Und weil es auf die von Dir gedachte Art nicht möglich ist, jede Idee jedes einzelnen in der Gesamtbevölkerung zu diskutieren, darf oder kann diese Bevölkerung nun rein garnichts gefragt werden, außer: "Möchtest Du wieder die seit Jahrzehnten bewährten Parteien wählen, ja?" Sie darf nicht ein einziges mal sagen, wieviel Zuwanderung sie beispielsweise gerne hätte, weil das viel zu aufwändig wäre?
Nein. Das von dir vorgeführte System war eher in den "Volksdemokratien" des Ostblocks vorzufinden. Politiker bzw Parteien befassen sich hierzulande natürlich mit Umfragen und auf sonstigen Wegen in ihre Ohren gelangte Meinungen und Wünsche. Aber es ist ein Unterschied ob ich jemandem zuhöre und darüber nachdenke bzw das berücksichtige oder ob ich lediglich Anweisungen entgegen nehme.
Die Bevölkerung darf natürlich mehr oder minder sagen was sie will - aber es gibt nur selten "die Bevölkerungsmeinung", sondern es kommen viele unterschiedliche, oft auch gegensätzliche Meinungen/Wünsche/Äußerungen aus der Bevölkerung an die Ohren der Politiker.
Bei einzelnen politischen Fragen ist es natürlich möglich, Volksabstimmungen darüber abzuhalten. Aber, die sind erstens sehr aufwändig und kostspielig und zweitens bedarf es für eine fundierte, plausible Meinung in der Regel Einiges an Beschäftigung mit der Frage und deren Auswirkungen.
"Wieviel Zuwanderung hätten Sie gerne ?" zeigt hier schon, dass alleine die Fragestellung großen Einfluss auf das Befragungsergebnis hat. Die selbe Frage könnte man auf viele Arten stellen:
"Wie viele Asylanten hätten sie gerne in Österreich ?"
"Muss Österreich im Ausland aus politischen Gründen verfolgte Personen eine Zuflucht bieten ?"
"Darf man einer im Ausland aus politischen Gründen verfolgte Person die Zuflucht verwehren, weil man einer anderen Person schon Zuflucht geboten hat ?"
"Darf die Pensionslücke in 30 Jahren von Migranten geschlossen werden ?"
"Wie viele Asylanten sollen täglich nach Österreich kommen dürfen ?"
Je nach Fragestellung auf dem Zettel kann die Antwort mal so mal so ausfallen. Politiker sind aber angehalten, all diese Aspekte zu beleuchten und im Parlament (siehe Bedeutung des Begriffes) zu besprechen und gemeinsam (auch kontrovers) zu erörtern. Das ist deren Aufagabe, wofür sie nicht nur vom Volk gewählt, sondern auch bezahlt werden. Ein Bäcker, der untertags einer Erwerbsarbeit nachgeht, wird nach Feierabend eher weniger die Zeit und Muße haben, sich intensiv mit einer Vielzahl an politischen Fragen zu beschäftigen. Das können "Profis" in der Regel besser. Natürlich darf sich aber auch ein Bäcker darin versuchen und wird es auch können, wenn das Volk ihm das zutraut und für ihn stimmt. Der Bürger hat nämlich nicht nur ein aktives, sondern auch ein passives Wahlrecht.
Jetzt kann man entweder davon ausgehen, dass der kleine Mann auf der Straße die Reichweite seiner Entscheidung abschätzen und folglich auf für sich richtig zu entscheiden in der Lage ist.
Oder aber man pfeift darauf und meint "egal wie du dich entscheidest, du musst ja eh selbst die Folgen tragen".
Oder aber man betraut bestimmte Personen sich mit der Sache eingehend zu beschäftigen und nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden. Und damit diese nicht völlig willkürlich entscheiden erhalten sie ihre Macht zeitlich begrenzt und müssen sich immer wieder einer Beurteilung seitens der Bevölkerung unterziehen.
