AW: Der Dauerflirtblick, oder: untreue Menschen
Hallo Salem,
Naja, dann ist es auch nicht "offensichtlich" (gibt eben keine starre Katalogisierung der Merkmale, darauf wollte ich hinaus), sondern wie du schon sagst intuitiver Natur.
Zugegeben: meine Wortwahl war an dieser Stelle - wie auch an vielen anderen - nicht die glücklichste. Vermutlich ist meine Flirtschwelle viel niedriger als diejenige anderer Menschen, das heißt: was für mich ein Flirt ist, das kann für das Gegenüber womöglich nur ein nett gemeinter Blick sein. Ich glaube zwar nicht, dass es so ist, aber - ich schrieb das ja schon in meinem Eingangsbeitrag - ausschließen kann ich dies natürlich nicht.
Heute vertraue ich meinem Mann und habe ein viel besseres Selbstbewußtsein, er weiß wo er sein will, mit wem er leben und die Beziehungsfülle erleben will, da könnte auch der Sex mit einer anderen Frau nichts dran ändern, so lange keine tiefen Emotionen auftauchen würden. Was man nie ausschließen kann, deshalb: Eifersüchtig bin ich trotzdem, ich würde also nicht wissen wollen, wenn was gewesen wäre.
Im Grunde sind wir nicht weit auseinander, mit dem kleinen Unterschied, dass ich die strikte Trennung von tiefer emotionaler Verbundenheit und "Sex" nicht mitmachen kann und möchte. Aber auch aus Deiner Schilderung wird deutlich, dass Du nicht angetan wärst, würde Dein Mann mit einer anderen Frau 'körperlich' intim werden. Vielleicht fällt mir diese Trennung schwer, weil ich - das schrieb hier auch schon ein anderer Diskussionsteilnehmer - Sexualität nicht ohne emotionale Bezüge reizvoll finde: ich könnte und wollte nicht (habe auch noch nie) einfach mit einer Frau schlafen, nur weil sie mir äußerlich gefällt und die Situation es erlaubt.
Aber es geht mir nicht darum, jetzt aufzudröseln, wer hier die richtigen Werte hat. Denn dann müssten wir zum Thema Treue z.B. folgendes wissen und berücksichtigen:
Hey Salem, ich wollte hier keine wissenschaftliche Statistik darstellen, das geht ja auch aus der ironischen Art und Weise meiner Darstellung hervor - offenbar wohl nicht deutlich genug.
Es war mehr als Kontrapunkt zur Behauptung von Axel gemeint, wonach eine verschwindend kleine Minderheit der Menschen monogam sei. Ich halte dies für anzweifelbar, keinesfalls aber für wissenschaftlich erwiesen. Die von Dir erwähnten Punkte halte ich für plausibel und größtenteils zutreffend. Vielleicht hast Du Recht und ich Unrecht, womöglich sind die Menschen, denen ein Partner rundum genügt, eher die Minderheit.
Ich komme mir bei manchen Gesprächspartnern vor, wie die böse Frau, die mit der Nadel die Traumblasen zersticht. Das will ich aber nicht, ich gönne jedem seine eigene Einstellung und wünsche jedem, dass er seinen Beziehungs-Weg ohne Enttäuschung gehen kann. Aber für mich persönlich ist es oft ein Schönreden der Anderen, die Realität sieht oft (leider?) anders aus. Und dann trifft es diejenigen, die die schönsten Traumblasen hatten eben oft am härtesten.
Es ist mir durchaus bewusst, dass viele Menschen häufiger ihre Partner wechseln als die eigene Unterwäsche. Nur bezweifel ich, dass sie dieses instinktuell dominierte und weitgehend mangelreflektierte Verhalten wirklich glücklich macht. Du deutest an, dass ich dabei die Individualität der Menschen nicht genügend berücksichtige, so sei also jeder verschieden und sollte sich und sein Selbst frei ausleben dürfen.
