Mal eine wirklich ernst gemeinte Frage an dich: Was ist denn deiner Meinung nach das Endziel der Wissenschaft? Ist es eine Formel im Stil von e=mc2. Ist es ein Buch von einem Stephen Hawking 4.0, das alles erklären wird?
Als Albert Einstein im Jahr 1905 die spezielle Relativitätstheorie und im Jahr 1915 die allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte, da hielten ihn viele noch für eine Art esoterischen Spinner der Physik. Als man aber im Jahr 1919 die von ihm vorhergesagte Lichtablenkung des Lichtes eines Sterns während einer Sonnenfinsternis messen und
beweisen konnte - und das mit einer bislang unbekannten Genauigkeit - da war das eine öffentliche Sensation. Vor allem auch deshalb, weil man bis dahin in der Physik der Meinung gewesen war, die (klassische) Physik sei im Wesentlichen in ihrer Erforschung abgeschlossen.
Das macht die klassische Physik damit aber nicht ungültig. Für unsere irdischen Verhältnisse ist sie genau genug und liefert für die allermeisten Situationen Ergebnisse, die genau genug sind. Einstein kommt nur ins Spiel, wenn es um Bedingungen geht, die für uns auf der Erde i.d.R. keine Rolle spielen. Daher kann man sagen, dass die Newtonsche Mechanik eine Art Spezialfall einer größeren Theorie ist, der Einsteinschen eben.
Seit über 100 Jahren hat Albert Einstein Recht behalten (wie der extrem aufwändige Beweis der von ihm vorhergesagten Gravitationswellen vor wenigen Jahren wieder einmal zeigte (1)).
Aber auch Einsteins Theorie ist, aller Wahrscheinlichkeit nach, nur der Spezialfall einer größeren Theorie. Die gibt es noch nicht, oder wenn man die M-Theorie als diese ansehen will, dann ist sie bisher kaum verstanden.
Und immer dann, wenn man in der Wissenschaft glaubt, man hätte fast alles verstanden und feilte nur noch die Grate an ihr ab ... dann kommt etwas Neues, völlig unverstandenes auf. Seit wenigen Jahrzehnten rätselt man über die Dunkle Materie und die Dunkle Energie - und kommt zu der ernüchternden Erkenntnis, dass unser sichtbares Universum nur einen erschreckend kleinen Anteil des gesamten Universums auszumachen scheint.
Oder wird es nicht vielleicht doch irgendwann darauf hinauslaufen, dass man das Spirituelle im weitesten Sinne, also sagen wir mal ganz abstrakt: Das Bewusstsein - nicht mehr ignorieren können wird?
Das würde die Annahme eines "kosmischen Bewusstseins" bedeuten. Das wird von irgendwelchen New-Age-Autoren zwar immer wieder postuliert, bislang hat aber noch niemand dafür einen schlüssigen Beweis dafür vorlegen können. Zum aktuellen Stand kann ich da aber nicht mehr sehen, als schwammige Analogien. Aus der Tatsache, dass man den Goldenen Schnitt oder die Fibonacci-Folge oft in der Natur findet, lässt sich nicht zwingend ableiten, es handele sich um allgemeine kosmologische Prinzipien. Einen der wenigen, den ich in diesen Fragen halbwegs ernst nehmen kann, ist der englische Biologe Rupert Sheldrake - aber auch bei ihm hat man oft den Eindruck: Er stellt vielleicht die richtigen
Fragen, aber das bedeutet nicht, dass er auch die richtigen
Antworten gibt.
Auch die historischen Alchemisten hatten zwei Richtungen. Während die einen mystischen Zugang zur Alchemie in der Vervollkommnung des Alchemisten anstrebten, haben andere die Laborchemie immer weiter verbessert.
Von den Mystikern sind nur die allegorischen und verschlüsselten Dokumente der Zeit übrig geblieben, deren Interpretation unsicher und widersprüchlich ist und bei der selbst barocke Speziallexika nicht wirklich weiterhelfen. Daran ist auch einer der zwei größten Physiker überhaupt gescheitert: Isaac Newton hat sich zeitlebens auch mit der Alchemie beschäftigt und er gilt als der beste - und im Grunde letzte - wirkliche Alchemist.
Die Pragmatiker der Laborchemie unter den Alchemisten gelten aber als die Begründer der Chemie als Naturwissenschaft. Es ist ihr Werk, das weiterentwickelt wurde und am Ende die Zeiten überlebte, und nicht das der Mystiker (2).
Es ist immer einfach, sich auf den Standpunkt zu stellen: Der Materialismus hat sich durch gesetzt und ausgedient ... usw. usf.
Schwieriger ist es, darüber nachzudenken,
warum dies so ist, vor allem dann, wenn es, wie im Fall der Alchemie historisch einmal mehr
eine Wissenschaft war. Die Alchemie hat vor allem deshalb nicht überlebt, weil sie keine verlässlichen
Voraussagen über reale Reaktionen machen kann, die Chemie dagegen schon.
Die Versprechen des
Stein der Weisen, der
Transmutation der Metalle u.a. sind eben solche geblieben, dabei ist die barocke Literatur zum Thema ziemlich umfangreich. Da kann man dann etwas lesen zu den zwei Wegen zum Stein der Weisen (einen "nassen" und einen "trockenen"), nur hat man schon damals darüber gerätselt, was ein Autor mit seinen Grafiken und den Begriffen "König", "Löwe", "Drache", "Hochzeit", "Merkurium" usw.usf. eigentlich meint, zumal ein anderer Autor ganz offenbar etwas gänzlich anderes damit aussagt.
Es soll noch heute den einen oder anderen Alchemisten geben, der darüber rätselt ...
Und genau da setzt meine obige Frage an: Wird die Landkarte irgendwann einfach nicht mehr genügen. Ist "die Landschaft" vielleicht das Bewusstsein oder der Geist als solches?
Nein, die "Landschaft" ist das Universum selbst.
Die Landkarte ist nicht die Landschaft.
Dennoch kann ich aber bei einer Wanderung die Landkarte zu Rate ziehen und sagen: Wenn ich jetzt in dem und dem Tempo da und da lang marschiere, dann werde ich dann und dann an der Berghütte ankommen. Und so ist es dann ja auch, auch wenn mir die Landkarte nicht das Gewitter vorhersagen kann, in das ich unterwegs gerate,
(1) Was Studenten in Princeton zum Anlass nahmen, der dort befindlichen Statue Einsteins ein Pappschild mit der Aufschrift "I told You so" umzuhängen.
(2) Auch wenn es heute noch "Wissenschaften" gibt, die man definitiv als Kind der Alchemie ansehen kann, z.B. die Homöopathie. Ich kann allerdings nicht behaupten, das ich etwas von ihr halte.