Okay, kommt auf die Vormerkliste, kann aber dauern, bis ich dazu komme.
Kann man sicher in einer größeren Stadtbibliothek bekommen oder bestellen.
Vorab: Es wurde nichts weiter recheriert. Bücher von McKenna habe ich keine gelesen.
Dies also ist die Leseprobe von Amazon:
An einem Kreuzweg, einige Meilen vom Haus entfernt, traf ich Paul. Er ging mit mir zusammen weiter. Ich freute mich. Ich freue mich immer, wenn ich jemandem begegne, der dort angekommen ist, wo ich Paul vermutete. Er schwieg und ging einfach neben mir her. Es vergingen zehn Minuten, bis er zum ersten Mal das Schweigen brach.
«Ich bin durch», sagte er.
Mir wurde warm ums Herz und ich lächelte. Mir wurde warm, weil ich an den Tag zurückdachte, an dem ich zu dem gleichen verblüffenden und unfassbaren Resultat gekommen war. Und an andere Tage, an denen ich dasselbe von anderen erfahren hatte. Mir wurde warm ums Herz, weil ich sie kenne, die Reise, die keinem erspart bleibt, der dort ankommen will; mir wurde warm, weil ich weiß, was danach auf dich wartet.
So ist es eben, wenn jemand das Ziel erreicht hat: Da erklingen weder Harfen noch Zimbeln, kein Scheinwerferlicht erstrahlt, und keine Engelschöre jubilieren. Wie sagt doch Laie P'ang? Du fühlst dich wie «ein ganz normaler Typ, der mit seiner Arbeit fertig ist».
1. Paul
Es gibt eine Art "handwerkliche Regeln" des Schreibens von Romanen. Manche Autoren haben sich damit befasst, kennen sie und beachten sie, andere haben die Zusammenhänge intuitiv erfasst und verwenden sie.
Eine dieser Grundlagen definiert die Behandlung im Roman vorkommender Personen, wobei zwischen
Hauptpersonen und
Nebenperson unterschieden wird. Es gilt:
Hauptpersonen
müssen mindestens 3-dimensional sein:
- physisch: wie sieht sie aus, Haarfaarbe, Größe, ...
- psychisch: ruhig oder lebhaft, freundlich, zynisch, ...
- sozial: Geschichte der Person, verheiratet, befreundet, ...
Nebenpersonen
können 1-dimensional bleiben (müssen es aber nicht):
- i.d.R. physisch
Der anfangs gleich erwähnte "Paul" ist nicht einmal 1-dimensional. Wir erfahren über Paul nur eine einzige Information: Seinen Namen.
Weniger Nebenfigur geht nicht.
Warum bringt McKenna sie dann überhaupt ins Spiel? Die Figur hat keine Funktion, außerdem ist sie so beliebig, dass sie auch Frank oder Sheryl heissen könnte. Sie ist unwichtig, denn McKenna will nicht über Paul etwas erzählen, sondern über sich selbst.
Wenn er aber etwas über sich selbst erzählen will, warum tut er das dann nicht? Sondern bringt eine substanzlose Kunstfigur ins Spiel?
Richtig: Damit es einen fiktionalen "Leidgenossen" gibt und McKenna nicht als eine Art Prototyp da steht, sondern er gibt sich den Schein Teil einer Gemeinschaft zu sein derer, die genau so ticken wir er. Weil es ein folgerichtiger, menschlicher Zustand ist. Denselben spirituellen Grad erreicht hat. Wie ihn auch der Leser erreichen kann. Vielleicht.
Im Übrigen eine Art Kunstgriff der esoterischen Literatur, der so gängig ist, dass er schon zum Klischee verkommen ist. Und nicht nur da, es ist auch typisch für so bla-bla-Texte in Frauenmagazinen: "Karin arbeitete am Kopierer im Büro der Werbeagentur, als sie zu mir sagte: 'Ich bin durch.'" Das kannte ich und ich musste an das Gefühl denken, das mich morgen der Gerichtsvollzieher ..."
2. McKenna
Da nun also klar ist, dass McKenna uns nichts über Paul erzählen will, sondern über sich selbst, wird genau das im näheren Anschluss jetzt kommen. Da die absolute Hauptperson McKenna selbst ist, wird die weitere Schilderung 3-dimensional sein. Es folgt:
- physisch: Wahrscheinlich eher weniger und indirekt, irgend etwas wie "immer schlank gewesen" und "jogge immer noch gern" o.ä.
