AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft
Doch noch nicht ganz tot, die Diskussion hier?
Hallo EarlyBird,
ja, wir zwei scheinen wirklich ein größeres Missverständnisproblem miteinander zu haben. Z.B. kann ich mich an keine Vorschläge von dir zur Verwirklichung meines Vorhabens erinnern. Ich erinnere mich nur an einige Statements von dir, wonach man nur im privaten Bereich und im persönlichen Austausch mit anderen philososophieorientierten Freunden aktiv werden kann. Aber das ist natürlich kein Ansatz, der eine größere Wirkung entfalten könnten, kein Ansatz also, der über den privaten Lebensumkreis hinausgeht.
Hallo philohof!
Das war halt das, was mir grade dazu eingefallen war, ich hab aber z.B. auch gesagt, dass man Bücher schreiben kann, um die Philosophie unter 's Volk zu bringen. Aber ok, ist natürlich Glückssache, dass es so ein Renner wird wie "Sofies Welt"!
Ich weiß ja nicht, wie es in Österreich ist, bei uns in Deutschland gibt es die Volkshochschule, wo jeder, der etwas zu lehren hat, Kurse anbieten kann. Über die VHS erreicht man schon eine ganze Menge Menschen, denn die Programme werden an öffentlichen Orten ausgelegt und es wird auch oft in den Zeitungen veröffentlicht, wenn ein neuer Kurs beginnt.
Was mir noch einfällt, du könntest Artikel schreiben und verschiedenen Zeitschriften anbieten.
Im Übrigen sagst du selbst im folgenden Zitat wieder, es gebe viel Orte für Philosophie in der Gesellschaft. So habe ich dich auch bislang verstanden: Deiner Meinung nach gibt es keinen Handlungsbedarf.
Für mich persönlich gibt es keinen, denn Philosphieren ist für mich etwas, das ich eh am liebsten zu zweit mache. Womit ich aber natürlich dir deine Bedürfnisse nicht ausreden möchte! Ich hab lediglich geäußert, was man m.E. tun müsste, um eine gesamtgesellschaftliche Anerkennung der Philosophie zu erreichen und dass das in meinen Augen nicht wirklich was bringt. Dass ich mich irren kann, ist ja eh klar.
Wie du mich so verstehen kannst, dass ich von selbsternannten Autoritäten akzeptierten Ort für die Philosophie suche, das kann ich nicht verstehen. Eine bloß selbsternannte Autorität hat ja eben nicht die Anerkennung der Gesellschaft - und ein Ort, den sie anbietet, kann folglich kein gesellschaftlicher Ort sein.
Nein, Missverständnis! DU SELBST hast bestimmte Autoritäten für dich als maßgeblich "ernannt"! Also, wen immer auch du selbst als Autorität betrachtest, es gilt erstmal nur für dich. Oder ist für dich unterschiedlos jeder Prof, jeder einzelne Philosoph, von dem du schon was gehört/gelesen hast, eine Autorität? Ist es dir nicht wichtig, ob und was die "Autorität" dir gibt? Lässt du dir von Anderen vorschreiben für was du dich zu interessieren hast?
Gesellschaftliche Autoritäten, die jetzt die Philosophie vertreten, wäre natürlich eine Möglichkeit, wollte man in das Feld hinein, das heute offiziell "Philosophie" heißt. Aber ich will da nicht hinein, weil ich nicht glaube, dass die heutigen offiziellen Orte der Philosophie die Idee der Philosophie oder den philosophischen Eros vertreten. (Vielmehr machen sie was ganz anderes, das nicht mal von der Ferne wirklicher Philosophie ähnlich sieht.)
Ok, in dem Punkt habe ich keinerlei Schwierigkeiten dir das abzunehmen.
Aber ich hab dich wohl wirklich gründlich missverstanden.....
Frage ich halt mal wieder nach - WER sind denn die Menschen, um deren Zustimmung/Anerkennung es dir geht? Wo findest du sie?
Ich interessiere mich auch dafür, dass Menschen ihr Eigenes entdecken - und diese selbstbezügliche, reflexive Tätigkeit, um das zu tun, nenne ich Philosophieren.
Dein Vorwurf der Religion, EarlyBird, aber kränkt mich. Bitte, ja, wenn du behaupten willst, dass Gesetze, Parteien, Straßen, Schulen, Religionsgemeinschaften, Vereine, die Freiwillige Feuerwehr, Unternehmen, Banken, Gewerkschaften, Autofahrerklubs, Theater- und Kabarettbühnen, die Wiener Festwochen, der Steirische Herbst, die Linzer Klangwolke, der Ingeborg Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt etc., etc. Gegenstände einer Religion sind, an die man glauben müsste, damit sie existierten, dann hast du recht, dass mir eine Religion vorschwebt - aber nur in dem Fall.
Hm, das will ich keinesfalls behaupten!
