AW: Was lest ihr gerade?
Was hältst Du vom Dawkins-Buch? Habe es noch nicht gelesen, hat einen ziemlich miesen Leumund...
LG, pispezi
Ja, ich bin da leicht gespalten
Zunächst: Lesen tut es sich super, ich hab das Teil in ein paar Tagen durch gehabt und wenig Seiten hat es nicht, also der Schreibstil ist sehr verständlich und amüsant.
Inhaltlich habe ich letztlich nichts wirklich neues gelernt, im Grunde sind die meisten der Dinge, die er anspricht bekannt, er hat einmal alle Fakten zum Thema zusammengetragen und auseinandersortiert. Man hat oft ein Aha-Erlebnis, bemerkt aber beim zweiten Nachdenken "Naja, war ja aber eigentlich klar"
Wirklich neu, zumindest für mich, war seine Theorie der Memes, was nach Dawkins die Zeiten überdauernden Erinnerungen oder besser Denkschemata sind, die sich quasi evolutionär wie Gene verhalten. Das Konzept der Memes hat er zwar noch nicht ganz zu Ende gedacht, es klingt aber recht vielversprechend und einleuchtend.
Zu kritisieren hätte ich, dass er es sich mit manchen Dingen etwas einfach macht, allerdings muss man hierzu auch sagen, dass Dawkins ein Mann ist der Kritik verträgt, er hat das in der Auflage, die ich hier habe, mit eingearbeitet. Aber gerade in Bezug auf Religion ist er oft recht einseitig, er konzentriert sich zum einen zu sehr auf die christliche Religion, was zwar für einen Angelsachsen nicht weiter verwunderlich ist, von einem Wissenschaftler hätte man da aber vielleicht mehr erwarten dürfen. Andererseits ist der Mann weder Philosoph noch Theologe, von daher hab ich ihm das nachgesehen.
Er konzentriert sich recht stark darauf, was das Christentum alles im Laufe der Jahrhunderte "verbrochen" hat. Das mag zwar rein historisch betrachtet stimmen, und er bemerkt auch richtigerweise, dass hier immer die Religion als ein Mittel zum Zweck missbraucht wurde (in dieser Hinsicht ist "Grand Theft Jesus" wesentlich weiter entwickelt), jedoch unterschlägt er, dass es schon seit Jesus Zeiten auch eine "Ur-Christiliche" Strömung gab, die sich auf Werte wie Nächstenliebe, Selbstlosigkeit usw (Sloterdijk nennt es "Christenliebe", ich hoffe Du weisst was ich meine) beruft und die es bis heute gibt. Diese Strömung geht zwar im allgemeinen Lärm der Televangelisten unter aber es gibt sie und Dawkins hätte der Welt einen Gefallen getan, wenn er sie gewürdigt hätte. So hat man den Eindruck, er lässt kein gutes Haar an der Religion, dem Christentum im Besonderen, was aus meinem Verständnis nach einer konstruktiven Kritik eher unproduktiv ist.
Nichts desto trotz kann ich das Buch empfehlen. Wenn man sich der Auslassungen und Übertreibungen bewusst ist, kommt man mit dessen Hilfe trotzdem dahinter, was Dawkins vermitteln möchte.
lg, xcrypto