AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft
Hm, philohof, ich kann mich nicht erinnern, jemals am Philosophieren gehindert worden zu sein. Natürlich gab es immer auch Leute , die es nicht interessiert, aber mit denen hab ich es dann auch nicht gemacht, hat ja keinen Zweck....
Hallo Freunde,
danke führ Eure Kommentare! In dieser Runde war es besonders lustig für mich, insbesondere durch die Kommentare von EarlyBird und RedBaron. (Wobei ich mit "lustig" vor allem meine, dass wir philosophisch wo hinkommen, dass es interessant und brisant wird.)
Ich danke dir, EarlyBird, dass du mir nicht bös warst, aber über das oben stehende Zitat von dir muss ich ein ERNSTES Wort reden, aber nicht nur mit dir, sondern ein grundsätzliches Wort zu unserem Thema:
Also wir leben in einer freien Gesellschaft. Oder: Wir leben in einer freien Gesellschaft. Da wird niemand am Philosophieren gehindert. Überhaupt in seinem Privatbereich kann ein jeder soviel philosophieren, wie er will. In seinen eigenen vier Wänden kann ein jeder auch mit dem Finger hoch in die Nase raufbohren und einen großen Nasenrammel, österr. Rawutzer, herunterholen, auch das ist nicht verboten.
Aber: Unsere heutige Gesellschaft funktioniert eben nicht mehr so wie frühere Gesellschaften, in denen man etwas, das man nicht haben wollte, verboten hat. Die Methode, wie man heute unliebsame Praktiken abstellt, ist einfach: Man lässt die Leute, die sie unternehmen, allein; man lässt sie ins Leere rennen; man lässt sie sterben.
Das ist eine viel sublimere und wirksamere Methode als die, etwas zu verbieten, denn hinterher kann niemand sagen, z.B.: "Die Gesellschaft hat das Philosophieren verboten" oder: "die herrschenden Kräfte in der Gesellschaft verhindern das Philosophieren aktiv", sondern wenn die philosophierende Stimme verstummt, wird einfach gesagt werden: "Diese Philosophie hat eben keinen Erfolg gehabt."
Wenn du also sagst, EarlyBird, du seist nie am Philosophieren gehindert worden, dann unterliegst du einem fatalen Denkfehler. Du stellst dir die Situation vor, als wärst du in einem diktatorischen Staat, der alle Praktiken einfach verbietet, die ihm unliebsam sind. Aber so funktioniert die Gesellschaft heute nicht. Da sich heute praktisch nichts an der Oberfläche halten kann, das nicht aktiv gefördert wird, kann man davon ausgehen, dass alles "verboten" ist, was nicht ausdrücklich gefördert wird.
Anders gesagt: Man kann ein Holzsteckerl, das im Wasser schwimmt, dadurch am Weitertreiben hindern, indem man es wo anbindet; man kann es aber genauso gut dadurch an der Bewegung hindern, indem man die Wasserströmung so lenkt, dass es gegen den Uferrand gedrückt wird. Ich will damit sagen: Aktives Hindern am oder Verbieten von Philosophieren ist eine ziemlich primitive sozialtechnische Methode. Man kann das viel geschickter machen - und so wird es ja auch heute gemacht.
Z.B. mussten früher philosophische Schriften oft die Zensur fürchten. Das hatte einen Vorteil. Sie hatten zumindest einen guten Leser, den Zensor. Heute hingegen hat man den überfüllten und verstopften Buchmarkt, der das Bekanntwerden interessanter neuer Ideen noch viel wirksamer verhindert als die Zensur.
Wie nun merkt man heute, dass man etwas Verbotenes macht? Man merkt es zumeist dadurch (weil ja nur die wenigsten Dinge aktiv verboten und abgestellt werden), indem man einfach alleingelassen wird. Mit der Zeit, kalkuliert die Gesellschaft, wird dem engagierten Individuum schon die Kraft ausgehen - und gewöhnlich behält sie recht damit.
Ich sage das auch, weil in einen Threads meine Einsamkeit immer wieder hervorhebst, EarlyBird. Ich möchte dir hiermit erklären, was diese Einsamkeit ist: Sie ist nämlich nicht nur ein Gefühl (das ist sie nur ganz am Rande). In Wirklichkeit ist sie ein Resultat sozialer Verhinderungsmaßnahmen und dadurch zugleich (jetzt: aus meiner Perspektive) ein wunderbares und sehr exaktes Diagnoseinstrument für soziale Verbote und für die gesellschaft unliebsame Themen.
Denn, wenn du heute nicht ganz über die Stränge schlägst, dann wird dir heute nichts verboten. Du wirst einfach allein gelassen. Und wenn du die Einsamkeit spürst, dann weißt du: Hier habe ich offenbar was Verbotenes getan!
liebe Grüße
philohof