Erläuterungen: ICD-10 - Persönlichkeitsstörungen
Nicht nur für Zeili...
also, das ICD-10 ist ein Werk mit diagnostischen Leitlinien, herausgegeben von der WHO, der World Health Organisation. Gegenwärtig wird es am häufigsten benutzt, wahrscheinlich irgendwann vom ICF, der International Classification of Functioning abgelöst.
Das Kapitel F (Psychische Störungen) könnte man als "Bibel der Therapeuten" bezeichnen, weil sich kaum jemand alle Diagnosekriterien merken kann.
Um eine Therapie finanziert zu bekommen, muss eine "Störung mit Krankheitswert" vorliegen, und dazu muss eben eine Diagnose gestellt werden.
Die emotional instabile Persönlichkeitsstörung gehört ins Kapitel über Persönlichkeitsstörungen (sinnigerweise), und das hört sich nicht nur sehr krank an, es ist auch gravierend. Wenn man sich mit der Geschichte von Borderlinern beschäftigt, ist es manchmal kein Wunder, dass sie nicht mehr wissen, was hinten und vorne ist... eine sinnvolle Therapie dauert Jahre.
Etwas vereinfacht kann man sagen, dass Borderliner mit ihren Gefühlen nicht klar kommen, oft sehr sprunghaft sind und sich damit schwer tun, klare und eindeutige Beziehungen zu gestalten. Die Eltern, wenn sie überhaupt da waren, haben bei diesen Menschen meist gravierene Fehler gemacht. Und das ist auch ein Anliegen meines Nachdenkens über das Thema Beziehungsfähigkeit. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Kind Liebe erfährt, mit Achtung und Wertschätzung aufgezogen wird, von den Eltern lernt, mit Gefühlen umzugehen.
Ein Aspekt, der mich besonders bewegt hat, war die Auseinandersetzung mit Auszügen aus Hitlers "Mein Kampf", die ich in einem Buch über den Nationalsozialismus fand: "alles Weiche muss weggehämmert werden". Für Gefühle ist da kein Platz. Männer dürfen nicht weinen und was man den Frauen im dritten Reich zugemutet hat, war auch nicht gerade sanft.
Ich gaube nicht, dass die Folgen und Spätfolgen dieser Ideologie schon verschwunden sind. Und der Beitrag von Lilith zeigt auch die Verletzungen auf, die bereits in frühester Kindheit entstehen, zugefügt werden, oft aus Unwissenheit oder Desinteresse. Liebevoll ist der Umgang mit Kindern, allgemein der Umgang der Menschen miteinander, oft ganz bestimmt nicht.
Die Orientierung an Werten wie Liebe, Achtung, Toleranz, ergänzen kann man sie durch Begriffe wie Respekt, Verständnis, Anerkennung und Wertschätzung... verändert schon eine Menge. Wissenschaft in allen Ehren - ich suche nach einfachen, alltagstauglichen Modellen der Beziehungsgestaltung, die auch ohne ein komplettes Studium der Psychologie praktikabel sind. Gelegentlich stosse ich dabei aber doch auf Themen, die Lernprozesse voraussetzen und damit mit dem Alltagswissen allein ncht hinreichend beantwortet werden können. Ängste als soziale Ängste, Konflikte und emotionale Belastungen sind mit dem, was wir so allgemein vermittelt bekommen, oft schwer zu bewältigen.
So manches entwickelt sich aber auch durch Erfahrung - und es lohnt sich, darüber nachzudenken, was eigentlich geschieht, wenn Beziehungen gelingen, welche Aspekte dazu führen, dass Menschen "miteinander zurechtkommen", zusammen leben, zusammen arbeiten können.
Und dabei stosse ich immer wieder auf etwas scheinbar Einfaches, Grundlegendes: das Gespräch. Kommunikation in einem Forum als medienvermittelte schriftliche Kommunikation ist da sicherlich reduziert, denn es fehlt die unmittelbare körperliche Präsenz, die "sozial-emotionale Sinnlichkeit", wie es Hellmut Geißner, der Begründer der modernen Sprechwissenschaft, in seinen Seminaren ausgedrückt hat. Ein Übungsfeld ist es trotzdem - und damit eine Chance, über Beziehungsfähigkeit nicht nur nachzudenken, sondern sie im (wie auch immer gestalteten) realen Vollzug zu entwickeln.
lg Methusalem