Ärzte wurden auch zu sehr viel späteren Zeiten nicht unbedingt geachtet, oder sagen wir: Nicht in dem Maße und so allgemein wie heute.
Was vor allem darin begründet sein dürfte, dass es eine wissenschaftsbasierte Medizin nicht gab, denn diese beginnt ja erst etwa ab der 2. Hälfte des 19. Jh. Giacomo Casanova
schneidet das Thema in seinen berühmten Memoiren (18. Jh.) immer wieder an. "Kennt Ihr einen guten Arzt?" ist in seinen Kreisen ein ständiges Thema (alle vögeln wild herum und haben Sexualinfektionen), und bei der Wahl des Arztes kann man sich nie sicher sein, ob man nicht an einen Quacksalber gerät. Fieseste Rosskuren waren an der Tagesordnung und "Behandlungen" mit quecksilberhaltigen Präparaten waren die Norm.
Man vergisst leicht, wie jung die evidenzbasierte Medizin eigentlich ist. Ignaz Semmelweis (1818-1865) gilt heute als der Begründer der modernen medizinischen Hygiene. Seine Studie von 1847/48 gilt heute als erster praktischer Fall von evidenzbasierter Medizin (auf empirische Belege gestützte Heilkunde) in Österreich und als Musterbeispiel für eine methodisch korrekte Überprüfung wissenschaftlicher Hypothesen. Zu seinen Lebzeiten wurden seine Erkenntnisse, von ihm 1861 publiziert, nicht anerkannt und von Kollegen als „spekulativer Unfug“ abgelehnt, selbst von Rudolf Virchow. Er starb im Alter von 47 Jahren in Wien unter nicht näher geklärten Umständen während eines zweiwöchigen Aufenthalts in der Psychiatrischen Klinik „Landesirrenanstalt Döbling“ bei Wien. Zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten deuten neben dem Exhumierungsbericht aus dem Jahr 1963 und Motiven für seine Beseitigung auf willkürliche Psychiatrisierung und ein darauf folgendes Tötungsdelikt hin.