Dagegen habe ich mich auch nicht ausgesprochen, sondern ich vermute nur, dass die uns aufgelagerte sexuelle Unruhe (ich meine damit bspw. diejenigen Instinkte, die uns Männern weismachen möchten, dass es unabdingbar sei, jede hübsche Knackpopofrau, die vor uns die Straße quert, alsogleich rückwärtig zu bespringen) das verhindert, was letztlich die meisten Menschen erreichen möchten: eine feste Beziehung, die echte zwischenmenschliche Treue (und zwar nicht nur in sexuellen Belangen) eröffnet. Du selbst umschreibst das für Dich sehr treffend wie folgt:
In einer (meiner!) Partnerschaft muss für mich gegenseitig! vorhanden sein:
- Liebe
- Vertrauen
- Verlässlichkeit
Beide müssen den Wunsch haben auf lange Sicht beisammen sein zu wollen Beide müssen das Gefühl haben beim anderen "zuhause" zu sein, angenommen zu werden so wie man ist.
Beide müssen sich blind darauf verlassen können, dass der jeweils andere ohne weiteres bereit ist den Partner zu unterstützen, aufzufangen und zu schützen.
Beide müssen bereit sein auch Probleme gemeinsam zu bewältigen und nicht nur die Rosinen zu nutzen und die schönen Dinge gemeinsam zu erleben.
Man muss wissen wo man hingehört und sich bei alledem trotzdem zugestehen, dass der Partner eine eigenständige Persönlichkeit bleibt!
Besser kann man es kaum ausformulieren.
Wenn also jemand in meinem Leben an diese oberen Dinge heranreicht, dann und nur dann, kann er die Beziehungselemente zum wackeln bringen. Und bei all dem bewegt man sich auf der emotionalen Ebene, Sex hat damit nichts zu tun. Sex mit jemand anderen als dem eigenen Partner, mag für den einen schlimm für den anderen reizvoll sein, aber eigentlich dürfte bloßer Sex nicht die Aufmerksamkeit bekommen, Fremdfühlen ist sicherlich die größere Gefahr. Wie gesagt, das ist meine Erfahrung, ich erwarte keine Zustimmung, jeder Weg ist anders.
Meine Zustimmung muss ich Dir in diesem Punkt tatsächlich auch weiterhin verweigern, da ich - sehe man es als Defizit oder Pluspunkt - Sex nicht mit einem Menschen praktizieren kann, mit dem ich sonst nichts verbinde/teile.
Was ich aber an Deiner Argumentation nach wie vor nicht verstehe: Du hast mehrmals schon erwähnt, dass sowohl das Flirten als auch der Sex ein "Fremdfühlen" begünstigen, resp. das Ende einer Beziehung bedeuten können. Nun frage ich Dich: wenn ich dies weiß, so widerspricht ein Seitensprung/Flirt doch immer der Devise, dass man in einer guten Beziehung wissen muß, wo man hingehört. Anscheinend weiß man es nicht wirklich und der Partner kann es gleichsam nicht wissen, wenn man stets das Risiko in Kauf nimmt, dass man durch einen kleinen Flirt oder einen nicht so kleinen Seitensprung die Beziehung aufs Spiel setzt - vom "Spiel" war ja ebenfalls schon mehrfach die Rede.
"Spielt" man also in einer reifen Beziehung mit dem ganzheitlichen Vertrauensmenschen an der eigenen Seite? Kann man das mit dem Anspruch auf eine eigenständige Persönlichkeit rechtfertigen?
Meine Meinung hierzu: meine Persönlichkeit ist ein Produkt meines Umgangs mit jenen Menschen, die mein Umfeld und mein Lebensfeld prägen und immer schon mitbestimmen. Wenn ich also meine, es sei mein Recht, meinen Partner zu betrügen, da ich ja eine eigenständige Persönlichkeit bin (resp. bleiben muss), dann zeigt das für mich nur, dass hier ein Persönlichkeitsbewusstsein kaum vorhanden ist: soziale Bezugslosigkeit (Egozentrik) hat für mich nichts mit einer eigenständigen Persönlichkeit zu tun.
Es grüßt Dich herzlich,
Philipp