Es folgt nichts von dem, weil McKenna nichts von seiner Biographie preis gibt, weder in den Büchern noch außerhalb davon. Dass er heterosexuell ist wird meiner Erinnerung nach nirgends explizit erwähnt, aber man kann es aufgrund einiger Aussagen annehmen. Das Haus in Iowa im ersten Buch könnte man als Jeds Ashram bezeichnen, aber es ist ja ein fiktiver Ashram, insofern nichts wirklich biographisches. Hier bin ich mir immer noch nicht sicher, ob du diesen Sachverhalt ganz nachvollzogen hast: Jed McKenna ist das Alter Ego eines anonymen Autors, der in fiktiven Büchern über ein reales Thema schreibt: Spiritualität, Wahrheitssuche etc. Wie viel von den Anekdoten und Erlebnissen in den Büchern sind tatsächlich biographisch und wie viele sind rein fiktiv? Das weiß keiner, außer der Person, die hinter Jed McKenna steckt. Spielt es eine Rolle? Nein! Eben gerade weil es in den Büchern nicht um Jed geht, sondern um das eigentliche Thema der Bücher.
Okay, ich muss zugeben, dass ich Jed McKenna (bleiben wir bei dieser Personifizierung des
Autors, fiktive Person hin oder her. Schließlich firmiert er auch auf den Titeln seiner Bücher unter diesem Namen) etwas unterschätzt habe. Aber auch nur
etwas, in der Bedeutung, dass er diesen Text nicht ganz so einfach strukturiert, wie es die Handwerksbücher zum Schreiben guter Romane vorgeben.
"I have no more questions", Paul said. He didn´t just mean he had no more questions for me, he meant he had no more questions, period. That´s how it is when you get to the end, you´re just done. What he wasn´t saying, though he could have, was that he now knew all there was to know; everything. He had arrived at the end of knowledge and now posessed the only perfect knowledge. He wasn´t saying it because it´s too big to say, but I knew he was thinking it because it was true and it´s too big not to think.
We continued walking. The moon was three quarters full and lent a radiant sheen to the fresh snow spread like a satin sheet over a slumbering earth.
Dennoch schreibt McKenna hier über
sich selbst. Paul ist eine Kunstfigur - und eine Nebenfigur, wie sie nebensächlicher nicht mehr sein kann, denn nach wie vor wissen wir nicht mehr über Paul, als dessen Namen, und daran ändert sich auch im Folgenden nichts. Konsequenterweise hätte er schreiben müssen "I have arrived at the end of knowledge ...", denn darum geht es.
Warum tut er es nicht?
Zum einen deshalb, um den Eindruck zu vermeiden, er wäre ein individualistischer Selbstdarsteller, dessen "spiritueller Weg" eine persönliche Stilfrage wäre. Er konstruiert den fiktiven Paul, um daraus eine Schablone zu machen, die eine wie auch immer geartete Allgemeingültigkeit hat oder auch nur haben kann. Zum anderen, weil man uns in der westlichen Kultur bereits in der Schule eingebläut hat, wir dürften keinen Satz mit "ich" beginnen, am Besten überhaupt kein "ich".
Gerade Letzteres hat man uns so eingeprügelt über die vielen Jahre Schule, dass wir das überhaupt nicht mehr in Frage stellen. Auch und gerade in wissenschaftlichen Texten ist es ein absolutes Pflichtprogramm, stilistisch so zu arbeiten. Von einer solchen Denkweise versuche ich mich zu verabschieden, und deshalb kreide ich sie anderen auch an.
Da schreibt ein Schüler in seine Chemiearbeit: "
Es wurde eine Geruchsprobe genommen, und ..." und man hat ihn schon so programmiert, dass er das intuitiv übernimmt: Eine vorgebliche Neutralität, bereits in der Sprache, es ist fast so, als ob ein übergeordnetes Wesen kommt, um an der Probe zu riechen.
Aber wäre es nicht viel zutreffender (und ehrlicher) zu schreiben: "
Ich habe eine Geruchsprobe genommen, und ..."