- psychisch / sozial:
a) McKenna ist heterosexuell.
b) McKenna kommt aus einer bürgerlichen Familie, hat aber eine vergleichsweise schwierige Jugend gehabt. Er ist mit seiner Familie oft innerhalb der USA umgezogen, aus beruflichen Gründen seines Vaters. Sein Vater war wahrscheinlich Militärangehöriger. Als Jugendlicher hat er immer wieder nur verglw. kurze Freundschaften gehabt, bevor er wieder umzog - und in dem Wissen, dass seine nächsten Freundschaften auch nur kurz sein werden.
c) Er ist auf eine Universität oder (wahrscheinlicher) College gegangen, mutmaßlich ohne Abschluss.
d) McKenna hat eine Zeitlang in oder im Umfeld eines "Ashrams" gelebt, vorzugsweise in Iowa.
e) McKenna lebt heute in Nordkalifornien oder Portland.
3. Kreuzweg
McKenna und Paul treffen sich am
Kreuzweg. Ach Gottchen, wie metaphorisch!
Beide sind sie Getriebene auf ziellosen Wegen, wie Blätter im Wind. Aber hier und jetzt, an diesem einen Punkt - da treffen sie sich, McKenna und Paul! Und in diesem einen Punkt, da sind sie eins! Auch mental, denn beide "sind sie durch"!
Und obwohl sie doch auf so unterschiedlichen Wegen in diesem einen Punkt Eins geworden sind - irgendwo am Arsch der Welt, denn wo gibt es denn bitte sonst Kreuzwege? - muss doch ein jeder wieder seinen Weg gehen, denn so ist das einfach im Leben:
"'Wähle Deinen Weg, Jed', sagte Paul zu mir, 'und ich wähle den Weg, der diagonal zu Deinem in die Gegenrichtung führt. Gut, dass ich Dich hier traf und irgendwann im Leben sehen wir uns wieder!' Und ich wusste, das wir verschiedene Wege gehen mussten, denn trotz aller Gemeinsamkeiten waren wir doch so verschieden."
4. Warm ums Herz
Also der Kreuzweg war ja schon ein abgedroschenes Eso-Klischee. Aber "warm ums Herz" - das ist so platt, das man sich wundern muss, dass das der Lektor im Verlag nicht gleich unter seiner Bürotür wieder durch geschoben hat.
Also ich vermute mal, in der Realität hat sich das wie folgt abgespielt:
"In Maine, an einem Glühweinstand um die Weihnachtszeit, da traf ich Paul. Es war nasskalt, es fiel Schneeregen und Paul hatte schon ein paar Tassen. Ich freue mich immer, Paul an einem Glühweinstand zu treffen, denn für gewöhnlich spendiert er eine Tasse oder zwei und so war es auch diesmal.
Er sah auf den Boden seiner Tasse und brauchte eine Weile, bis er sich gesammelt hatte. Dann schüttelte er sich, schaute nach oben in die nasse Matsche, die da vom Himmel fiel und sagte: "Ich bin durch! Scheisswetter!"
Ich nahm einen kräftigen Schluck von dem kochend heissen Glühwein mit Schuss und es wurde mir warm ums Herz. Oh ich kenne sie, diese Reise nach Hause nach fünf Tassen Glühwein bei diesem Sauwetter, und ..."
5. Warum ich das alles nicht ernst nehmen kann und warum ich Texte, die so beginnen, nach wenigen Zeilen weg lege
Ganz einfach: Papier ist bekanntlich geduldig, aber das ist alles so platt, abgedroschen und Klischee, das man sich fragen muss: Wie konnte das Papier
das nur ertragen? Es kann eigentlich nur einen Grund dafür geben: Es handelt sich um eine Satire.
Aber selbst wenn es Satire ist, dann ist es dafür nicht zündend genug, es hätte mehr kommen müssen. Und neu ist es auch nicht, denn es gibt einiges an satirischer Literatur dieses Genres - aus den 70/80/90er Jahren vor allem, und um Klassen besser.
Das bedeutet auch: Selbst wenn es Satire ist, dann wird es nicht besser werden. Es ist dann einfach ein schlechtes Buch.
Schlechte Bücher sollte man einfach nicht lesen.