AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft
JETZT verstehe ich, was du meinst! Klar stört man sehr viele Mitmenschen, wenn man philosophiert, also tiefer geht.
Darum ist es gut, wenn man sich Freunde sucht, die es nicht stört, weil sie es auch wollen - dank Internet ist das ja leichter geworden.
Natürlich kann man es auch mit Philosophie-Freunden woanders ebenfalls nicht wirklich lassen, das Philosophieren liegt im Blut. Ich denke mal, auch der Philosoph hat eine Funktion für die Gesellschaft und es gibt ihn nicht von ungefähr, aber auch nicht von ungefähr in relativ wenigen Exemplaren.
Ein Philosoph findet vermutlich früher oder später heraus, WARUM die meisten seiner Mitmenschen nicht in die Tiefe wollen und lernt damit umzugehen, indem er anders formuliert und seinen Zuhörern ein bisschen die Angst vor sich selbst und dem, was da in der Tiefe lauern könnte, nimmt.
Na ja, so seh ich das jedenfalls!
Hallo EarlyBird,
ja genau so siehst DU das. Und du VERSTEHST mich auch, jedenfalls auf deine Weise. Indem du dir nämlich die Dinge in einem sehr individuellen und subjektiven Erkenntnishorizont zurechtlegst und das, was außerhalb ihrer ist, nicht sehen willst.
Und tatsächlich hast du damit ja auch in einem sehr wichtigen Punkt recht. Wenn es etwa darum geht, ob jemand schwimmen kann (Achtung ich rede in Bildern), dann besteht die Hauptsache darin, ob er eben wirklich schwimmen kann oder nicht. Ich versuche dich daneben auch noch auf so Faktoren hinzuweisen wie: dass die Wassertemperatur eine Rolle spielt, die spezifische Dichte dieses Wassers, ob es starke Strömung gibt, Wirbel unter der Wasseroberfläche. Aber diese Dinge streichst du mir dann aus der Diskussion. Wenn z.B. einer gut schwimmen kann und das Wasser hat nur knapp über 0 Grad, dann wird er trotzdem bald ersaufen, weil sein Körper unterkühlt wird - könnte ein Argument von mir sein. In dem Fall, würdest du antworten, müsse er in sich gehen und in seiner Psyche oder in seiner Einstellung sein Problem mit der Kälte lösen, dann könnte wohl, meinst du wahrscheinlich, auch im Eiswasser stundenlang schwimmen. Deine Grundansicht besteht also darin, dass du nicht anerkennen willst, dass irgendetwas auch unabhängig vom Willen und von der Einstellung des Einzelmenschen besteht.
Dieses Muster haben wir hier in deiner letzten Antwort wieder: Wer philosophiert, sagst du, störe. Und es läuft wahrscheinlich in weiterer Folge daraus hinaus, dass man es selbst als unangenehm empfindet, wenn man stört und dass man es aber ertragen muss zu stören, wenn man philosophieren will. Oder dass man mit Freunden philosophiert, die ähnliche Interessen haben wie man selber, dann stört man nicht.
Aber durch diese aufs Persönliche eingeschränkte Denkweise geht genau die Bedeutung von "Stören" verloren, die das philosophische Stören in sich trägt.
Es ist nämlich bei gewöhnlichem Stören davon auszugehen, dass die Menschen wissen, nicht nur, dass einer stört, sondern auch, womit er stört. Was also das ist, was er (oder sie) da tut und dass er damit stören will. Genau das ist aber bei der Philosophie nicht der Fall. Der stört - und für die anderen ist es so, als ob er in einer fremden Sprache spräche. Beziehungsweise billigen sie ihm (oder ihr) nicht einmal zu, in einer fremden, ihnen unverständlichen Sprache zu sprechen, sondern sie sagen einfach: "Was hat der? Das ist komplett unverständlich? Der muss verrückt sein?"
Und jetzt kommt meine Argumentation ins Spiel: Wenn einer stören würde, aber indem er mathematische oder physikalische Formeln hersagt, dann würde er auch stören - aber die Leute würden sagen: "Spinnt er oder spinne ich? Da er diese schwierigen Formeln versteht und ich sie nicht verstehe, bin offenbar ich der Dumme." Und diese Einsicht haben sie, weil sie wissen, dass sie diese mathematischen oder physikalischen Formeln zwar nicht verstehen, aber dass es sie gibt in der Gesellschaft und dass man nicht über etwas urteilen soll, das man selber nicht versteht.
Diese Einsicht, dass es diese Formeln gibt, auch wenn man sie selber nicht versteht und dass man sie deshalb nicht einfach wegwischen kann oder denjenigen, der sie hersagt für verrückt erklären kann hat seinen Grund darin, dass die Mathematik und die Physik einen Ort in der Gesellschaft haben. Und das ist genau das, was sie von der Philosophie unterscheidet: Einem philosophisch Störenden würde man eine jede seiner Aussagen einfach ihm individuell (als Verrückten) zuschreiben und zwar deshalb, weil es kein Sprachspiel Philosophie gibt, das alle kennen und wo sie sagen: "Das verstehe ich zwar nicht, aber ich weiß, dass es das gibt."
Du verstehst mich also gut, EarlyBird, aber nur die eine Hälfte der Angelegenheit.
liebe Grüße
philohof