
 
AW: Finanzkrise 2008

Ja, aber ich sprach von "gesundem Kapitalismus", der, so wie ich das verstehe, dieses egoistische Eigenvorteilsdenken ablegen muss, weil gerade darin das Übel liegt, das den Kapitalismus zum Scheitern verurteilt.
Wie schon gesagt denke ich, dass jede Regierungsform und jedes Marktsystem funktionieren könnte, wenn die Menschen die nötige geistige Reife besäßen.

Gesunder Kapitalismus, das ist ein Paradoxon in heutiger Zeit.
Wenn geistige Gesundheit herrschte, wäre der Kapitalismus als
eine Art Spätform der Mangelwirtschaft schon längst
überwunden, wie bereits der alte Feudalismus.
Weil aber in ungesunder Weise ein hoher Grad
an Misstrauen (Angst) zwischen den Menschen herrscht,
bleibt als letzte Option das Egoitätsprinzip.
Jeder will so viel als möglich für sich und betrachtet
seinen Mitmenschen als Konkurrent um Existenzchancen.
Wenn aber dagegen dieser Mensch, gesund an Geist,
sich für das Solidaritätsprinzip sich entscheidet,und
die Verhältnisse ausgleichend und gleichberechtigt regelt,
gewinnt er in hohem Grade an Qualität. Kooperation
geht ganz leicht und Synergien wachsen weiter.
Was gibt es Hilfreicheres als Nächstenliebe?
Je mehr Nächstenliebe
desto mehr Synergie.

diskurlieb. . .
D
 
AW: Finanzkrise 2008

´;`

Zu gut und treffend dieser Tucholski,
um ihn unzitiert zu lassen:

Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.

Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen - echt famos!

Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.

Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.

Trifft's hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken -
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!

Soll man das System gefährden?
Da muß eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.

Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.

Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und - das ist das Feine ja -
nicht nur in Amerika!

Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen -
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.

Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht.

Kurt Tucholsky, 1930, veröffentlicht in "Die Weltbühne"


f
 
AW: Finanzkrise 2008

Hallo,
ja, großartige Lyrik und Kurt Tucholsky beschreibt 1930 genau das was im Moment aktuell ist, daran hat sich fast nichts geändert. Bleibt nur zu Hoffen, dass sich das Bewusstsein eines jeden Einzelnen entwickelt hat und in der Not nicht nach dem simpelsten und oberflächlichsten Auswegen geschrieen wird.
Die Chance ist allerdings gering, beim letzten Umbruch in Deutschland schrien die Meisten 'Wir sind das Volk und wollen die D-Mark haben', jetzt ist das Jammern groß...
Leider zeigt die Erfahrung, dass der Mensch erst nach wiederholten Fehlern etwas lernt und immer wieder in die selbe Kerbe haut bis es bricht. Kann man nichts machen...

Da fallen mir die Zeilen von Bertolt Brecht ein:

Sie sägten die Äste ab,auf denen sie saßen
Und schrieen sich zu ihre Erfahrungen
Wie man schneller sägen könnte, und fuhren
Mit Krachen in die Tiefe, und die ihnen zusahen,
Schüttelten die Köpfe beim Sägen und
Sägten weiter.



gruß fluuu
 
AW: Finanzkrise 2008

Hallo Diskursant,

das von dir am 1.Nov. eingesetzte Gedicht (#35) habe ich erst heute entdeckt. Es ist natürlich nicht von Kurt Tucholsky (manche Ungereimtheiten kann man leicht auch selber entdecken), sondern von einem gewissen Richard G. Kerschhofer (der sich auch Pannonicus manchmal nennt). Er bezeichnet sich selber ein freiheitlich Gesinnter - und schreibt manchmal für die "Zeitbühne", die eher rechts gerichtet ist.

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1618259_Freiheitlich.html

Freundliche Grüße

Miriam

 
AW: Finanzkrise 2008

Hallo Diskursant,

das von dir am 1.Nov. eingesetzte Gedicht (#35) habe ich erst heute entdeckt. Es ist natürlich nicht von Kurt Tucholsky (manche Ungereimtheiten kann man leicht auch selber entdecken), sondern von einem gewissen Richard G. Kerschhofer (der sich auch Pannonicus manchmal nennt). Er bezeichnet sich selber ein freiheitlich Gesinnter - und schreibt manchmal für die "Zeitbühne", die eher rechts gerichtet ist.

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1618259_Freiheitlich.html

Freundliche Grüße

Miriam




Sehr geehrte Miriam,
hab Dank für den Hinweis.

Manchmal bricht gar aus
nem Reaktionär
die Wahrheit heraus
( wurd' er doch sein Moos
im fernen Island los. . .)

D
 
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AW: Finanzkrise 2008

Hallo!
Eine meiner Kolleginnen hat uns heute einen aktuellen Kinofilm empfohlen, ein Dokumentarfilm, der auch im Kino für internationales Aufsehen sorgt:
"Let's Make Money" vom Wiener Erwin Wagenhofer, der schon 2005 mit "We feed the world" (über die Schattenseiten der Nahrungsmittelindustrie) für Aufsehen sorgte.

