AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?
Der freie Wille wurde hier bereits ausführlich von sehr vielen Seiten beleuchtet: Philosophische, neurobiologische, strafrechtliche, speziell religiöse und immer wieder ganz persönliche Aspekte aus der eigenen Erfahrung und/oder mit der eigenen Sichtweise, von jüngeren wie auch von älteren Usern - alles sehr interessant zu lesen!
Ganz kurz möchte ich, weil ich das eben will (
) überblicksmäßig zwei sehr tief gehende Standpunkte, die man grob gesehen dem Determinismus bzw. Indeterminismus zuordnen kann, aus den letzten Beiträgen gegenüberstellen:
Miriam:
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Zu den Neurobiologen die Befürworter der Willensfreiheit sind, gehört u.a. Manfred Spitzer, der m.E. einen wichtigen Akzent setzt in diese Debatte, indem er auf die Schwierigkeit abstrakte Phänomene zu erfassen, hinweist.....Und genauso ist es Unsinn, zu sagen, es gibt den freien Willen nicht, nur weil man ihn nicht findet, wenn man da mit Elektroden rumstochert.
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Unsere Vorstellung ist unsere eigene Realität, mit anderen Worten, unser freier Wille wird von uns als Realität erlebt.
Dies bestimmt unser Verhalten, unser Handeln, weiter auch unsere Rechtsvorstellungen also auch das Rechtssystem für das wir uns entschieden haben.
Übrigens kann man da an Kant anknüpfen, der ja auch behauptet, dass der Mensch nur unter der Idee seiner Freiheit handeln kann.
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Doch Libet hat noch eine zweite wichtige Sache bewiesen: die Möglichkeit unseres Bewusstseins zu einem Impuls auch "nein" zu sagen .... "wenn die geplante Handlung als sozial inakzeptabel angesehen wird oder nicht im Einklang mit der eigenen Gesamtpersönlichkeit oder mit den eigenen Werten steht".
Lilith (auf ihren universalen Gedankengang mit der allgemeinen Abhängigkeit und Beeinflussung voneinander bin ich schon mal kurz eingegangen):
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In der Diskussion um die Konsequenzen der neurobiologischen Erkenntnisse geht es aber um die gesellschaftlichen Spielregeln. Was verboten ist und was erlaubt ist, das sind die Paragraphen eines Vertrages, der innerhalb einer bestimmten Gruppe geschlossen wurde.
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Welche Strafen nun ein Mörder zu erwarten hat, hängt mMn nicht unbedingt davon ab, ob er selbst frei entschieden hat, zu morden, sondern DASS er die Tat wirklich begangen hat.
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Aber - und das ist es, was ich für sehr bedenklich halte, einen solchen Störfaktor darüberhinaus als "schlecht", "falsch" oder sogar "unmenschlich" zu verurteilen, dazu hat niemand das Recht. Denn seine Tat stört zwar die Gemeinschaft, aber er handelte dennoch innerhalb des Gefüges des gesamten Universums.
Dazu ein Denkansatz von mir über
Angstzustände, die nicht allein mit dem Instinkt zu erklären sind, meine ich:
Viele Menschen leiden unter Phobien, beispielsweise Tierphobie oder Klaustrophobie (Raumangst), um zwei häufige Beispiele aufzugreifen.
So können auch engagierte Tierschützer eine Angst vor Spinnen oder harmlosen Schlangen haben, die sie nicht in den Griff bekommen können und es ihnen unmöglich macht, solche Tiere zu streicheln oder in die Hand zu nehmen. Da hilft weder der Wille, noch der Verstand noch die instinktive, positive Grundeinstellung zu Tieren etwas, es geht nicht! (Nicht zu verwechseln mit anerzogenen Zimperlichkeiten, die man bei ernsthaftem Bemühen und vorhandenen Gelegenheiten sich relativ leicht abgewöhnen könnte).
