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Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Hallo EarlyBird,

das meinte ich nicht, sondern ich meinte - umgekehrt aus der Sicht der Klienten gesehen - dass die Menschen zur Psychotherapie gehen, weil sie sich Heilung erhoffen oder eine Erleichterung ihrer psychischen Zustände. Das ist dann gewissermaßen der Kundennutzen der Psychotherapien.

liebe Grüße philohof


Hi philohof! :)


Es gibt auch Menschen, die hingehen, weil sie sich mehr Selbsterkenntnis und seelische Entwicklung davon versprechen. Man muss nicht krank sein, um auf sich selbst neugierig zu werden! :)


LG

EarlyBird :)
 
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AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Nein, EarlyBird,
das nützt tatsächlich nichts.

Denn: Schau mal:

"Martin Ceccaldi, der 1882 in einem korsischen Dorf als Sohn einer bäuerlichen Familie von Analphabeten zur Welt kam, schien für ein Leben als Bauer und Hirte bestimmt zu sein, ein Leben mit beschränktem Aktionsradius, wie es seine Vorfahren seit einer unbestimmten Zahl von Generationen geführt hatten. [...]
Das einzigartige Schicksal, das Martin Ceccaldi zuteil wurde, ist in Wirklichkeit völlig symptomatisch für die Rolle, die die staatliche, bekenntnisfreie Schule während der gesammten Dritten Republik als integratives Element für die französische Gesellschaft sowie für die Förderung des technologischen Fortschritts spielte. Sein Grundschullehrer erkannte sehr schnell, daß er einen außergewöhnlich begabten Schüler vor sich hatte, dessen Abstraktionsfähigkeit und formale Erfindungsgabe in dem begrenzten Milieu, dem er entstammte, kaum adäquate Anwendung finden würden. Da er sich durchau bewußt war, da sich seine Rolle nicht darauf beschränkte, jedem künftigen Staatsbürger ein elementares geistiges Rüstzeug zu vermitteln, sondern daß er auch die Aufgabe hatte, die Eliteelemente zu entdecken, die berufen waren, sich in die Reihe der Führungskräfte der Republik einzugliedern, gelang es ihm, Martins Eltern davon zu überzeugen, daß das Schicksal ihres Sohnes zwangsläufig außerhalb Korsikas seine Erfüllung finden würde. 1894 kam der Junge daher, versehen mit einer Ausbildungshilfe, als Internatsschüler in das Lycée Thiers in Marseille [...]. 1902 bestand er die Aufnahmeprüfung für die Ecole Polytechnique und erfüllte somit gänzlich die Hoffnungen, die sein ehemaliger Grundschullehrer in ihn gesetzt hatte.
1911 übernahm er einen Posten, der für seinen weiteren Lebensweg ausschlaggebend sein sollte. Er hatte den Auftrag, das gesamte algerische Territorium mit einem Wasserversorgungssystem zu versehen..."


Michel Houellebecq: Elementarteilchen. Dumont Verlag, Köln 1999. S. 25-26.

Jetzt ist das zwar nur ein Roman, aber Michel Houellebecq beschreibt hier sehr genau das, was ich mit den "Gitterstäben" meine: Frankreich hatte zu dieser Zeit ein bestimmtes Elitenrekrutierungssystem, das offenbar bis in alle Enden des Landes hinaus wirkte. Dieses gesellschaftliche System hat Martin Ceccaldi in die Höhe gehoben, indem es ihn schon als kleinen Schulbuben ausgesucht und gefördert hat. Hätte es dieses Eliterekrutierungssystem nicht gegeben, wäre Martin unvermeidlich Hirte oder Bauer geworden.

Bitte, EarlyBird, das sind wirklich keine Gitterstäbe oder Schranken, die wir in unserem Inneren tragen!!! Und selbst wenn man sich innerlich befreit, wird dennoch kein Grundschullehrer kommen und einen ans Gymnasium in Marseille schicken, weil kein Grundschullehrer da ist, der von der Gesellschaft diesen Auftrag hat. Der Grundschullehrer ist nämlich kein inneres Faktum in Martins Psyche.

Weißt du, was ich meine?

Liebe Grüße
philohof


Hallo philohof! :)


Schöne Geschichte, aber es gab zu allen Zeiten Förderer.
Ich hatte übrigens auch welche, aber ich wollte das nicht, was die für mich wollten.

