AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?
Hallo Minni,
Ich hoffe, ich kann dir so antworten, dass es für dich verständlich wird.
Der Wille ist sicherlich eine Meinung. Aber auch eine Meinung ist ein Faktum.
Was meinst du damit, dass Meinung ein Faktum sei? Ich habe eine Meinung, und ich weiß, dass es nur meine Sichtweise eines Sachverhaltes ist. Meinung ist ein Denkmodell, Fakten sind in Handlung umgesetzte Denkmodelle, die damit bewiesen haben, dass sie realisierbar sind. Denkmodelle sind diesen Beweis (noch) schuldig. Denkmodelle lassen sich verändern durch neue Informationen oder durch intuitive Inputs wie z.B. Träume.
Wir sollten die Ebenen nicht vermischen. Hier argumentierst du aus der „universalen“ Ebene heraus, die die individuelle Ebene zwar beinhaltet, aber nicht berücksichtigt.
Wollen wir lediglich aus der universalen Ebene heraus sprechen, müssen wir auch das Individuum „an sich“ als Illusion bezeichnen, dem in keinster Weise eine Entscheidung oder ein Tun zukommt. Alle weiteren Diskussionen würden sich dann erübrigen.
Hier scheint schon ein Missverständnis zu entstehen. Die universale Ebene ist nicht von der individuellen Ebene zu trennen. Die Illusion besteht mE darin, diese Trennung vorzunehmen. Denn nur als Individuum können wir handeln, und das was wir als Individuum tun (einschließlich der Ergebnisse unseres Denkens), ist genau das, was ich Willen des Universums nenne.
Das Individuum ist das Werkzeug des kollektiven Willens, ich nehme es als individuellen Willen wahr, weil es gar nicht anders geht. Wie sonst könnte ich wahrnehmen, was auf der Welt passiert, wie sonst könnte ich überhaupt etwas tun, wenn ich es nicht als Individuum tun kann?
Jede Zelle eines Organs tut ihre Arbeit, die nur für diese einzelne Zelle allein sinnlos wäre, im Gefüge des Organs, das wiederum nur im Gefüge eines ganzen Körpers ein sinnvolles Leben führt, erfüllt sie aber genau die Aufgabe, die den Gesamtorganismus am Leben hält.
Dieses Bild lässt sich auch auf das menschliche Individuum im Vergleich zum Universum anwenden. Da ist kein Platz für den freien Willen. Alle Entscheidungen, die ich scheinbar treffe, sind eingebunden in das Netzwerk
aller Individuen.
Wenn jeder immer nur eine einzige Möglichkeit zur Wahl hätte, müßten wir das Wort Entscheidung aus unserem Wortschatz streichen. Eine Entscheidung impliziert die Wahl zwischen mindestens zwei Möglichkeiten.
Wie ich schon vorhin erklärt habe: Wir können nur als Individuen handeln. Das ist unsere Aufgabe als menschliche Lebewesen. Und da erscheint es mir eben so, als hätte ich mehrere Möglichkeiten zur Entscheidung.
Wie sollte man sich nicht hilflos fühlen, wenn man eigentlich keine Wahl hat, sondern nur aus einer einzigen Möglichkeit schöpfen kann? Wie kann ich eigenverantwortlich sein, wenn ich praktisch nichts entscheide?
Wenn ich entscheide, dann entscheide ich im Sinne des Universums. Nach meinen obigen Erklärungen müsste das jetzt verständlich sein. Oder? Alles was getan wird, ist der Wille des Universums. Ich als Werkzeug führe aus, was das Universum will, weil ich nicht getrennt davon bin.
Ich meine, du überbewertest den Einfluß von Außen (das du selbst bist und durch "frühere" Entscheidungen selbst provozierst hast).
Provoziert im Sinn von mitgestaltet nach dem Willen des Universums.
Die gelernten Spielregeln prägen natürlich den Willen. Dennoch kann ich mich in jedem Moment entscheiden, jemanden zu schlagen oder auch nicht (wenn die Affekte nicht zu stark sind). Wollen (oder nicht) kann ich den Schlag sowohl vor der Aktion (eigentlich will ich das nicht) wie auch danach („das wollte ich nicht“). Es ist nicht gesagt, daß ein Wille immer zu einer entsprechenden Entscheidung bzw. Handlung führt.
Wenn es deine Aufgabe ist, jemanden zu schlagen, dann wirst du dich dafür entscheiden, wenn nicht, dann wirst du dich dafür entscheiden, friedlich zu sein. Oder du entscheidest dich dafür, lang über richtig und falsch nachzudenken, damit du dich vor der Entscheidung drücken kannst.
Alles das geschieht durch den Willen des Universums.
Ich kann jederzeit sagen, daß ich nicht an Gott glauben will. Dann suche ich nach Alternativen, was ich sonst glauben kann.
Ich kann auch sagen, daß ich keine Zahnschmerzen haben will, dann suche ich einen Zahnarzt auf – oder auch nicht.
Wir können auch wollen, kein Mensch zu sein, so will ich manchmal ein Vogel sein, der um die Welt fliegt.
Das zeigt, daß der Wille nicht unbedingt in eine Handlung münden muß, um ein Wille zu sein.
Wenn ich Selbstmord begehe, werde ich zwar, so glaube ich dann, von der bösen Umwelt getrieben, doch ist es die spezielle eigene, persönliche Entscheidung, die zwar vom Willen beeinflußt wird, aber nicht nur von ihm. Eine Beteiligung äußerer Umstände ist gegeben, aber sind die Umstände nicht Auswirkung von Entscheidungen, die auch der (vorhergehende) Wille mitbestimmt hatte?
Vielleicht sollten wir vorerst mal untersuchen, wie ein Wille entsteht oder was er eigentlich ist.
Wenn du ein Vogel sein willst, bist du dann auch einer? Unterliegt es deinem Willen, ein Vogel zu sein, oder kannst du dir nur
wünschen, ein Vogel zu sein? Der Wille ist mehr als nur eine Wunschvorstellung. Da scheint ein Missverständnis vorzuliegen.
Wünsche sind - wie Träume - Ideen, die aus dem Willen des Universums durch Intuition in unsere Gedanken einfließen. Beobachte einmal deine Gedanken, wo kommen Ideen her, die nicht durch logische Überlegungen hervorgebracht werden?
Das was du wirklich willst, als Individuum, ist der Wille des Universums, das hat zu geschehen und das geschieht auch, weil alles zusammen UNSER gemeinsames LEBEN ausmacht.
Deine Gedanken sind nicht dein Wille. Das was du wirklich willst ist das, was du
tust. Als Werkzeug des Universums.
Bin gespannt auf deine Antwort.
Minni
herzlich
lilith