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Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Was meiner Meinung nach die Aufgabe von Philosophie ist möchtest du wissen, EarlyBird?

Nun, ich sehe das Ziel von Philosophie (und das ist: von Philosophieren) im aufgeklärten, selbstdenkenden, mündigen Menschen, von dem Kant in seinem Aufsatz "Was ist Aufklärung?" geschrieben hat.

Auch die Wissenschaft war einst dabei beteiligt, den Menschen mündig zu machen, als sie noch gemeinsam mit der (Aufklärungs-)philosophie gegen Religion und Aberglauben kämpfte. Aber heute sind aus den Wissenschaftlern Mandarine geworden, die den Menschen mit Autorität die Wahrheit offenbaren, so wie einst die Priester, und gleichzeitig ihre heiligen Disziplinen mit Zähnen und Klauen gegen den Zutritt des interessierten Bürgers/der Bürgerin verteidigen.

Liebe grüße
philohof



Die Menschen werden von ganz alleine mündig, wenn man sie nicht von kleinauf gezielt ENTmündigt!
Und es sind immer die Außenseiter, die den Prozess des Entmündigens aufhalten! Auch die Wissenschaft war damals noch ganz frisch und in der Außenseiterposition. Aber so ist das - kaum ist man anerkannt, verteidigt man seinen Status und seine Pfründe mit Zähnen und Klauen! :D


LG

EarlyBird :)
 
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AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Ich möchte heute aber nicht nur antworten, sondern auch zwei neue Fragen in unsere Diskussion einbringen.

Sie beide hängen mit einem Thema zusammen, das Ihr alle offenbar nicht so gern habt - Philosophieren für Geld (im Rahmen einer Philosophischen Praxis). Dennoch scheinen sie mir außerordentlich wichtig.

Hier die erste Frage oder der erste Gedanke:

Vielleicht sollte man schon allein deshalb philosophische Dienste gegen Geld anbieten, um so mit der Realität in Kontakt zu kommen.

Ich meine das so: Bewegt man sich im geldfreien Raum, im Raum des reinen Gesprächs, dann redet man so leichthin davon, dass Philosophie einen Nutzen für die Menschen habe oder dass sie helfe, dass es den Menschen besser gehe...

Aber sobald man in den Bereich von Gewerbe- und Geldverkehr eintritt, stellt sich die Frage der Gewerbeberechtigung. Und hier zeigt sich (das gilt zumindest für Österreich): Philosophiert man in der Gestalt eines akademischen Gesprächs, dann braucht man keinen Auszug aus dem Gewerberegister lösen und muss auch nicht Mitglied der Wirtschaftskammer werden; bewegt man sich mit seinem philosophischen Angebot hingegen in Richtung Lebenshilfe oder Persönlichkeitsentwicklung, dann braucht man eine Ausbildung als Lebens- und Sozialberater.

Und das ist nämlich auch ein Punkt, warum ich mich für soziale Tatsachen interessiere: Dinge, die im bloßen Gespräch frei und frei verfügbar erscheinen, erweisen sich in der Wirklichkeit der Sozialwelt als besetzt und unzugänglich.

Anders gesagt, ein Blick auf die Sozialwelt erweist sich oft als eine starke Injektion Realität. Denn oft reden wir so dahin im Gespräch, als ob wir über die Eigenschaften von Philosophie entscheiden könnten. Dann wenden wir uns der sozialen Realität zu und müssen erkennen, dass in ihr die Dinge schon entschieden und geregelt worden sind.

Menschen helfen kann die Philosophie also gar nicht mehr, selbst wenn sie es wollte. Diese Möglichkeit ist ihr nämlich schon von den Lebens- und Sozialberatern weggeschnappt worden. Das hat seinen Grund auch darin, dass die Lebens- und Sozialberater im Unterschied zur Philosophie einen Ort in der Gesellschaft haben. Und dieser Ort ist hier:

http://www.bildungsforum.at/WIEN/kurse/Lebens-und-Sozialberater/downloads/LSB-BGBL.pdf

Aber das merkt man natürlich erst, sobald man in die Sphäre des Geldes und der Wirtschaft eintritt, denn vorher bleibt alles Reden folgenlos - und erweist sich daher als leeres Geschwätz

Was meint ihr dazu?
lg philohof



Das ist die ewige, leidige Diskussion, ob man für Lebenshilfe Geld verlangen darf. Man kann es natürlich tun, wenn man darauf gefasst ist, dass man dafür auch immer mal wieder angefeindet wird.
Es ist halt nunmal so, dass man zum Leben Geld braucht und die Wenigsten sind in der glücklichen Lage, auch so über ein Auskommen zu verfügen.
Aber du musst ja auch gar nicht helfen! Es reicht doch, wenn du philosophisch begleitest oder vielleicht Denkschulungen anbietest - falls das nicht auch schon besetzt ist. Nischen gibt es aber immer, man muss sie halt finden.


LG

EarlyBird :)
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Das ist die ewige, leidige Diskussion, ob man für Lebenshilfe Geld verlangen darf. Man kann es natürlich tun, wenn man darauf gefasst ist, dass man dafür auch immer mal wieder angefeindet wird.
Es ist halt nunmal so, dass man zum Leben Geld braucht und die Wenigsten sind in der glücklichen Lage, auch so über ein Auskommen zu verfügen.
Aber du musst ja auch gar nicht helfen! Es reicht doch, wenn du philosophisch begleitest oder vielleicht Denkschulungen anbietest - falls das nicht auch schon besetzt ist.