Es ist eine individuelle Geschichte, denn du willst mir ja wohl nicht erzählen, dass damals die Kinder haufenweise gefördert wurden!
Im Übrigen dürfte es ja wohl klar sein, dass es für ein solches Rekrutierungssystem viele Menschen bräuchte, die überhaupt FÄHIG sind, die Anlagen in einem Kind zu ERKENNEN!
Und deren sind eben leider nicht viele.

Hm, mal andersrum gefragt, was ist bei dir INNEN?
Hast du dich schon mal mit Glaubenssätzen befasst, dich gefragt, warum du persönlich die Welt siehst, so wie du sie siehst, oder gehst du davon aus, dass wir die Welt alle gleich wahrnehmen?


LG

EarlyBird :)
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Und noch ein drittes Mal hallo EarlyBird,

das ist ein schwieriges Problem. Vielleicht gab es deshalb ein Missverständnis zwischen uns.

Ich meine: Ich weiß genau was du meinst: Jemand will einen anderen Menschen verändern und hat schon eine Zielvorstellung im Kopf, wie dieser andere am Ende aussehen soll. So etwas lässt sich nicht realisieren, das sollte man am besten von Anfang an lassen.

Aber andererseits versuchen wir mit einem jeden Wort, das wir aussprechen, unsere Mitmenschen zu beeinflussen und zu verändern. Ein jedes einzelne Wort will sie verändern. Wenn es das nicht könnte, hätten wir gar keine Lust, es auszusprechen, denn wir wollen immer andere Menschen beeinflussen, sie zu etwas bringen. Wenn uns das nicht gelänge, würden wir uns nicht verstanden fühlen, ja nicht einmal gehört.

Hier lag vielleicht das Missverständnis zwischen uns.

lg philohof


Wen will ich denn verändern, wenn ich z.b: mit Freunden abhänge, mit ihnen über Gott und die Welt spreche, wenn ich mit Anderen spiele, blödle? :confused:
Da komm ich nicht mit. Wenn ich einen erst ändern muss, damit ich etwas mit ihm gemeinsam tun kann, dann lass ich es!


LG

EarlyBird :)
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Und noch einmal muss ich mit dir verhandeln, EarlyBird:

Nein, dagegen muss ich mich aufs Stärkste verwehren. Ich sehe das so: In früheren Gesellschaften war Ökonomie noch wirklich Ökonomie. Sie war also sparsam auch in dem Maße, wie sie das menschliche Leben in Anspruch nahm. Sie nahm also nur einen Teil desselben in Anspruch und ließ dem Menschen den Rest frei für die freie Gestaltung, z.B. fürs Philosophieren.


Ok, philohof, ich antworte noch mal! :D

Ich weiß nicht, kam das nicht auf die Umstände an? In einem rauhen, unfruchtbaren Klima muss Mensch mehr tun, um der Natur Nahrung und Schutz abzuringen.
Und in Feudalsystemen war es eh nur einer winzig kleinen Schicht vorbehalten zu philosophieren, wenn sie denn wollte - die anderen mussten schlicht und ergreifend malochen bis zum Umfallen und kriegten oft nicht mal das Allernötigste dafür. Kennst du Beispiele für Gesellschaften, in denen wirklich ALLE relativ wenig arbeiten mussten und Zeit für ihre eigenen Interessen hatten?
So gesehen war es eigentlich selten so gut, wie bei uns in der Zeit des Wirtschaftswunders. Da wurden die Arbeitszeiten verkürzt, die Menschen haben gut verdient und viele hatten Zeit für sich. Dass sich inzwischen das Rad etwas zurückgedreht hat, ist natürlich bitter. Aber Entwicklungsprozesse sind eben auch nicht kontinuierlich, gut möglich, dass es nur eine Zwischen- und Übergangsphase ist!


Aber in der heutigen Zeit entwickelte sich etwas (gut in der Industriellen Revolution war es auch schlimm, aber das ist eine andere Geschichte), das nennt sich die "Ökonomisierung aller Lebensbereiche". D.h. die Wirtschaft hat sich über alles ausgedehnt und nichts, kein Lebensbereich ist heute mehr außerhalb der Wirtschaft. Das ist eine - ich weiß, du leugnest die Gesellschaft weitgehend, aber ich sage es trotzdem - gesellschaftliche Organisationsform. Und diese Organisationsform lässt nichts mehr zu, das außerhalb der Wirtschaft stünde. Also auch keine Philosophie, die außerhalb der Wirtschaft stünde.


