Re: Arbeitslose
Original geschrieben von Gisbert Zalich
Zurzeit stürmt ja - besonders durch die Talk-Shows - eine Stimmungsmache gegen die Arbeitslosen durch das Land. Der brave Arbeitsplatzinhaber ist ja schon auf Krawall gebürstet, BEVOR er mit einem Arbeitslosen ins Gepräch kommt. Diese Stimmungsmache bezeiche ich als HETZE, und die ist nicht gut. Wir haben 5 Mio. Arbeitslose. Von denen sind vielleicht 1 Mio. Arbeitsscheu, und diese Zahl ist sehr hoch gegriffen.
Hi Gysi,
ich kann's nicht belegen, aber ich bin sicher daß 20 % "Arbeitsscheue" zu hoch gegriffen sind - so viele sind das nicht. Aber - und das stinkt mich so an - es sind leider gerade die faulen Eier, die sich breitgrinsend bei jeder Gelegenheit hinstellen und lauthals verkünden: "Arbeiten? Iiiiich? Bin ich blöd?!" die das Bild prägen - diejenigen, die sich zu Geissen und Co. kutschieren lassen um für 150 Euro (oder so um den Dreh) jeden Mist zu verzapfen, der ihnen als quotentreibend in den Mund gelegt wird.
TV-Bilder haben viel Macht - SOWAS prägt sich ein. Ist genauso wie mit den paar schrillen Fummeltrinen, die alljährlich bei CSD's so begeistert gefilmt werden - daß "der Schwule an sich" zum Großteil ebenso "normal" bzw. "unnormal" ist wie jeder Mann kommt den Leuten ja gar nicht erst ins Bewußtsein - woher auch, wenn das Plakative als Norm vorgeführt wird?
*groll* bin gerade sooo geladen!
Was ist mit dem Rest, den 4 Mio.? Es gurkt immer wieder das Argument "Wer arbeiten will, der bekommt auch Arbeit!" durch die Sender. Gegen diese Dummheit erhebt sich kaum Protest. FAKT ist: WIR HABEN ZU WENIG ARBEITSPLÄTZE!
Stimmt, und besonders schmerzlich erlebe ich das in Dresden im Umfeld meines Freundes. Da sind qualifizierte Arbeiter, die sich wirklich ein Bein ausreißen um IRGENDEINE Arbeit zu finden - selbst wenn die verabscheuungswürdig niedrig bezahlt wird - damit sie wenigstens wieder sagen können: "Ich arbeite dort und dort!" Was mir dort manchmal begegnet tut mir in der Seele weh. Da ist sich ein Lehrer Anfang 50 nicht zu schade, Regale aufzufüllen oder Zeitungen auszutragen (der Vater meines Freundes) - und solche Menschen müssen sich dann am Negativ-Image des Sozialschmarotzers messen lassen? Das ist nicht fair!
Außerdem könnte man sich auch mal Gedanken machen, WARUM manche sich vor Arbeit drücken. Warum sie ausgesprochen FAUL sind. Wer sich vor dem Altwerden deaktiviert, hat ein Problem, das mit Tritten ins Gesicht nicht gelöst werden kann... Es war schon immer leicht gewesen, im Schwachen den Schuldigen zu suchen und zu finden.
Da möchte ich differenzieren. Früher habe ich genauso argumentiert - ich denke mal, daß ein Mensch, der mit Perspektiven aufwächst und wenigstens etwas motiviert wird (wer will das nicht? Es macht stolz, etwas zu leisten und dafür Anerkennung zu bekommen) nicht einfach so zum "faulen Sack" wird. Wie überall gibt's aber die berühmten schwarzen Schafe - diejenigen, die absichtlich in ein Bewerbungsgespräch mit versifften Klamotten und Bierfahne aufkreuzen - und die gleichzeitig nicht wenig Schotter verdienen, weil sie schwarzarbeiten. DAS sind echte Sozialschmarotzer die ich gefressen habe! Das ist das eine. Und das andere: ich finde nicht, daß "dem Schwachen" ins Gesicht geschlagen werden darf, indem man ihm auch noch den letzten Rest an Selbstachtung wegquasselt. Aber trotzdem finde ich, sollten solche Menschen durchaus mit Strenge wieder in die Arbeitswelt zurückgeführt werden - notfalls mit Druck. Zu dieser Überzeugung bin ich über die Jahre gekommen, weil ich mich (durch meine eigenen Erkrankung) sehr viel in "Psychokreisen" aufgehalten habe. In diesem Umfeld (betreutes Wohnen, ehemalige Psychiatrie-Patienten usw.) ist es mir zu oft begegnet, daß die Betroffenen schlicht resigniert hatten - das führte dann dazu daß sie selbst niedrigschwellige Angebote nicht mehr wahrnehmen wollten/konnten. Die wenigsten hatten so vernünftige Betreuer, die dafür sorgten, daß sie - zunächst wirklich durch DRUCK - erstmal wieder aus dieser resignierten Grundhaltung rauskamen. Natürlich ist das nicht vergleichbar mit dem, was Schröder und Konsorten vorhaben - das ist doch nix weiter als der Versuch der Symptombehandlung ohne Rücksicht auf die eigentlichen Ursachen. Wenn man hier wirklich konstruktiv Veränderungen erreichen wollte, müßte eine Regierung mit Vehemenz dafür sorgen, daß es sehr viel mehr Arbeitsplätze auf dem "2. Arbeitsmarkt" gibt, d.h. vom Sozialamt bezahlte, betreute Arbeitsplätze, die Betroffenen einerseits ein notwendiges "Gerüst" bietet, andererseits aber auch klar macht: wer ständig seinen Wehwehchen nachgibt, bekommt eben weniger Unterhalt. Sowas eben - diese Modelle gibt es, sie werden nur immer weniger finanziert - und DAS ist skandalös!
Die Lohnnebenkosten müssen gesenkt werden. Wenn Clement (den österreichischen Wirtschaftsminister kenne ich leider nicht) sagen würde, 2 Feiertage sollten nicht mehr bezahlt werden: o.k. Das ist ein Vorschlag, der einsehbar wäre. Aber er sagte ja: Die Leute sollen an den Feiertagen ARBEITEN, also insgesamt mehr arbeiten! D.h., die vorhandene Arbeit soll sich noch mehr auf weniger Arbeitende konzentrieren?
'Confused' fühle ich mich oft, wenn ich mir so anhöre, mit welchen "Spezialistenvorschlägen" unsere Politiker immer wieder aufwarten. Ging mir schon zu Seehofers Zeit so, als der die Pflegereform mit durchdrückte - damals war ich in einer Altenheimverwaltung als Aushilfe beschäftigt. Schreibtischtäter ohne jeden Bezug zur Praxis, kann ich da nur sagen (heute - nach seinem Beinahe-Tod bereut der gute Seehofer wohl so manche Entscheidung von damals... zu spät
)
LG, wirrlicht
Achso:
Ich rede NICHT von Wirrlicht. Ich glaube auch, dass ihr euch einander noch nicht so richtig verstanden habt....
Na damit hast Du mir mindestens 5 1/2 Minuten meines Nachmittags gerettet
Gracias!