Ich führe es mal etwas näher aus, was ich meinte. In einer Religion wird die Eigenmacht an "Götter", bzw. deren "Stellvertreter" abgegeben. Sprich, ich lasse mir von außen sagen, was ich zu tun und zu lassen habe, weil ich nicht gelernt habe, mir selbst zu vertrauen. In einem weiteren Sinn ist auch ein Staat ein religiöses Gebilde, denn die Staatsangehörigen glauben, dass sie kraft Geburt diesem bestimmten Staat angehören - das wurde aber VERFÜGT - sie geben mehr oder weniger bereitwillig an diesen Staat ab, obwohl sie keinen DIREKTEN Vorteil davon haben und auch nicht überprüfen können, wer was wann wie von dem Geld verwendet und sie hinterfragen das alles nicht oder erst dann, wenn es nicht mehr anders geht.
Sorry, bin abgeschweift...
Was ich meinte: Indem du einer anonymen Masse die Macht darüber gibst zu bestimmen, was ok ist und was nicht, gibst du deine eigene Macht an sie ab!
Eigenmacht heißt, du weißt und bestimmst selbst, was du willst, was du anerkennst, was dich interessiert.
Deinen Vorwurf könnte ich aber auch umdrehen: Du bist ein bisschen wie jemand, Achtung ich spreche in Bildern, der sagt: "Zum Philosophieren wollen wir uns jede Woche einmal hier auf diesem Feld treffen." Und wenn wer sagt: "Wäre es da nicht besser, wir bauten ein Haus, um uns darum zu treffen, denn im Herbst und Winter wird es kalt und dann könnte es sein, dass viele Leute die Lust verlässt, mit uns hier in Kälte und Nässe zu philosophieren." Worauf du antworten würdest: "Na, wenn das so ist, und diese Leute kommen wirklich nicht mehr, dann zeigt das nur, dass sie sich nie wirklich für Philosophie interessiert haben. Aber solche Leute erreichst du ohnehin nicht für die Philosophie, da kannst du ihnen ein noch so gemütliches Haus bauen!" - Ja? Nein? Ist es nicht ein bisschen so, EarlyBird.
Sorry, aber das ist wirklich Blödsinn! Wo hab ich sowas geäußert?
Die meisten Menschen haben ja wohl eine Wohnung und man kann auch gemütlich in einem Cafe sitzen und philosophieren!
Und wenn du es mit mehreren tun willst, es gibt auch Nebenzimmer in Kneipen!
Im letzten Teil deines letzen oben stehenden Zitats scheint recht gut dein Denkfehler bezüglich der Gesellschaft durch (Ich meine, es ist nicht allein dein Denkfehler, die Soziologen des 19. Jhs. quälten sich auch damit ab, bis sie ihn überwanden.): Wenn du sagst, die Gesellschaft bestehe aus Menschen, dann machst du die Wertschätzung, die die Philosophie in der Gesellschaft genießt, von der Wertschätzung eben dieser Menschen abhängig. Aber das sind einzelne Menschen! Das bedeutet, du kommst mit deinem Problemaufriss über die Ebene einzelner Menschen gar nicht hinaus - und kommst gar nie zur Frage der Gesellschaft.
Ok, dann beantworte mir BITTE meine Fragen: Ist die Gesellschaft eine eigene Wesenheit? Sind wir alle nur einzelne Zellen in einem Gesamtorganismus und haben nichts zu melden? Oder sind wir eine Art Ameisen, die von einer zentralen Königin regiert werden und keinen eigenen Willen haben?
Senkt sich von irgendwo ein Geist herab, wenn mehrere Menschen zusammen leben und wirken? Oder ist Gesellschaft nicht doch das Zusammenwirken aller Beteiligten?
Ohne Menschen gibt es keine Gesellschaft, aber ein Mensch kann durchaus auch alleine leben!
Aber wenn einzelne Menschen in der Gesellschaft sich ebenso verhalten würden wie einzelne Menschen ganz ohne Gesellschaft, dann gäbe es keine Gesellschaft und dann hätten wir auch das Problem der Gesellschaft nicht. Ich gebe natürlich zu, dass es schwer ist, sich die Gesellschaft nicht als aus Menschen bestehend vorzustellen, aber: Wenn man es nicht tut, bleibt das Denken und Verstehen immer auf der Ebene einzelner Menschen stecken und kommt nie zu einem Verständnis dessen, wie die Menschen im größeren Verbund agieren.
Habe ich damit irgendwelche Klarheiten beseitigt?
lg philohof
Klar verhalten wir uns in Gesellschaft anders als alleine. Mensch ist Individuum UND soziales Wesen! Das schließt sich ja nicht aus. Aber WIE Mensch seinen sozialen Anteil lebt, hängt von seiner Individualität ab!
Und ich sehe überhaupt nicht ein, dass ich mir eine Gesellschaft ohne Menschen vorstelle, das widerspricht in meinen Augen jeglicher Vernunft! Da "könnte" (nein, kann ich natürlich NICHT!) ich mir auch einen Baum ohne Wurzeln, Stamm, Äste, Blätter usw. vorstellen oder ein Tier ohne Körper oder eine Regenwolke ohne Wasser ....
LG
EarlyBird