Also - erstens leugne ich die Gesellschaft nicht, ich sage nur, dass sie aus vielen Individuen besteht - und zweitens ging es für die meisten Menschen IMMER ums Überleben!
Dass es heute auf eine besondere Art beschissen ist, weiß ich auch. Ich würde das aber nicht Wirtschaft nennen, sondern Lobbyismus, Abzocke, Lug und Betrug!


Ich bin also kein Philosoph, der mit der anderen Hälfte seiner Persönlichkeit ein Händler ist, sondern ich bin Philosoph und suche unter den Umweltbedingungen der heutigen Gesellschaft nach Überlebensmöglichkeiten für Philosophie. Dass man Philosophie heute verkaufen muss, damit sie überhaupt existiere, gefällt mir nicht. Wenn du das verändern kannst, die Zeit wieder zurückdrehen und einen Freiraum für die Philosophie schaffen kannst, der von der ökonomischen Gesetzlichkeit befreit ist, dann wäre ich dir sehr dankbar!

Lg philohof



Solange du selber lebst - und zwar so, dass du dir deine Zeit einteilen kannst, lebt auch die Philosophie mit dir weiter! :)
Und man muss Philosophie nicht verkaufen, damit sie existiert, man KANN sie verkaufen, WENN sie existiert!
Hm, vielleicht kommt es ja eines Tages noch so weit, dass Philosophen anerkannt werden. Wenn die Menschen merken, dass sie von ihnen wichtige Bedürfnisse erfüllt kriegen, werden sie mit der Zeit schon kommen! :)
Ich verstehe aber so langsam, was wirklich dein Problem ist - du hast keine Ahnung, wie und wovon du auf Dauer leben kannst...
Ich versichere dir aber, dass das ein kollektives Problem ist, das sehr, sehr viele Menschen betrifft! Nicht nur Philosophen können heute nicht DAS tun, was sie tun wollen und was sie gerne tun!


LG

EarlyBird :)
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

......


Ich versichere dir aber, dass das ein kollektives Problem ist, das sehr, sehr viele Menschen betrifft! Nicht nur Philosophen können heute nicht DAS tun, was sie tun wollen und was sie gerne tun!


LG

EarlyBird :)

Aber Not lehrt wenigstens - SELBST-zu-DENKEN ...:clown2:
Gruß, moebius
 
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AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Schöne Geschichte, aber es gab zu allen Zeiten Förderer.
Ich hatte übrigens auch welche, aber ich wollte das nicht, was die für mich wollten.

Es ist eine individuelle Geschichte, denn du willst mir ja wohl nicht erzählen, dass damals die Kinder haufenweise gefördert wurden!
Im Übrigen dürfte es ja wohl klar sein, dass es für ein solches Rekrutierungssystem viele Menschen bräuchte, die überhaupt FÄHIG sind, die Anlagen in einem Kind zu ERKENNEN!
Und deren sind eben leider nicht viele.

Hallo EarlyBird,
ich will heute nur ganz kurz antworten, aber auch ganz offen:

Ja, das ist eine individuelle Geschichte (auch wenn wir nicht wissen, ob sie genau so stattgefunden haben kann, weil sie einem Roman entstammt), aber das hindert sie nicht daran, in mindestens demselben Ausmaß auch eine soziale Geschichte zu sein.
Der indivdiuelle Anteil könnte sein, dass der Lehrer den kleinen Martin fördern wollte - das können wir ruhig annehmen. Der soziale Anteil war, dass er die Möglichkeiten hatte, ihn zu fördern. Und da macht es eben einen Unterschied, ob ein Land eine Kolonialmacht ist und in den Kolonien viele Verwaltungsposten mit fähigen Leuten besetzen muss oder ob es diese Notwendigkeit für den Staat nicht gibt. In Frankreich gab es diesen Bedarf eben - und deshalb gab es einen Platz für Martin in der Gesellschaft.
Insofern wurden sicher Kinder "haufenweise" gefördert - zumindest können wir annehmen, dass es andere solche Verwaltungsposten in der französischen Administration auch noch gab.
Und dass man in dem Fall Menschen bräuchte, die überhaupt fähig wären, die Anlagen von Kindern zu erkennen, das stimmt wiederum nicht - denn es geht eigentlich nur darum, dass überhaupt einige eine Chance kriegen; ob das dann ganz die Richtigen sind, ist ohnehin immer diskutabel.

LG philohof
 
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