Schön, dieser Vergleich! Die gute politische Führung entspricht also den fürsorglichen Eltern, welche die unbedachte Kinderschar sicher durchs Leben geleitet, von dessen Notwendigkeiten die Kinder natürlich nichts verstehen.
Das hast du gesagt. Ich sehe jedoch einen Unterschied zwischen "nicht die Tragweite einer Entscheidung abschätzen zu können" und "natürlich nichts verstehen". Dieser Extremismus führt hier zu nichts, erscheint mir lediglich polemisch.
Abgesehen davon, daß manche Eltern überhaupt nicht qualifiziert oder fürsorglich sind und stattdessen ihre Kinder schwer beeinträchtigen, ist der Gedanke der Demokratie ja nun gerade der, daß die Macht eben von dieser nunmehr als mündig und selbstverantwortlich betrachteten Mehrheit der Kinder ausgehen soll und eben nicht mehr von einer kleinen Minderheit besser qualifizierter Eltern.
Auch wenn Eltern auch ihre Fehler haben, wäre es den Kindern gegenüber ein Bärendienst, würde man ihnen ihre Erziehung selbst überlassen.
Aber ja, ein Unterschied zwischen Eltern und einer Regierung ist natürlich der, dass Regierungen gewählt werden und Eltern in der Regel nicht.
Das, was du als "Macht" bezeichnest, ist aber ein heterogener Begriff. Die "Macht" über einzelne politische Entscheidungen kann nicht vom Volk ausgehen, weil einfach wie schon von mir gezeigt, nicht nur unsinning, sondern auch technisch nicht möglich ist. Der demokratische "Ausweg" ist die übergeordnete Macht - nämlich die Macht jene zu bestimmen, die die einzelnen politischen Entscheidungen treffen.
Ist das Volk nicht mit den Entscheidungen bzw mit den Personen einverstanden, hat es die Macht jenen ihre Macht wieder zu entziehen.
Und das ist letztendlich diese "höchste Macht", die vom Volke ausgeht.
Diese höchste Macht ist aber nicht allumfassend. Was ich zum Beispiel heute zu Mittag essen werde, bestimme letztendlich ich und nicht das Volk.
In einer Demokratie gibt es tatsächlich nur eine Verwaltung des Volkwillens und dieses Eltern-/Kindermodell entspricht dem Feudalismus aber nicht einer Demokratie.
Dem wäre so, wenn es denn so einfach mit dem "Volkswillen" wäre. Wenn das Volk heute etwas verlangt worüber es morgen und in weiterer Zukunft klagen wird, dann würde die politische Führung einen Bärendienst erweisen (und bei demokratischen Wahlen auch abgestraft werden), wenn sie dem Tageswillen nachkommen würde. Die Volksmeinung würde dann nämlich lauten "ihr hättet das wissen müssen !".
Entscheide doch selbst, welchem der beiden dir vertrauenswürdig im Sinne von nicht täuschen wollend erscheinenden Betreuer du deine Kinder eher überlassen würdest: Jenem der die Kinder nach eigenem Gutdünken verantwortungsvoll betreut oder jenem ausschließlich das macht, was die Kinder von ihm verlangen ?
Im Feudalismus wird die Macht von oben verteilt (der/die Oberste erhält die Macht idR von Gott und verteilt sie nach unten) und wird vererbt anstatt verliehen. Jedoch, aus Kindern werden selbst Eltern und die Machthaber (Politiker) werden vom Volk gewählt. Also nicht sehr feudal, wie ich meine.
Auch negiert deine Sichtweise der Demokratie jegliche gezielte Entwicklung - keinerlei Visionen aus der Politik sondern lediglich Ausführung. Dazu bräuchte es keine Politiker, sondern lediglich Verwaltungsbeamte. Es gibt tatsächlich Länder ohne politische Führung, also gemäß deiner Sichtweise demokratische Musterländer. In der Regel flüchten aber die Menschen aus jenen.
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