Wer unter Raumangst leidet, kann nicht mit einem Aufzug fahren! Ich habe es selber erlebt, dass solche Personen lieber 10 Stockwerke zu Fuß rauf gehen, als sich den Schweißausbrüchen und ihrer Lebensangst im Aufzug auszusetzen. Eine schwerkranke Frau wollte einmal auf keinen Fall in das Wiener AKH (Krankenhaus), weil sie es hoch oben in den Stockwerken nicht ausgehalten hätte.
Das Erklären nützt da nichts, am Verständnis fehlt es ja absolut nicht. Sie
wollen es nicht, weil sie es nicht
wollen können.
Ich glaube, das geht über das hier schon angeführte Argument hinaus, dass der freie Wille da wäre, man könne ihn aber nur nicht umsetzen, weil es Hindernisse gäbe. Denn diese Hindernisse spielen sich nur im Kopf ab, in Nervenbahnen, bei Synapsen oder wo auch immer. Wir können das nicht sehen, nicht messen und auch sonst nicht nachweisen, es ist aber trotzdem da - wir können jedoch nur die Auswirkungen erkennen.
Ob Kindheitserlebnisse oder andere Einflüsse Auslöser waren, ist hier sekundär. Was bleibt ist ein für uns unerklärbarer und nicht beweisbarer, nicht sichtbar zu machender Zustand.
Auch wenn wir unseren freien Willen einsetzen, wissen wir nicht und können das niemals wissen und beweisen, woher dieser freie Wille kommt. Genauso wie die Phobie nicht durch mögliche Auslöser allein erklärt werden kann. Wir haben diesen Willen aber dennoch, wir spüren das so in uns und begreifen es daher nur so, dass wir
wählen können, was als freier Wille definiert werden kann.
Mir selber leuchtet irgendwie vieles aus beiden Argumenten ein, sei es aus der Sicht des Determinismus oder Indeterminismus, das habe ich schon öfters angedeutet.
Ist die entscheidende Frage aber möglicherweise eine ganz andere?
Für mich persönlich glaube ich schon langsam trifft das zu: Der freie Wille ist tatsächlich vorhanden, das lässt sich bei allen Denkweisen erkennen, aber wir wissen nicht, woher er kommt. Ein Tier wird sich bei seinen Entscheidungen vor allem vom Instinkt leiten lassen, aber dennoch ist es genau betrachtet auch ein freier Wille, wenn es sich zwischen zwei Möglichkeiten frei entscheidet (Fresstrieb oder Geschlechtstrieb beispielsweise). Nur definieren wir das beim Tier leichter als "Instinkt-Enscheidung". Das Tier selber weiß das aber nicht.
Was bei uns die freie Wahl ermöglicht oder beeinflusst, das wissen wir ebensowenig - ich glaube, das ist ein springender Punkt. Wir können die Seele bei uns nicht erklären und beweisen - nur daran glauben, dass es mehr als den Körper, den Verstand und die Gefühle, das Spürbare geben muss, mehr als nur dieses Nachweisbare, "Messbare" sozusagen.
So entspricht es auch eher unserer Logik und ist nicht wirklich nachweisbar, dass es für unseren freien Willen andere ("höhere"?) Kräfte oder Mächte geben muss, die wir nicht kennen und schon gar nicht beeinflussen können.
Aber wir spüren es so, dass wir in unserer Entscheidung frei wären und frei wählen können. Und wir können das nur mit den uns zur Verfügung stehenden Werkzeugen nachweisen (vgl. Libet).
Wenn wir aber glauben, dass der Mensch nicht die Krone der Schöpfung und das Zentrum des Universums ist, dann müssten wir mMn auch glauben, dass es mehr geben muss.
@ wirrlicht: Genau, die Umsetzung ist oft das Problem. Freut mich übrigens, dass wir schon zu zweit sind, die ein bischen Probleme mit dem französischem deschawuh haben!
lg
Andreas