Nischen gibt es aber immer, man muss sie halt finden. ...
LG
EarlyBird :)

... und sich darauf vorbereiten, dass bald die Konkurrenz kommt ...
... wenn es schöne Nischen sind ... :sekt:
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Im Alter von zwei Monaten wurde ich von meiner Mutter zur Pflege gegeben. Sie musste arbeiten gehen, da mein Vater die Flucht angetreten und meine Mutter sitzen gelassen hatte. Das war Mitte der Sechziger. Ende der Neunziger antwortete sie auf meine Frage, warum sie mich weggegeben hatte, völlig entsetzt, „Ja sollte ich denn zum Sozialfall werden!"

Nicht nur, dass ich dadurch später zum „Sozialfall“ wurde, weil ich irgendwann völlig entwurzelt immer weiter, auch vom Sozialamt, herumgereicht wurde, sondern auch meine Mutter war damals in gewisserweise ein „Sozialfall“ durch ihre Wahl, dem beklemmenden Gefühl, also dem sozialen Druck ausweichen zu müssen.

Mit 12 musste ich dann ins Heim und weil ich des Nächtens immer noch in mein Bett „weinte“ und der „Erzieher“ nicht mehr weiter wusste, fing er an mich morgens für die „Tränen"zu schlagen. Irgendwann nach drei Jahren meldete dann irgendeine kindliche Psyche ihren Konkurs auf einer Brücke an.

Dieser Konkurs stand dann aber seltsamerweise hoch im Kurs, denn es gab nette soziale Institute, in denen Menschen arbeiteten, die genau für solche Probleme ihren Lebensunterhalt bezogen. Die hatten überhaupt keine Schwierigkeiten „Sozialhilfe“ zu beziehen.
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Was hat dieser Beitrag (# 465)
1. mit einem denkforum
2. mit dem Thema "Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft" zu tun:confused::dontknow:
Der blaue moebius
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Im Alter von zwei Monaten wurde ich von meiner Mutter zur Pflege gegeben. Sie musste arbeiten gehen, da mein Vater die Flucht angetreten und meine Mutter sitzen gelassen hatte. Das war Mitte der Sechziger. Ende der Neunziger antwortete sie auf meine Frage, warum sie mich weggegeben hatte, völlig entsetzt, „Ja sollte ich denn zum Sozialfall werden!"

Nicht nur, dass ich dadurch später zum „Sozialfall“ wurde, weil ich irgendwann völlig entwurzelt immer weiter, auch vom Sozialamt, herumgereicht wurde, sondern auch meine Mutter war damals in gewisserweise ein „Sozialfall“ durch ihre Wahl, dem beklemmenden Gefühl, also dem sozialen Druck ausweichen zu müssen.

Mit 12 musste ich dann ins Heim und weil ich des Nächtens immer noch in mein Bett „weinte“ und der „Erzieher“ nicht mehr weiter wusste, fing er an mich morgens für die „Tränen"zu schlagen. Irgendwann nach drei Jahren meldete dann irgendeine kindliche Psyche ihren Konkurs auf einer Brücke an.

Dieser Konkurs stand dann aber seltsamerweise hoch im Kurs, denn es gab nette soziale Institute, in denen Menschen arbeiteten, die genau für solche Probleme ihren Lebensunterhalt bezogen. Die hatten überhaupt keine Schwierigkeiten „Sozialhilfe“ zu beziehen.



Hm, Windreiter.....
Was wolltest du denn jetzt zum Ausdruck bringen?
Dass du es nicht ok findest, wenn Menschen, die Lebenshilfe leisten, Geld dafür kriegen oder dass du zornig, enttäuscht bist, weil deine Mutter zu stolz oder was weiß ich was, war, Sozialhilfe zu beantragen und es vorgezogen hat, dich im Stich zu lassen? Oder macht es dich zornig, dass die Gesellschaft ihre Mitglieder im Stich lässt, wenn sie nicht selber irgendwie für sich sorgen?


LG

EarlyBird
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Gesellschaftliche Verflechtungen, aufgezeigt an einem ganz persönlichen Beispiel. Was ist daran jetzt so schwer zu interpretieren?


Ich will es gar nicht interpretieren, sondern verstehen!
Und was meinst du genau mit gesellschaftlichen Verflechtungen?
 
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AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Ich will es gar nicht interpretieren, sondern verstehen!
Und was meinst du genau mit gesellschaftlichen Verflechtungen?


Ein Mensch der Probleme hat, hat nicht einfach nur Probleme, denn die Gesellschaft sagt unausgesprochen, dass diese Probleme geldwerten Charakter besitzt. Wenn diese Probleme jedoch aus diesen geschilderten Umständen, also aus Strukturgewalt heraus entstanden sind, wird es schwierig sie als eigene, persönliche Probleme zu verstehen. Hinzu kommt jetzt noch, dass sich niemand dafür zu verantworten weiß, wie auch, wenn es sich um Strukturgewalt (soziale Gewalt) handelt. Wo also nach Antworten suchen?
 
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