So gesehen stehe ich mittlerweile auf dem Standpunkt, zu sagen: Wenn Du etwas zu sagen hast, dann sag es. Und wenn es etwas von dir oder über dich ist, dann erzähl uns auch das! Aber dann tu dies eben auch!
Wenn Du uns aber etwas über "Paul" zu erzählen hast, dann erzähl uns auch etwas über "Paul"! Wie ist er denn an diesen "Kreuzweg" gelangt? Wie alt ist Paul? Ist Paul Elektriker oder hat man ihn gerade als Abteilungsleiter der Softwarefirma gefeuert? Ist Paul Afro-Amerikaner oder Exil-Kubaner? Trägt Paul Boss-Anzüge oder lieber Latzhosen?
Es kommt noch etwas hinzu.
Die ganze Struktur hat etwas von einem
biblischen Gleichnis, findest Du nicht?
Erst kommt die Kunstfigur: "Es war ein Hausvater, der pflanzte einen Weinberg und führte einen Zaun darum...", so fängt es an, und Ende kommt dann die eigentliche Botschaft: "Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen ..."
Genau dasselbe hier:
Kunstfigur: "Paul didn´t say anything else until we got back to the house. It occured to me that he had probably been ..." [...], dann die eigentliche Botschaft: "There´s nothing left to contend against and nothing left that must be done ..."
Natürlich nicht alles genau so wie in der Bibel, denn dann würde es sofort auffallen und wäre wie aus dem Leben des Brian. Grundsätzlich folgt der Text aber einer solchen Struktur.
Ja, Hass war wohl ein zu starkes Wort, aber spürbare Ablehnung trifft es schon.
Man kann immer irgendwas heraus picken um jemanden zu kritisieren, bevor man auch nur eine Zeile von ihm gelesen hat. Ich finde es halt nur schwach und meistens steckt dann am Ende eben doch bloße Ablehnung dahinter, weil einem die Person oder seine Message nicht passt.
Ablehnung, in der Tat.
Vor allem deshalb, weil ich von so Lebensberater-Büchern - seien sie nun "spirituell" oder nicht - nichts halte. Sie geben eine Neutralität, ja Allgemeingültigkeit vor, die sie nicht haben. Tatsächlich sind sie aber nicht anderes als reine Selbstdarstellung - was ich im Grunde sogar für legitim halte. Nur muss man dann auch den Schneid haben, zur Selbstdarstellung zu stehen!
In diesem Fall ist es dann eine Stilfrage, dies und das ist
mein Stil, und ich halte ihn für den Besten! So wie ein Paul Bocuse oder ein Alfons Schuhbeck ein Kochbuch schreibt und sagt: Das ist
meine Küche und ich halte sie für die Beste - aber allgemeingültig ist sie nicht.
Ob ein Cantor immer wieder in der Klapse gelandet ist oder ein Wallace sich das Leben genommen hat ... das sind interessante biographische Randnotizen, für den Inhalt ihrer Bücher ist es aber nicht relevant. Denn sie schrieben ja keine Bücher über psychische Gesundheit, sondern über Mathematik. Ggf. könnte man ihnen biographisch vorwerfen, dass sie ihre Steuererklärung nicht auf die Reihe gebracht haben.
Schreibt aber jemand Bücher über spirituelle Lebensführung, dann wäre so etwas relevant (oder auch nicht, denn spirituell kann man alles rechtfertigen). Denn schließlich will uns da ja jemand etwas über psychische Gesundheit erzählen.
Das ist wie mit dem aus den Medien sehr bekannten Heilpraktiker der 70/80er Jahre, Manfred Köhnlechner, der als großer Wichtigtuer zahlreiche Bücher zur Vermeidung und Behandlung von Krebs schrieb - leider starb er aber selbst am Krebs, fatal! Und aufgrund der Ironie dieser Lebensgeschichte interessiert sich heute auch niemand mehr für ihn.