Ein paar Ausschnitte aus dem Internet:
Der Regisseur Erwin Wagenhofer nimmt seine Zuschauer mit auf eine Reise durch die globalisierte Welt. Er deckt im Detail auf, wie die westliche Elite ihr Geld auf Kosten der Wehrlosen in den Entwicklungsländern vermehrt. Dabei liefert er eine messerscharfe Analyse des heutigen Finanzsystems, das bekanntermaßen gerade eine schwere Krise durchläuft. Durch die aktuellen Bankenpleiten erlangt der Film eine ungeahnte Brisanz.

Seine These: Wer Geld auf einem Bankkonto deponiert, fördert die Ungerechtigkeit. Denn das Geld investieren die Manager in armen Ländern, um damit maximalen Profit zu erzielen. Dabei beuten sie praktisch zwangsläufig die dortige Bevölkerung aus. Denn „Outsourcing“ funktioniert eben nur, wenn sich durch niedrigere Produktionskosten der Gewinn maximieren lässt.

Das demonstriert „Let’s Make Money“ etwa an den Verhältnissen in Indien: Ein österreichischer Investor begutachtet eine Fabrik. Er interessiert sich für die Löhne der Arbeiter, für einen sauberen Ablauf der Produktion. Dann verhandelt er über weitere Zukäufe von Grundstücken. Das Gewinnpotenzial muss so schnell wie nur irgend möglich ausgeschöpft werden, sonst macht jemand anderes das Geschäft. Eine indische Uni-Absolventin frustriert dieses Prinzip. Sie kann nicht fassen, was ihre Regierung mit all dem Geld macht, das ausländische Investoren ins Land bringen. Anstatt die Firmen angemessen zu besteuern und damit die eigene Bevölkerung vor Armut zu schützen, lässt sie die Firmen die Gewinne ungehindert mit ins Ausland nehmen. Die Inder leben indessen auf der Straße, nächtigen am Strand oder in provisorischen Hütten am Rande der Kloaken, die einst Flüsse waren.

Besonders beeindruckend sind die zahlreichen hochkarätigen Gesprächspartner, die Wagenhofer für seine Doku gewinnen konnte….
Fazit: Mit „Let’s Make Money“ ist Erwin Wagenhofer eine beinahe geniale Analyse des heutigen neoliberalistischen Finanzsystems gelungen.

http://www.filmstarts.de/kritiken/100058-Let's-Make-Money.html

Alles O-Ton, keine Moderation, keine Fragen - nur Zitate, sehr präzise.

Zu Wort kommen Sieger und Verlierer, aber auch besonnene Mahner. So bringt es Hermann Scheer, Träger des alternativen Nobelpreises und SPD-Abgeordneter im Deutschen Bundestag, auf den Punkt: "Im neoliberalen Zeitalter ist alles verkürzt auf die aktuelle Erzielung einer höchstmöglichen Rendite, koste es was es wolle!" Wagenhofer liefert dafür Belege und erhält in seiner Beweisführung momentan tagtäglich Unterstützung. Man braucht nur Zeitung zu lesen, Radio zu hören und fernzusehen.

Natürlich deckt Wagenhofer prinzipiell nichts Revolutionäres auf. Er macht aber diesen nebulosen Verdacht, den wir alle haben, zu kristallklarer Gewissheit; (Anm.: Von mir fett hervorgehoben) ja es sind die Protagonisten des Films selbst, wie etwa ein deutscher Banker, der sein Auto durch den Verkehr lenkt und dabei beiläufig im Plauderton den vielsagenden Satz fallen lässt: "Eigentlich sind unsere Banken gar keine Banken mehr, sondern organisierte Spieler."

http://oe1.orf.at/highlights/127671.html

Ein Interview der APA, das nicht weniger betroffen macht:
APA: Herr Wagenhofer, war die Krise für Sie bereits absehbar, als Sie sich vor drei Jahren ans Werk machten?
Wagenhofer: Mit dieser Fragestellung bin ich in diesen Tagen immer wieder konfrontiert worden, und je öfter sie gestellt wird, umso mehr verwundert sie mich. Wir haben in diesen drei Jahren im Zuge unserer Recherchen wirklich niemanden aus der Finanz- oder Wirtschaftswelt getroffen, der nicht diese Krise vorhergesagt hätte. Zwar konnte niemand genau sagen, wann und wie sie uns treffen wird, aber es war kein Experte dabei, der nicht von der drohenden Krise in irgendeiner Form gesprochen hätte. Das macht ja solche Krisen so 'delikat', dass sie alle kommen sehen, aber nichts dagegen unternommen wird. Und warum nicht? Weil alle wissen, dass ohnehin die Allgemeinheit - also wir alle - dafür bezahlen werden. Und in der Zwischenzeit versuchen die Wissenden, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen.

http://oe1.orf.at/highlights/127674.html

Ich glaube, da sind keine Kommentare nötig. Besser: Hingehen und anschauen!

Gruß
Andreas
 
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