AW: Der Tod
Sachliche Argumente gibt es dafür wohl nicht, aber die Tatsache, dass es für ein junges Säugetier wichtig ist, wessen Kind es ist, ist naturgegeben.
Hat es Glück, und eine kompetente Mutter (und/oder auch einen kompetenten Vater, kommt auf die Art an) dann hat es einen besseren Start als eines, das Pech hat und entweder seine Eltern verliert oder aber inkompetente hat.
Dass sich Eltern erst mal um den eigenen Nachwuchs kümmern ist völlig natürlich.
Statt beim Erbe müsste man da wohl schon beim Besitz anfangen. Ist Besitz legal und normal, dann ist es dessen Weitergabe an die eigenen Nachkommen auch.
Was könnte ein Umdenken in dieser Sache denn auslösen?
Was du hier ansprichst, ist die Ausgangssituation einer bestehenden Ungleichheit. Da widerspreche ich dir natürlich nicht: unterschiedliche Kinder haben Eltern mit unterschiedlichen Ressourcen sowohl äußerlicher Art (Stellung in der Gesellschaft, Macht, Vermögen, Einkommen) als auch persönlicher Art (Bildung, Persönlichkeit).
Ich wollte mich dabei vom eigentlichen Thema "Tod" nicht zu weit wegbewegen, als ich auf "Erben" kam. Denn für mich bietet das Ereignis "Tod", das jeden einmal treffen wird, einen ganz entscheidenden Ansatz: er macht jeden im Endeffekt gleich, stellt sozusagen einen kleinsten, gemeinsamen Nenner dar, in dem alle Ungleichheiten gewissermaßen verschwinden.
Das ist dann für mich der entscheidende Gedanke: man braucht erst gar nicht anzufangen, rechtlich-abstrakte Konstruktionen wie "Besitz" oder "Eigentum" zu hinterfragen, was wohl ohnehin zu keinen neuen Geistesblitzen in solchen Grundsatzfragen führen dürfte. Stattdessen sehe ich den pragmatischen Aspekt: ein Toter ist tot. Und hat damit - als Nicht-mehr-Existierender - keine Rechte mehr. Was also tun mit dem ganzen materiellen Besitz, der eben noch in einer Rechtsbeziehung gem. BGB zum Verstorbenen stand?
Bisher konstruiert eben das BGB eine Wirklichkeit, die eine soziale Widerspiegelung in den Köpfen der Bürger hat: der ganze Plunder eines Verstorbenen wird gemäß Erbschaftsrecht an die Erben weiterverteilt. Und der Verstorbene hat zu Lebzeiten per Testament Einfluß darauf nehmen können. Allerdings fußt bereits ein Testament, ein "letzter Wille" hinsichtlich vorhandenem Vermögen, bereits auf eben dieser sozialen Konvention, daß "vererbt" wird.
Wie könnte denn eine Gesellschaft aussehen, die das "Erben" gar nicht kennt? In der es schon seit Urzeiten völlig selbstverständlich wäre, daß der instutionellen Gemeinschaft (also dem Staat) der Nachlaß zufällt? Und dieser dann entscheidet, wie das Vermögen des Verstorbenen verwendet wird?
Diese Frage ist nämlich der entscheidende Punkt: die Gemeinschaft als "Erbe" könnte nunmehr in jedem einzelnen "Erbfall" auf die bestehende, materielle Ungleichheit direkten Einfluß nehmen und langfristig das Volksvermögen hinsichtlich einer politischen Zielvorgabe der bestmöglichen Gleichverteilung korrigieren. Und zwar ohne das Problem, daß sofort überall Interessengruppen und Lobbyisten dagegen angehen, was ja ansonsten eines der größten Hindernisse ist, wenn irgendwo mal auch nur kleinste Häppchen umverteilt werden sollen. Die Logik lautet dann eben: ein Toter kann sich über die Verwendung seines Nachlasses nicht mehr aufregen, weil er ja tot ist...
Ein paar Generationen später könnte unsere Gesellschaft dann schon ganz anders aussehen... oder sieht jemand gravierende Denkfehler?
Liebe Grüße vom Roten Baron